Das Nicht und das Nichter der US-Politik

Trumps Probleme mit der doppelten Verneinung und dem Patriotismus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

In Washington werden Chaostage langsam zum Dauerzustand, was die globale Außenpolitik des mächtigsten Staates der Welt immer unberechenbarer werden lässt. Für politische Freunde wie politische Gegner. Die Europareise des US-Präsidenten hat - in der alten wie in der neuen Welt - zahlreiche Beben mit mannigfachen Nachbeben verursacht. Erst versetzte der US-Präsident die NATO in Aufruhr, verlangte mit wechselnden Zieldaten höhere Rüstungsausgaben von den Verbündeten, säte Zweifel am Bündnisversprechen der USA gegenüber den eigenen Alliierten, drohte, sein »eigenes Ding« zu machen, attackierte Angela Merkel, verdammte die von der deutschen Kanzlerin unterstützte deutsche Energiepolitik, belehrte und beleidigte via Boulevardblatt die britische Premierministerin.

Dann ließ »seine Herrlichkeit« auch noch höchst ungezogen die 92-jährige Queen warten. Die hatte am Tag seiner Anreise ins Königreich eine kleine Brosche angesteckt: ein Geschenk der Obamas und somit ein subtiles Zeichen ihres Ekels vor dem großen blonden Amerikaner. Den Widerwillen teilte die Monarchin mit Zehntausenden Briten, die gegen den Trump-Besuch protestierten.

Demonstriert wurde auch in Helsinki, wo sich Trump am Montag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin traf, um Tuchfühlung mit dem Beherrscher der anderen großen Atom- und wieder Großmacht aufzunehmen. So ein Gipfel ist zweifelsohne vernünftig und es war höchste Zeit. Doch die Art, wie Trump Putin feierte, empörte das so überaus patriotische Amerika. Das sei eine »Make Russia great again«-Nummer gewesen, schrieben große Blätter und kaprizierten sich auf einen Satz in Trumps Pressestatement. Der berührte den Verdacht, Russland habe bei den US-Präsidentenwahlen 2016 dem Republikaner Trump geholfen und seiner demokratischen Konkurrentin Hillary Clinton geschadet.

Davon sind die US-Geheimdienste überzeugt, Putins Dementi gegenüber ihm sei jedoch »extrem stark und kraftvoll« gewesen, sagte Trump. Also: »Ich sehe keinen Grund, warum es (Russland) wäre.« Daraus war zu schlussfolgern, Trump misstraut den eigenen Geheimdiensten. Was stimmt, aber so unpatriotisch klingt. Und zudem gefährlich ist. Es hat einen Grund, weshalb das Weiße Haus Geheimdienstchefs wie den einstigen CIA-Boss und jetzigen Außenminister Mike Pompeo, mit Regierungsämtern nahe dem Präsidenten betraut.

Schon am Dienstag stellte Trump alles als großes Missverständnis dar. Bei der Durchsicht seiner Aussagen habe er den Versprecher gemerkt. Der Satz müsse richtig lauten: »Ich sehe keinen Grund, warum es nicht Russland wäre.« Nicht, nichtiger, am peinlichsten? Dass dahinter mehr steckt als nur die Unfähigkeit zur doppelten Verneinung, zeigte sich in Trumps nachgeschobenen Satz: Es könne aber auch »ein Anderer« gewesen sein.

Dieser Trotz brachte neuen Ärger und die Notwendigkeit, sich ganz und gar hinter die US-Geheimdienste zu stellen: »Ich akzeptiere die Schlussfolgerung unserer Geheimdienste, dass eine Einmischung Russlands bei der Wahl 2016 stattgefunden hat.«

Abgesehen davon, dass dies bedeutet, Trumps Wahl ist eigentlich ungültig - der Rückzieher nützt dem Amtsinhaber nichts, denn er kam, wie man sogar bei dessen Lieblings-TV-Sender »Fox« hören konnte, »24 Stunden zu spät«. In einem am Dienstagabend ausgestrahlten Interview mit »Fox News« widersprach Trump dem Vorwurf, er hege zu große Sympathien für Russland: »Ich bin nicht pro-russisch, ich bin für niemanden.« Na ja, für einem schon. Das ist der, den er beim Binden zu langer Krawatten täglich im Spiegel sieht.

Die Masse der US-Massenmedien erkannten bei Trump »Schwäche« und Newt Gingrich, einer der mächtigsten republikanischen Trump-Unterstützer, sprach vom »schwerwiegendsten Fehler seiner Präsidentschaft«. Die »New York Times« berichtete, Berater hätten ihren Boss zum Dementi bekniet. Zu hören war auch, die Demokraten planten, die Dolmetscherin Trumps vor den Kongress zu laden, um so zu erfahren, was er und Putin unter vier (plus vier) Augen tatsächlich beredet haben. Ganz harte Kritiker spürten beim ersten Mann der USA bereits so etwas wie »Verrat«. Dagegen war die Regierungskrise, die Innen- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) jüngst in Berlin angezettelt hatte, ein Spaß auf dem Ponyhof.

Am Mittwochmorgen dann war Trump wieder der andere Trump und twitterte: Viele führende Mitarbeiter in den Geheimdiensten hätten seine Pressekonferenz mit Putin gemocht, was »viele Hasser, die einen Boxkampf sehen wollten« natürlich gestört hätte.

Putin blieb bei all dem tagelang unbeteiligt. Um dann doch ein - wie Trump meinte - »unglaubliches Angebot« zu unterbreiten. Bereits in Helsinki hatte Putin eine engere Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder vorgeschlagen. Nun offerierte Russlands starker Mann, US-Sonderermittler Robert Mueller könne die von ihm der Einmischung in die US-Präsidentenwahlen beschuldigten zwölf russischen Geheimdienstmitarbeiter selbst befragen. Im Gegenzug sollte es russischen Vernehmern nur erlaubt sein, Michael McFaul, einst Obamas Botschafter in Moskau, zu treffen. Während die Sprecherin des Weißen Hauses meinte, ihr Chef überlege sich das, drang aus dem Außenamt von Ex-CIA-Boss Pompeo nur ein »absurd!«

Zum Wochenende zu kam zwischen all den Dementis, Deutungen und dümmlichen Pirouetten heraus, was Trump bereits am Mittwoch gemeint hatte, als er »große Ergebnisse« ankündigte: Er habe seinen Nationalen Sicherheitsberater beauftragt, Putin im Herbst nach Washington einzuladen. Ob dahinter der Wunsch steht, die politische Initiative medial wiederzugewinnen, oder ob man im Weißen Haus tatsächlich strategische Linien in der Außenpolitik gegenüber und gemeinsam mit Russland sucht, wird sich zeigen. Sicher ist, solche Linien lassen sich nicht gegen das State Departement, nicht gegen das Pentagon, nicht gegen die US-Geheimdienste und schon gar nicht gegen den US-Kongress zeichnen. Der übrigens wird im November neu gewählt.

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