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Polnisch für Polizisten

Seit zehn Jahren gibt es das Zentrum der Zusammenarbeit an der Grenze in Swiecko

  • Henry-Martin Klemt
  • Lesedauer: 5 Min.

Artur Gorecki und Marcel Jedlitzke kennen sich schon lange. Länger als die Republik Polen zum Schengen-Raum gehört, in dem die Grenzkontrollen abgeschafft sind. Länger als es das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit an der ehemaligen Grenzübergangsstelle im polnischen Swiecko gibt. »Schon auf der Straße waren wir zusammen«, erzählt der Bundespolizist Jedlitzke und meint die gemeinsamen Streifengänge im Grenzgebiet an der Oder. Seit neun Jahren arbeitet er nun hier, sein polnischer Kollege kam ein Jahr später. »Es ist eine super Zusammenarbeit, und auch persönlich kommt man sich natürlich mit der Zeit näher. Die Lieblingsgerichte des anderen kennt man schon«, sagt Jedlitzke - und Artur Gorecki streicht sich lachend über den Bauch.

Eine Sprachbarriere, oft das größte Hindernis der grenzüberschreitenden Kooperation von Behörden, gibt es im Gemeinsamen Zentrum nicht. Jeder der 40 deutschen und 21 polnischen Mitarbeiter kann sich in der Sprache des Nachbarlandes gut verständigen. »Ich habe mich schon früh dafür interessiert und 1995 begonnen, Polnisch zu lernen«, erzählt Jedlitzke. Beim Bundessprachenamt Hürth hat er seine Kenntnisse ein Jahr lang verbessert - doppelt so lange, wie viele seiner Kollegen.

Im Gemeinsamen Zentrum beantworten die Entsandten von acht deutschen und polnischen Behörden Anfragen aus allen Teilen der beiden Länder. 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. 21 707-mal allein im vergangenen Jahr reagierten sie auf Ersuchen der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, recherchierten und übermittelten ihre Informationen. Rund 200 000-mal geschah das seit 2007. Sie überprüfen die Identität von Personen, helfen in Ermittlungsverfahren, manchmal retten sie Menschenleben.

Da gab es den Jungen, der in Warschau die Polizei anrief und von den Suizidabsichten seiner Freundin in Berlin berichtete. Die deutschen Kollegen suchten das Mädchen auf und beruhigten es. Gefährlicher war das Verschwinden einer jungen Frau im November 2017, deren Entführung in Slubice durch Zeugen beobachtet wurde. Die Zeugen notierten das Kennzeichen des nach Deutschland davonfahrenden Wagens. In Kassel wurde die Frau befreit und der Täter ergriffen. Durch die enge Zusammenarbeit konnte die Polizei in Poznan eine Diebesbande ausheben und im Oktober 2017 in einer Werkstatt 170 in Deutschland und Polen gestohlene Landmaschinen und Traktoren sicherstellen. Vier davon, im Wert einer knappen halben Million Euro, stammten aus Brandenburg.

In diesen Tagen wurde das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit zehn Jahre alt. Vor Ort trafen sich Vertreter aller beteiligten Polizei- und Zollstellen, um die Erfolgsgeschichte zu feiern.

Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke meint rückschauend: »Die Arbeit ist wesentlich konkreter geworden. Es gibt sofort eine Reaktion auf Straftaten auf beiden Seiten der Oder. Man kennt sich. Das Vertrauen ist da. Das Gemeinsame Zentrum ist überhaupt nicht mehr wegzudenken.«

Günter Krings, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, nennt die Einrichtung deshalb einen »Katalysator der Polizeizusammenarbeit«. Denn das Zentrum hilft auch bei Übersetzungsproblemen und vermittelt Ansprechpartner. »Symbolhaft sitzen die deutschen und polnischen Kollegen fast auf dem Grenzstrich gemeinsam an einem Tisch - und haben es sogar schon bis in den Sonntagabend-Krimi geschafft.«

Die Innenministerien in Deutschland und Polen evaluieren derzeit die künftigen Herausforderungen und Möglichkeiten, ihnen gerecht zu werden, informiert Krings. Mit dem Freiheitsgewinn durch das Schengen-Abkommen dürfe keine Beeinträchtigung der Sicherheit einhergehen. Deshalb müsse die bereits selbstverständlich gewordene polizeiliche Zusammenarbeit weiter entwickelt und der Schutz der Außengrenzen des Schengen-Raums gewährleistet werden. Das Zentrum sei auch ein Beitrag für die Akzeptanz des Schengener Vertrages.

Waldemar Gretka, Direktor der Wojewodschaft Lebuser Land, sieht das ähnlich. Hinter den Mitarbeitern liegen zehn Jahre harter Arbeit, resümiert er. In dieser Zeit sei die Bedeutung des Zentrums gewachsen und der Bedarf gestiegen. Die Menschen auf beiden Seiten der Oder können sich sicherer fühlen.

Im Lob der Festredner klingt an, dass sie sich eine Erweiterung des Zentrums wünschen, gegebenenfalls auch an einem neuen Standort. So symbolträchtig der frühere Kontrollposten mitten auf der Europastraße 30 ist, so begrenzt ist er in seinen räumlichen Möglichkeiten. »Wir streben eine Weiterentwicklung des Zentrums an und wollen eine Anhebung der Zahl der Bediensteten ermöglichen«, erklärt Paulina Filipowiak von der polnischen Polizei. Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) kennt das Gemeinsame Zentrum von Anbeginn und nennt es das Herzstück der deutsch-polnischen Polizeizusammenarbeit. »Ich könnte Erfolge dieser Zusammenarbeit aufzählen, bis uns allen die Luft ausgeht«, meint er und fügt hinzu, die Kriminalität in der Region sei in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gesunken.

Für Andrzej Fijalkowski vom polnischen Grenzschutz ist die Einrichtung ein Teil des europäischen Integrationsprozesses an den Binnengrenzen. Sein Kollege Piotr Dziezic vom polnischen Zoll sieht im Gemeinsamen Zentrum auch ein Beispiel für ähnliche Zentren, die an der polnisch-tschechischen, polnisch-slowakischen und polnisch-litauischen Grenze errichtet wurden. Petric Kleine, Präsident des sächsischen Landeskriminalamtes kennt das Gemeinsame Zentrum aus eigener Erfahrung. »Der Erfolg macht sich fest an der Akzeptanz durch die Nutzer der Dienstleistungen, die hier erbracht werden«, sagt er. Daran, dass der gemeinsame Dienst auch Ehen von Deutschen und Polen gestiftet hat, erinnert Andreas Schneider vom deutschen Zoll.

Anlässlich des Jubiläums wurden Mitarbeiter aller acht Behörden mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet. Innenminister Schröter überreichte dem Koordinator der deutschen Seite, Ulf Buschmann, die Urkunde zur Verlängerung seiner Tätigkeit um weitere drei Jahre.

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