Ministerin dringend gesucht

Bis zum 19. September will die Linkspartei ihr Personalproblem gelöst haben

Ein noch lange nicht restlos aufgeklärter Pharmaskandal und nur noch ein Jahr bis zur nächsten Landtagswahl. Danach eine ungewisse Zukunft für jeden, der jetzt in Brandenburg das Amt des Ministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie übernimmt. Da stehen die Bewerber nun wirklich nicht Schlange.

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SPD und CDU haben es leichter, wenn irgendwo ein Ministerposten vakant wird. Sie können sich bundesweit umschauen, wer so ein Ressort bereits einmal geleitet hat und zur Verfügung steht, weil seine Partei nach einer Landtagswahl aus der Regierung geflogen ist. Für die LINKE, die bislang nur in Kabinetten in Berlin, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern vertreten war und bis auf Mecklenburg-Vorpommern auch noch vertreten ist, eröffnet eine solche Rundumschau erheblich weniger Möglichkeiten.

Das allein zeigt, wie schwierig es sein dürfte, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die am Dienstag zurückgetretene Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE) zu finden. Am Freitagabend sollte der Landesvorstand die Personalie behandeln, wobei vorher völlig offen war, ob die Landesvorsitzende Anja Mayer, die sich einen Kopf machen sollte, zu diesem Termin schon Namen parat und mit den Betroffenen gesprochen hat. Die Sitzung begann nach Redaktionsschluss.

Nüchtern betrachtet lässt sich allerdings sagen: So ausweglos, wie die Situation auf den ersten Blick scheinen mag, ist sie nicht. Die LINKE, für die Sozialpolitik das Kernthema schlechthin ist, müsste in der Lage sein, diese Personalfrage zu klären.

Die naheliegendste Lösung wäre vielleicht, wenn Finanzminister Christian Görke das Sozialressort übernimmt. Er ist Lehrer wie der frühere Sozialminister Günter Baaske (SPD), und er kümmerte sich, nachdem er 2003 in den Landtag nachrückte, in der Linksfraktion geraume Zeit um die Arbeitsmarktpolitik, versteht also etwas von diesem Gebiet. Außerdem hat er als Chef im Finanzressort im Umgang mit seinen Untergebenen die richtige Mischung aus Kollegialität und Durchsetzungskraft an den Tag gelegt. Genau diese Fähigkeit wird jetzt im Sozialministerium vonnöten sein. Für Görke könnte seine fähige Staatssekretärin Daniela Trochowski an die Spitze des Finanzministeriums nachrücken.

Daneben gibt es noch eine zweite, verblüffend einfache Lösung: Die Landtagsabgeordnete Anita Tack übernimmt den durch Golzes Rückzug vakanten Posten. Tack war immerhin von 2009 bis 2014 bei einem etwas anderen Ressortzuschnitt Ministerin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Die durch den Pharmaskandal in Verruf geratene Medikamentenaufsicht ist ihr ein Begriff. Zwar könnte die Reaktivierung einer ehemaligen Ministerin von der Opposition belächelt werden. Doch ist auch Kulturministerin Martina Münch (SPD) in dieses Amt wieder zurückgekehrt, nachdem Sabine Kunst (SPD) Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität wurde. Anita Tack zeigt zwar keine Neigung, jetzt das Eisen aus dem Feuer zu holen. Wenn man sie inständig bitten würde, so würde sie sich aber vielleicht dazu überreden lassen.

Quasi in der Reserve hat die LINKE ihre Landrätin Kornelia Wehlan in Teltow-Fläming. Zuletzt hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Jahre 2014 einen Landrat zum Minister ernannt. Das war Oberhavel-Landrat Karl-Heinz Schröter (SPD), der seitdem Innenminister ist.

Es lohnt sich außerdem, einmal in die Runde der hauptamtlichen Bürgermeisterinnen zu schauen, weil da Frauen zu finden sind, die Erfahrung an der Spitze einer Verwaltung haben. Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig war auch mal stellvertretende Landesvorsitzende, allerdings wurde sie gerade erst für acht weitere Jahre in ihrem Amt bestätigt. Es wäre eventuell befremdlich, wenn sie ihre Wähler nun für ein Jahr als Ministerin im Stich lassen würde.

Nicht zu vergessen sind Landtags- abgeordnete wie Kathrin Dannenberg und Bundestagsabgeordnete wie Kirsten Tackmann, genauso zu berücksichtigen sind die Landesgleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe und DGB-Landesbezirksvize Sonja Staack.

Namen über Namen. Der eine oder andere Name wird bei den Überlegungen garantiert eine Rolle spielen - insgesamt sind das aber alles Spekulationen. Zuweilen mangelt es an der einschlägigen Verwaltungserfahrung, in anderen Fällen passen die Fachgebiete nicht zu der schwierigen Aufgabe. Am Ende scheint die Variante mit Görke und Trochowski die überzeugendste zu sein. Aber vielleicht überrascht die LINKE noch mit einer ganz anderen Lösung.

Derweil hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine in seinem rot-roten Kabinett an anderer Stelle entstandene Lücke bereits gestopft. Er präsentierte am Donnerstagabend Jörg Steinbach, den Präsidenten der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, als neuen Wirtschaftsminister. Woidke freute sich, dass er für den Posten eine Persönlichkeit mit hoher Sachkompetenz und internationalem Renommee gefunden habe, die über Landes- und Parteigrenzen hinweg für Zukunftsdenken, Innovation und Pragmatismus stehe. Der bisherige Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) tritt Mitte September aus familiären Grünen zurück.

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