Ausländische Arbeitskräfte

Einwanderung soll auch in Brandenburg gegen den Fachkräftemangel helfen

Gerade hat die Baufirma einen Kranfahrer gefunden. Aber der Blick in die Lohntüte begeistert den Kollegen nicht gerade. So muss der Chef fürchten, dass sich der Mann einen anderen Job mit besserer Bezahlung sucht. Selbst ausbilden, um sich mit Fachkräften zu versorgen, rät Brandenburgs Arbeitsministerin Diana Golze (LINKE) den Unternehmen. Doch die Baufirma, von der hier die Rede ist, hat früher immer Lehrlinge gehabt, seit ein paar Jahren allerdings nicht mehr. Es meldeten sich zuletzt nur noch Jugendliche, die im Bewerbungsgespräch freimütig einräumten, keinerlei Interesse an einem Bauberuf zu haben. Sie seien von den Eltern hergeschickt worden. Unter diesen Voraussetzungen verzichtete der Chef auf Lehrlinge.

Dieser Fall ist kein Einzelfall. Wie die Herbstumfrage der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg ergab, ist seit Jahresbeginn in 16,3 Prozent der brandenburgischen Baufirmen der Personalbestand gesunken. Dabei haben nur sieben Prozent der Firmen selbst Mitarbeiter entlassen. »Die Ergebnisse unserer Umfrage belegen deutlich, dass unsere Unternehmen einen wachsenden Fachkräftebedarf haben, den sie teilweise aber schon nicht mehr abdecken können«, sagt Reinhold Dellmann, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau.

Fakten
  • In Brandenburg sind 85 353 Männer und Frauen arbeitslos gemeldet.
  • Die Erwerbslosenquote liegt bei 6,5 Prozent. Das sind 0,8 Prozentpunkte weniger als im November vergangenen Jahres.
  • 846.700 Brandenburger sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
  • 8057 Erwerbslose sind Ausländer. Die Zahl der erwerbslosen Ausländer sank im Vergleich zum Vorjahr  um 367.
  • Der Arbeitsagentur und den Jobcentern sind 22.008 freie Stellen gemeldet. Das sind 2689 freie Stellen mehr als vor einem Jahr.
  • 65 Prozent der brandenburgischen Baufirmen nennen als ihr größtes Problem den Fachkräftemangel.
  • 62 Prozent der Bauunternehmen konnten im laufenden Jahr nicht alle Lehrstellen besetzen. af

Ein Ausweg aus dem Fachkräftemangel könnte noch sein, ausländische Arbeitskräfte anzuwerben. Nicht von ungefähr hat Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) kürzlich ein Einwanderungsgesetz gefordert. In der Bundesrepublik gebe es trotz leicht steigender Geburtenrate immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter, begründete Gerber seinen Vorstoß in einem Interview, das er den »Potsdamer Neuesten Nachrichten« gegeben hat. Er halte es deshalb für unerlässlich, dass die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz zustande bringe, das sich an den Anforderungen des Arbeitsmarktes orientiert, sagte Gerber. »Deutscher Pass gegen Qualifikation, das ist der Weg.«

Das Ressort von Arbeitsministerin Golze brachte gerade die achte überarbeitete Neuauflage eines praktischen Ratgebers heraus, in dem Unternehmer und Personalchefs auf 49 Seiten informiert werden, unter welchen Bedingungen sie Ausländer beschäftigen dürfen. Die erste Auflage kam 2014 heraus. Der Ratgeber erfreut sich auch in anderen Bundesländern reger Nachfrage. »Die Wirtschaft ist auf Zuwanderung angewiesen«, sagt Ministerin Golze. Ihr zufolge erkennen immer mehr brandenburgische Arbeitgeber »in ausländischen Fachkräften ein Potenzial für den eigenen Betrieb«. Diese Arbeitgeber möchten Flüchtlinge oder andere Ausländer »so schnell und unbürokratisch wie möglich einstellen«.

Schnell und unbürokratisch geht dies jedoch nur bei EU-Bürgern oder auch deren Ehepartnern und Kindern, die ebenfalls die Vorzüge der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union genießen so wie außerdem Isländer, Norweger und Schweizer. Ein Beispiel aus dem Ratgeber: »A aus Kroatien hat die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes. Sie können A ohne Weiteres sofort beschäftigen.« Komplizierter wird es etwa bei Russen oder Serben. Die müssen über einen Hochschulabschluss verfügen und in Deutschland ein Mindestgehalt beziehen, das zwei Drittel der Beitragsbemessungsgrenze entspricht. 2016 war dies ein Jahresgehalt von 49 600 Euro brutto, erfolgsabhängige Zulagen nicht mitgerechnet. Bei Ärzten und Ingenieuren, die in der Bundesrepublik dringend benötigt werden, reichten 38 688 Euro aus. Chancen auf eine Arbeitserlaubnis haben auch russische Klempner, weil ihr Handwerk auf der Liste der Mangelberufe steht und die russische Ausbildung als gleichwertig anerkannt ist.

Doch es gibt für verschiedene Herkunftsstaaten einiges zu beachten. Teilweise muss die freie Stelle einige Zeit bei der Arbeitsagentur gemeldet sein, um zu belegen, dass sich niemand anders für den Job findet. Für das Bewerbungsgespräch muss oft extra ein Touristenvisum beantragt werden. Überzeugt der Bewerber, so muss er erst wieder heimreisen und dort ein Arbeitsvisum beantragen. Es gibt aber auch Fälle, wo alles noch Erforderliche in Deutschland erledigt werden kann.

Ganz kompliziert wird es bei Flüchtlingen. Bei ihnen hängen die Bedingungen für eine Beschäftigung auch davon ab, ob die Menschen Asyl genießen oder nur geduldet sind. Wichtig ist, die notwendigen Genehmigungen einzuholen und die Belege aufzuheben. Denn wer Ausländer unerlaubt beschäftigt, haftet unter bestimmten Voraussetzungen für die Kosten der Abschiebung.

Ein gewohntes Bild sind in Brandenburg in der Saison die Erntehelfer. Es gab Zeiten, in denen die Spargelstecher fast ausschließlich aus Polen stammten, bevor die Polen als Handwerker besser bezahlte Jobs in den Niederlanden und in Großbritannien fanden. Viele Landwirte probierten es dann mit Rumänen, die beispielsweise häufig bei der Gurkenernte im Spreewald anzutreffen sind. Doch Rumänien erlebte zuletzt ein Wirtschaftswachstum. Es herrscht nun auch dort ein Arbeitskräftemangel und die Löhne steigen, wenn auch nur bescheiden. So könnte es in Zukunft weniger Rumänen als Erntehelfer ins Ausland ziehen.

Im krisengeschüttelten Bulgarien wird unterdessen mit Bedauern berichtet, wer sein Handwerk verstehe, sei dort schon längst weg. Vor dem Problem, dass die Jugend der Heimat den Rücken kehrt, steht aktuell insbesondere Griechenland.

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