Von Asbach bleibt wenig mehr als die Fassade

115 Jahre nach der Firmengründung wird die Weinbrandherstellung in Rüdesheim eingestellt

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Im Sommer werden wieder Scharen von Touristen aus aller Welt in das romantische Mittelrheintal strömen und in Rüdesheim das »Asbach Besucher Center« aufsuchen. Dieses Museum trägt den Namen der Traditionsmarke Asbach Uralt, die in dem von Weinbergen und Hügeln umgebenen 10 000-Einwohner-Städtchen auf eine 115-jährige Geschichte zurückblickt. Diese findet in den nächsten Tagen ihr Ende - dann soll die letzte Flasche in Rüdesheim abgefüllt werden.

Am 11. Mai 1892 gründete der Kaufmann und Destillateur Hugo Asbach mit zwei Brennblasen einen Familienbetrieb, der im Laufe der Jahrzehnte zu einer Erfolgsgeschichte für Rüdesheim und Umland wurde. In den 1980er Jahren beschäftigte Asbach mit der Produktion von Weinbrand und Pralinen noch über 600 Menschen, war damit der größte Arbeitgeber und wichtigste Gewerbesteuerzahler vor Ort. Anfang der 90er Jahre geriet die Firma in die Hände des britischen Weltkonzerns United Distillers, der die Produktion ganz einstellen und die Marke Asbach liquidieren wollte. Dagegen sträubten sich die Belegschaft und die Gewerkschaft NGG, die 1995 für ihren Widerstand die gesamte Region mobilisierten. Mit starker Unterstützung aus der Politik und nach einer Demonstration vor der Londoner United-Distillers-Zentrale wurde ein Kompromiss vereinbart: Der Konzern verkaufte das historische Fabrikgelände für einen zweistelligen Millionen-DM-Betrag an die öffentliche Hand und zog in das örtliche Industriegebiet um. Trotzdem verschwanden viele der damals geretteten Arbeitsplätze später per Salamitaktik; der Betrieb wurde in die Bereiche Weinbrandabfüllung, Pralinenproduktion und Verwaltung aufgespalten. 2002 übernahm der Underberg-Konzern Asbach vollständig. Anfang dieses Jahres kündigte er die Verlagerung der Weinbrandabfüllung in das ostsächsische Wilthen an. Wieder gingen die - 31 verbliebenen - Arbeiter mit Angehörigen auf die Straße, unterstützt von der Kommunalpolitik. Doch Underberg blieb stur. Letztlich kam es unter massivem Druck zum Abschluss eines Sozialplanes und zur Einrichtung eines Fonds in Höhe von 150 000 Euro, der die sozialen Härten für die Gekündigten abfedern soll. »Wir sind hier an die Grenzen des Kapitalismus gestoßen, in dem nur der Profit zählt«, erklärte NGG-Sekretär Jürgen Hinzer. »Nun werden die Beschäftigten in Wilthen für 9,30 Euro in der Stunde knechten, während in Rüdesheim ohne Zulagen mindestens 12 Euro verdient wurden.« Laut Bürgermeister Udo Grün musste die Stadt »machtlos« mit ansehen, wie Konzerne die Asbach-Arbeitsplätze zerschlugen. Es bleibt der schwache Trost, dass zwei Hand voll Beschäftigte in den Bereichen Weinbrand-Verfeinerung, Verwaltung und Besucherzentrum tätig bleiben und Konzernchef Emil Underberg hierfür eine »Standortgarantie« gegeben habe. Weiterexistiert die von dem bayerischen Unternehmen Reber aufgekaufte Pralinenproduktion. Besucher, die sich in einer Gaststätte um die weltberühmte Drosselgasse die Spezialität »Rüdesheimer Kaffee« aus Kaffee, Asbach Uralt, Sahne, Zucker und Schokolade künftig auftischen lassen, dürften kaum ahnen, welch weiten Weg der Weinbrand (laut Eigenwerbung eine »berühmte deutsche Spezialität aus Rüdesheim am romantischen Rhein«) hinter sich hat. Das Grundprodukt, der französische Branntwein, wird erst im Schwarzwald verschnitten, dann in Rüdesheim verfeinert und gelagert, in Wilthen abgefüllt und abgepackt. Zu guter Letzt wi...

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