Zivilcourage ins Stadion tragen

ND im Club: Lebhafte Diskussion über Rechtsextremismus im Fußballsport

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

»Nazis unterwandern den Fußball. Rechte Gewalt im Stadion - kein neues Phänomen«, lautete am Mittwoch im ND-Gebäude in Berlin der etwas reißerische Titel der Diskussionsrunde zu Ursachen, Verursachern und dem Einfluss rechtsradikaler Organisationen auf die Fanszene. Allheilmittel wurden nicht gefunden, Lösungsansätze allemal.

Die Schlussszene war pikant. Ein Anhänger des 1. FC Union Berlin plauderte nach der von ND organisierten Diskussionsrunde über rechtsextreme Tendenzen im Fußball angeregt mit Mario Weinkauf. Letztgenannter ist Präsident des BFC Dynamo und für einen Union-Fan so etwas wie der »Staatsfeind Nummer eins«. Doch bei der Bekämpfung von Problemen, die den Fußball kaputtmachen, kann es gar nicht genug Annäherungsversuche geben.

Vereine müssen sich positionieren
»Der organisierte Rechtsextremismus im Fußball wird im Moment ein bisschen überbetont«, stellte Michaela Glaser fest. Die wissenschaftliche Referentin im Deutschen Jugendinstitut Halle, die sich mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzt und über Prophylaxe nachdenkt, hält den »permanenten täglichen Rassismus in der Gesellschaft« für das gewichtigere Problem. Glaser forderte eine stärkere Positionierung der Vereine bei rassistischen Vorfällen: »Die Akteure müssen sich bei "Affenlauten" vor ihre ausländischen Kollegen stellen.«
Matthias Gärtner, PDS-Politiker aus Sachsen-Anhalt und Mitglied des Bündnisses Aktiver FußballFans (B.A.F.F.), sieht ebenso die Stadionsprecher in der Pflicht, die bei rassistischen Gesängen reagieren müssten. Der Fan des FC Sachsen Leipzig glaubt, dass rechtsradikale Tendenzen im Fußball im Osten der Bundesrepublik »qualitativ eine größere Rolle spielen«. Auswege seien dennoch vorhanden: »Jeder Zuschauer ist dafür verantwortlich, was für eine Fankultur im Stadion herrscht. Zivilcourage ist gefordert.«
Christoph Ruf, Freiburger Redakteur vom derzeit vom Aus bedrohten Fußball-Magazin Rund, wies darauf hin, dass in der Öffentlichkeit häufig Begriffe wie Hooligans, Nazis und Ultras miteinander vermengt werden. Dabei würden laut einer Studie nur zehn Prozent der registrierten Hooligans auch durch rechte Gewalttaten auffällig. Ruf: »Wer bei Spielen Fans der gegnerischen Mannschaft als "Juden" bezeichnet, ist nicht automatisch ein Rassist. Eine solche Aussage ist aber rassistisch.«
Christian Kabs, seit Oktober 2005 Mitarbeiter beim Fanprojekt von Dynamo Dresden, forderte wie die meisten der auf dem Podium sitzenden Experten die Politik auf, mehr Geld in die Bildung der Jugendlichen zu investieren. Die Soziologin Michaela Glaser zeigte sich diesbezüglich jedoch eher skeptisch: »So lange wir eine Gesellschaft haben, die Migranten ausgrenzt, können wir Jugendlichen nicht erzählen, das wir alle gleich sind.«

BFC Dynamo in der Sponsorenfalle?
Die Anregungen der rund zweistündigen Veranstaltung würde Mario Weinkauf gern in der Praxis umsetzen. »Ich will den Verein gesellschaftsfähig machen. Aber es reicht nicht, Anti-Rassismus-Plakate hochzuhalten«, sagte der im Publikum sitzende BFC-Boss, der sich mehr Engagement von den Verbänden an der Basis wünschte.
Um den Spielbetrieb zu ermöglichen, sei er auch auf Sponsorengelder aus zwielichtigen Kreisen angewiesen. Dafür wurde Weinkauf stark kritisiert. »Diese permanente Opfertheorie geht mir auf die Nerven«, meinte B.A.F.F.-Vertreter Matthias Gärtner zur Problematik des häufig mit Hoo...

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