Mit harten Bandagen gekämpft

Ein Saatgutunternehmen in Großbeeren behauptet sich am Markt - den Familienbetrieb gibt es seit 150 Jahren

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es kann so einfach sein« - so lautet der Slogan, mit dem das Land Brandenburg aktuell für sich wirbt. »Nein, es ist keineswegs einfach«, sagt Thomas Träger, Geschäftsführer der Carl Pabst Samen & Saaten GmbH in Großbeeren (Teltow-Fläming). Sozialministerin Diana Golze (LINKE) machte jetzt auf ihrer arbeitsmarktpolitischen Tour Halt bei seinem Unternehmen.

80 Millionen Samentütchen werden in seinem Betrieb abgefüllt, der sich südlich von Berlin niedergelassen hat. Seit über 150 Jahren gibt es das Familienunternehmen, und es zahlt seinen Beschäftigten im Schnitt mit neun Euro pro Stunde wenig mehr als den Mindestlohn, gibt Träger zu. Nach dessen Einführung in Deutschland seien viele seiner Konkurrenten nach Polen gegangen, wo sie Beschäftigte für Stundenlöhne von 3,50 Euro für sich arbeiten lassen. Das bringe die Anbieter in Deutschland gewaltig unter Duck.

Auch was den Nachwuchs betreffe, gehe es »unglaublich aggressiv zu«, sagte Träger und schilderte, wie er einen Azubi verlor, weil der Konkurrent die Ausbildungsvergütung nahezu verdoppelt habe. In den vergangenen Jahren hätten vier Auszubildende den Betrieb verlassen. Vor allem, weil sie als ausgebildete Kaufleute für Einzel- und Großhandel woanders mehr Geld verdienen.

Was den Nachwuchs in der Führungsetage betrifft, teilt Träger die Erfahrung vieler Kleinunternehmer: »Meine Kinder haben kein Interesse an Saatgut und Sämereien.« Arbeitsministerin Golze muss es zugeben: »Bei den Themen Azubi und Fachkräfte wird heute mit harten Bandagen gekämpft.«

Auch unter Geflüchteten mit Bleiberecht hat sich das Unternehmen schon umgesehen. Die Sprachbarriere sei aber hoch und auch nicht immer zu überwinden. Doch sie stoßen bei ihren deutschen Kollegen auf viel Verständnis.

Zu ihnen zählt Gesine Jamlitz. Die Babelsbergerin fährt jeden Tag von ihrem Wohnort nach Großbeeren, ist im Unternehmen seit vielen Jahren eine verlässliche Stütze. »Es gab mal das Buch ›Das Mädchen hieß Gesine‹«, erzählt sie. Sie sei nach der Hauptfigur in diesem antifaschistischen DDR-Kinderbuch so genannt worden.

Wenn die Geflüchteten einen ganzen Tag im Unternehmen gearbeitet haben, dann seien sie abends »knülle« und für den Sprachkurs in der Volkshochschule nicht mehr besonders aufnahmebereit, schildert Jamlitz deren Schwierigkeiten aus ihrer Sicht. In Großbeeren sei ein Hotel als Flüchtlingsunterkunft angemietet worden. »Dort müssen sich drei Mann ein kleines Zimmer teilen. Das ist ganz schön grenzwertig.« Es falle den ausländischen Mitarbeitern auch nicht leicht, die Vielzahl der geforderten Formulare auszufüllen; oft wüssten sie gar nicht, was man von ihnen wolle.

Saatgut wird in Kommission verkauft, das heißt, auf jeder Tüte, die der Handel nicht an den Käufer bringt, bleibt das Unternehmen sitzen. Der Geschäftsführer dankte der Ministerin für die Unterstützung durch das Land beim Errichten des Standortes in Großbeeren. Mehr als eine Million Euro seien geflossen, um Bau und Ausbau zu gewährleisten. Verbunden mit der Überweisung waren Anforderungen an die Beschäftigtenzahl. Er habe sie nicht unter allen Umständen erfüllen können, gab der Unternehmer zu. Das habe die Investitionsbank des Landes kritisch gesehen, doch »schließlich haben wir uns friedlich geeinigt«.

Noch rentiert sich das Unternehmen nach Aussage des Geschäftsführers. Mit seinen knapp 50 Mitarbeiter macht es neun Millionen Euro Umsatz im Jahr. Unter Druck gerät es auch, weil sich durch die Zunahme der Anbauflächen für nachwachsende Energiepflanzen wir Raps und Mais die Flächen verringern, auf denen traditionelles Gemüse und Blumen angebaut werden. Sicher sei es wünschenswert, einheimisches Saatgut wieder auf die Felder zu bringen, sagt Thomas Träger. Aber es gebe nicht genügend Produzenten eines solchen Saatguts, erklärt er. Deshalb müsse er aus dem Ausland zukaufen, auch aus dem asiatischen Raum. »Ich habe Ärger mit dem NABU, dem Naturschutzbund Deutschland«, gibt er zu. Eine Alternative habe er aber nicht.

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