Wir kommen, um zu bleiben

Diana Golze und Anja Mayer bewerben sich als Doppelspitze der LINKEN in Brandenburg

In den 28 Jahren seit 1990 hatte die LINKE in Brandenburg mit Anita Tack nur zwei Jahre lang eine Frau als Vorsitzende. Zählen die kommenden zwei Jahre in der Statistik doppelt, wenn es mit Diana Golze und Anja Mayer eine weibliche Doppelspitze gibt?

Golze: Die Statistik zeigt uns jedenfalls, dass nun endlich auch wieder einmal Frauen an die Spitze gehören. Schließlich wollen wir als LINKE Vorbild bei der Gleichstellung der Frauen sein. Mit der weiblichen Doppelspitze wollen wir auch ein Zeichen setzen. Um in der Statistik etwas aufzuholen, müssen wir es zu zweit machen.

Wie hat die Parteibasis auf den etwas überraschenden Plan einer weiblichen Doppelspitze reagiert?

Mayer: Nach meinem Gefühl durchweg positiv. Die Partei ist so cool. Die Landesarbeitsgemeinschaft Frauen hat sich besonders gefreut. Da hieß es bei einem Treffen begeistert: »Wir haben so lange für eine Doppelspitze gekämpft und jetzt bekommen wir gleich zwei Frauen als Vorsitzende.« Aber auch die Männer finden das richtig.

Golze: Wir haben uns am Freitag bei einem Empfang in Luckenwalde vorgestellt. Dort war die Stimmung beinahe euphorisch. Ich wollte gar nicht mehr weg, so schön war es da. Obwohl wir gesagt haben, dass wir auch für Kritik offen sind, habe ich nur in strahlende Gesichter geschaut. Natürlich gibt es die eine oder andere Nachfrage, ob es bei mir nicht dasselbe Problem wie bei Christian Görke geben wird, der im Moment noch zugleich Finanzminister, stellvertretender Ministerpräsident und Landesvorsitzender ist. Aber meine Gesprächspartner geben dann zu, dass es doch etwas anderes sei, weil ich nicht stellvertretende Ministerpräsidentin bin, und weil Anja Mayer als Landesvorsitzende an meiner Seite sein wird.

Ich will unterdessen nicht verhehlen, dass es besorgte Nachfragen gibt, ob ich nach meinem Unfall im Sommerurlaub 2017 gesundheitlich in der Lage bin, die neue Aufgabe zu übernehmen. Ja, ich habe noch ein paar Schwierigkeiten. Das »Altmetall«, das meine Wirbelsäule vorübergehend stabilisiert, muss noch operativ entfernt werden. Wenn ich gegenwärtig lange stehen muss, bekomme ich Rückenschmerzen. Ich darf auch nicht schwer heben, darf maximal fünf Kilogramm tragen. Mein Arzt sagt mir aber, dass mit mir zu 95 bis 98 Prozent alles wieder so werden wird wie früher. Ich finde, das ist eine gute Prognose. Ich will das schaffen. Es ist mein Wunsch, irgendwann meine Enkelkinder auf den Arm nehmen zu können. Zu den besorgten Nachfragen kann ich sagen: Ja, ich bin gesundheitlich in der Lage dazu.

Frau Golze, Sie sind in der Vergangenheit gefragt worden, ob das denn gehe, zwei kleine Kinder zu haben und Politikerin zu sein. Einem Mann würde man diese Frage nicht stellen. Hat Sie das geärgert?

Golze: Ja, das bin ich sehr oft gefragt worden und es hat mich geärgert. Ich wollte dann immer wissen, ob diese Frage meinen männlichen Mitbewerbern ebenfalls gestellt wird. Zum Glück gibt es in der LINKEN inzwischen viele moderne junge Väter, die sich um ihre Kinder kümmern und gleichzeitig Politik machen.

Was gibt Ihnen die Hoffnung, dass es mit Ihnen als Doppelspitze für die LINKE besser läuft als mit Ihren beiden Amtsvorgängern, den glücklosen Landesvorsitzenden Stefan Ludwig und Christian Görke?

Golze: Das kann ich nicht so stehen lassen, dass unsere Vorgänger glücklos gewesen wären. Sie haben es immerhin geschafft, den Landesverband zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor zu machen. Die Verhältnisse sind auch insgesamt nicht leicht und günstig für die LINKE gewesen. Und denken wir doch einmal auch daran, was wir mit Christian Görke erreicht haben. Wie lange haben wir für ein elternbeitragsfreies Kitajahr gekämpft? Christian Görke hat es schließlich geschafft, die politischen Mehrheiten dafür zu organisieren.

Mayer: Es war ein Kraftakt, den Landesverband nach den schweren Verlusten bei der Landtagswahl 2014 wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen, die LINKE zu stabilisieren. Es gab großen Unmut wegen der umstrittenen Kreisgebietsreform. Christian Görke hat diese Herausforderung gemeistert, indem er sehr besonnen und verantwortungsbewusst gehandelt hat.

Es ist in Parteikreisen die Klage zu hören, dass die 2009 mit Beginn der rot-roten Koalition eingeführten Regionalkonferenzen abgeschafft worden sind, die ein wichtiges Bindeglied zwischen Basis und Parteispitze waren und auch eine Möglichkeit, mal Dampf abzulassen. Im Zusammenhang mit der abgesagten Kreisgebietsreform ist bemerkt worden: Hätte die Landesparteispitze auf die Basis gehört, wäre ihr früher klar gewesen, dass dieses Projekt scheitern muss. Ist es nicht fatal, dies zu erkennen und gleichzeitig mit den Regionalkonferenzen eine Kommunikationsvariante wegfallen zu lassen?

Mayer: Nun gibt es ja den Zukunftsdialog, bei dem wir in einem breit angelegten Prozess in mehreren Regionalkonferenzen unser Landtagswahlprogramm von unten entwickeln werden. Aber der Zukunftsdialog wird nicht das einzige Format der Begegnung sein. Wir werden als Landesgeschäftsstelle weiterhin Kreisbereisungen durchführen, dabei nach und nach alle Gebietsgeschäftsstellen aufsuchen und mit den Genossen reden. Im Rahmen von parteioffenen Treffen sollen dort auch alle Themen angesprochen werden können, die die Genossen vor Ort interessieren. Da das Netz der Gebietsgeschäftsstellen relativ dicht ist, pro Landkreis gibt es mehrere Büros, werden die Wege für die Genossen, uns zu treffen, kürzer sein als bei den Regionalkonferenzen. Sie müssen quasi nicht mehr zu uns kommen. Wir kommen zu ihnen.

Wie darf man sich die künftige Arbeitsteilung zwischen Ihnen beiden vorstellen? Wird Frau Golze sich um die Landespolitik kümmern und Frau Mayer in die Parteiorganisation hineinwirken?

Golze: Ich finde nicht, dass wir so eine klassische Arbeitsteilung machen sollten. Anja Mayer sollte sich als Landesvorsitzende auch unbefangen mit ihren Kommentaren in die Landespolitik einmischen, und ich will genauso wie sie Kontakt zur Basis halten. Wir werden uns bei den Terminen abwechseln, denke ich.

Wie hoch ist der Frauenanteil im Landesverband?

Mayer: Der liegt bei 43 Prozent. Bei den älteren Genossen ist das Verhältnis ausgeglichen, doch bei den Neueintritten erlebt die LINKE bundesweit das Phänomen, dass darunter nur ein Drittel Frauen sind. Da müssen wir etwas tun und ein Frauen-Mentoringprogramm auflegen, das steht sowieso noch aus. Die Bundespartei hat ein solches Programm mit Schulungen und Ansprechpartnern bereits. Das brauchen wir auch extra für Brandenburg.

Golze: Es geht darum, Frauen, aber auch generell die Neumitglieder, die wegen eines konkreten Projekts wie Ökologie oder Gleichstellung bei uns mitmachen wollen, langfristig in der Partei zu halten und ihnen zu zeigen, was es noch gibt. In der Kommunalpolitik beispielsweise interessiert es junge Leute herzlich wenig, wenn es um die Straßenausbaubeitragssatzungen geht. Wir müssen der Jugend dann bewusst machen, dass es auch mal eine für sie langweilige Sitzung der Stadtverordnetenversammlung geben wird, dass es sich aber dennoch lohnt, am Ball zu bleiben.

Frau Golze: Werden Sie bei der Landtagswahl 2019 als Spitzenkandidatin ihrer Partei antreten?

Golze: Das entscheidet zu gegebener Zeit die Landesvertreterversammlung.

Stünden Sie denn als Spitzenkandidatin zur Verfügung?

Golze: Jetzt, wo wir gerade dabei sind, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen, möchte ich mich nicht hinstellen und sagen: Neben meinem Amt als Sozialministerin und meiner angestrebten Funktion als Landesvorsitzende will ich dann auch noch Spitzenkandidatin werden.

Aber wenn eine Partei eine Ministerin hat, dann stellt sie die doch bei der nächsten Wahl nicht auf Platz zehn der Landesliste, sondern auf der quotierten Liste auf Platz eins oder zwei. So ist das üblich. Das ist vernünftig. Warum sollte es im vorliegenden Fall anders sein?

Golze: Klar, mit einer Frau als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf zu ziehen, das wäre richtig. Ich will auch gar nicht von der Hand weisen, dass es Argumente gibt, die für mich sprechen als diejenige, die als Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Herz- und Nierenthemen der LINKEN vertritt. Aber ich möchte betonen: Wer am 17. März beim Landesparteitag dafür stimmt, dass ich eine der beiden Vorsitzenden in der neuen Doppelspitze werde, der trifft damit keine Vorentscheidung über meine etwaige Spitzenkandidatur. Das ist dann damit keineswegs entschieden oder auch nur vorgeprägt.

Frau Mayer, werden Sie 2019 für den Landtag kandidieren?

Mayer: Nein, das werde ich nicht tun, weil ich mich als Landesvorsitzende in erster Linie auf den Landesverband konzentrieren möchte.

Sind Sie die Frauen, die die LINKE zurück in die Opposition führen?

Golze: Das ist nicht unser Ziel. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Wenn der CDU-Landesvorsitzende Ingo Senftleben die LINKE nach der Landtagswahl 2019 wirklich zu Sondierungen einladen sollte, würden Sie hingehen?

Golze: Die Gespräche stelle ich mir sehr interessant vor. Es bestehen doch so deutliche Unterschiede zwischen beiden Parteien, da wären die inhaltlichen Schnittmengen sehr überschaubar. Als Demokrat sollte man zwar mit anderen Demokraten durchaus reden. Ich finde es auch anerkennenswert, wenn Herr Senftleben nicht an der Ausschließeritis leidet, die bei der CDU auf Bundesebene immer noch üblich ist. Aber eine Koalition mit der CDU in Brandenburg streben wir nicht an.

Mayer: In der LINKEN sollten wir uns darauf konzentrieren, über unsere Projekte zu reden. Wir sollten nicht so viele Gedanken an irgendwelche Koalitionsmöglichkeiten verschwenden. Das ist nicht produktiv. Wir müssen im Wahlkampf zeigen, wofür wir stehen. Das ist unsere Aufgabe. Ingo Senftleben müsste auch erst einmal in die komfortable Lage geraten, zu Sondierungsgesprächen einladen zu können. Dazu müsste die CDU die Landtagswahl gewinnen. Das ist ihr bisher noch nie gelungen.

Unter einem starken Mann in der Politik stelle ich mir einen Diktator vor. Was ist Ihre Definition einer starken Frau?

Mayer: Eine starke Frau geht auf Menschen ein und schafft es, diese Menschen für gemeinsame Ziele zu begeistern. Eine starke Frau steht jeden Tag trotz der doppelten Belastung von Beruf und Familie ihre Frau. Eine starke Frau ist unabhängig, und eine starke Frau versucht nicht, wie ein starker Mann zu sein.

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