Sozialleistungen: Vom Umgang mit Behörden und Ämtern, Anträgen und Formularen

Die fürs Arbeitslosengeld II (ALG II) zuständigen Stellen, Sozialämter und Wohngeldstellen können richtig harte Gegner sein. Wer einen Antrag stellen will, muss häufig schon einige Hürden überwinden. Und man lässt ihn spüren, dass er nun ziemlich weit unten auf der sozialen Leiter angekommen ist. Es ist zwar leichter gesagt, als getan, aber dennoch: Niemand sollte sich davon beeindrucken lassen. Arbeitslosengeld und andere Sozialleistungen sind gesetzlich vorgeschriebene Leistungen, auf die ein Anspruch besteht - und um die niemand zu betteln braucht. Lassen Sie sich nicht entmutigen und nicht fortschicken, rät die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen und gibt einige Tipps für den Umgang mit Behörden: Häufig verkündet das Amt im Brustton der Überzeugung eine der folgenden (haltlosen) Behauptungen - und wer es nicht besser weiß, der glaubt das und stellt erst gar keinen Antrag. 1. »Wir sind nicht zuständig, da müssen Sie zum ... (jeweils anderen) Amt gehen.« Damit Sie möglichst schnell zu ihrem Recht kommen, ist es natürlich sinnvoll, sich an die richtige, zuständige Behörde zu wenden. Im Zweifel kann ein Anruf bei der Gemeinde oder Stadtverwaltung oder der Arbeitsagentur (also dem früheren Arbeitsamt) hilfreich sein, um sich Laufereien zu ersparen. Aber: Auch ein »falsches Amt«,· das für Ihr Anliegen nicht zuständig ist, darf Sie nicht abwimmeln und muss Ihren Antrag entgegennehmen und an die zuständige Stelle weiterleiten (§ 16 SGB I). Tipp: Wenn man Sie von Pontius zu Pilatus schicken will, dann bestehen Sie darauf, dass Ihr Antrag angenommen wird und an die zuständige Stelle weitergeleitet wird. Verlangen Sie einen Eingangsbeleg (z.B. Eingangsstempel auf der Kopie). Wer glücklich beim zuständigen Amt gelandet ist, bekommt dann vielleicht folgendes zu hören: 2. »Sie sind überhaupt nicht antragsberechtigt.« oder »Wir nehmen Ihren Antrag nicht an.« Das ist schlicht grober Unfug: Ausnahmslos jede und jeder ab 15 Jahren ist antragsberechtigt, hat also das Recht, einen Antrag auf Sozialleistungen zu stellen (§ 36 SGB I). Ob tatsächlich Leistungen zustehen, das steht natürlich auf einem anderen Blatt. Das muss das Amt entscheiden, nachdem es den Antrag angenommen und geprüft hat. Tipp: Anträge formlos stellen (z.B. »Hiermit beantrage ich Arbeitslosengeld II«). Weigert sich Ihr Gegenüber im Amt, den Antrag anzunehmen, verlangen Sie ein Gespräch mit dem Vorgesetzten und versuchen dort, Ihren Antrag zu stellen (auch hier gilt: nie ohne Eingangsbeleg). 3. »Sie brauchen erst gar keinen Antrag zu stellen, weil Sie sowieso keinen Anspruch haben.« Das ist eine weitere Floskel, um die Leute abzuwimmeln. Natürlich ist es sinnvoll, erst mal per Überschlag abzuschätzen - oder von einer Beratungsstelle oder der Gewerkschaft abschätzen zu lassen -, ob ein Antrag Chancen hat oder nicht. Aber niemand kann auf den ersten Blick erkennen, ob ein Anspruch besteht oder nicht - nicht umsonst sind die Formulare so umfangreich. Eine Behörde darf die Annahme von Anträgen »nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.« So steht es ganz eindeutig in § 20 Abs. 3 SGB X. Tipp: Im Zweifelsfall lieber einen Antrag zu viel als zu wenig stellen. Auf jeden Fall auf einem schriftlichen Bescheid bestehen. Das ist Ihr gutes Recht (§ 33 Abs. 2 SGB X) - und vor allem die Voraussetzung, gegebenenfalls eine Entscheidung des Amts vor Gericht überprüfen lassen zu können. 4. »Sie müssen erst noch diese oder jene Unterlagen beibringen.« oder »Sie müssen erst noch dieses Formular ausfüllen.« oder »In drei Wochen kann ich Ihnen einen Termin für die Antragsannahme geben.« Zwar muss man tatsächlich viele Unterlagen einreichen. Aber auch ein unvollständiger Antrag ist ein Antrag. Er gilt ab dem Tag, an dem er gestellt wurde. Unterlagen nachreichen kann man später immer noch. Um einen Antrag zu stellen, genügt im Prinzip ein »Dreizeiler«: z. B. »Hiermit beantrage ich Arbeitslosengeld II.« Mit »Antrag« ist nämlich im juristischen Sinne eine (einseitige) Willenserklärung gemeint, welche nicht mit dem Antragsformular zu verwechseln ist: Das Formular ist lediglich eine Art bürokratischer Krücke, um die Bearbeitung (für das Amt) zu vereinfachen. Nur das Arbeitslosengeld I muss persönlich beantragt werden. Alle anderen Anträge auf Sozialleistungen können ebenso gut auch schriftlich eingereicht werden. Tipp: Wenn absehbar ist, dass noch Unterlagen fehlen, ist es oft ratsam den Antrag schriftlich zu stellen. Denn bei persönlicher Antragsteilung werden manchmal extrem kurze Fristen (schon der nächste Tag) zum Nachreichen gesetzt. Noch ein Tipp zum Schluss: Sie können eine Person Ihres Vertrauens, einen so genannten Beistand, mit aufs Amt nehmen. Nicht alleine aufs Amt zu gehen, kann manchmal schon Wunder bewirken. Was tun, wenn man Ihnen eine Eingangsbestätigung für Ihren Antrag hartnäckig verweigert? Am besten den Antrag mit Zeugen in den Briefkasten des Amts einwerfen. Ein anderer Weg kann sein, den Antrag per Einschreiben zu schicken...

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