Neonazi steht erneut vor Gericht

Zweiter Prozess zum Brandanschlag von Nauen beginnt wieder mit Befangenheitsantrag

Der Angeklagte Maik Schneider wird am Mittwoch in Handschellen in den Saal 8 des Landgerichts Potsdam geführt und erst dort von dieser Fessel befreit. Er legt seine Jacke ab, krempelt die Ärmel seines Hemdes hoch und spricht leise mit seinen Rechtsanwälten. Laut wird er in der Verhandlung an diesem Tag nichts sagen, auch sein Mitangeklagter Dennis W. nicht.

Gegen beide ist hier schon einmal prozessiert worden - wegen des verheerenden Brandanschlags auf die Turnhalle des Oberstufenzentrums in Nauen und wegen anderer Delikte. Der ehemalige NPD-Stadtverordnete Maik Schneider wurde zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, Dennis W. zu sieben Jahren. Doch sie gingen in Berufung und hatten damit Erfolg. Der Prozess gegen Schneider muss nun seit Mittwoch noch einmal aufgerollt werden. Bei Dennis W. geht es nur darum, neu zu bewerten, wie aus den Strafen für seine einzelnen Vergehen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird. Es dreht sich also für ihn darum, ob er diesmal mit weniger als sieben Jahren davonkommt. Das Verfahren gegen ihn soll auch bald von dem Prozess gegen Schneider abgetrennt werden.

»Wir haben beim ersten Prozess einen Angeklagten gesehen, der wenig Einsicht gezeigt und das Gericht teilweise belogen hat«, sagt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) mit Blick auf Schneider. Warum sie gekommen ist, um den Prozessauftakt zu beobachten? »Mich interessiert, ob er nach zweieinhalb Jahren nun doch Einsicht zeigt und vielleicht auch Reue.«

Schneider und mehrere Kumpane hatten in der Nacht zum 25. August 2015 Feuer an der Turnhalle gelegt, weil dort kurze Zeit später übergangsweise Flüchtlinge einquartiert werden sollten. Die Flammen zerstörten das Gebäude, für 3,6 Millionen Euro musste es neu gebaut werden. Die Versicherung hat das bezahlt. Ob Schneider der Versicherung jemals einen Teil der Summe erstatten wird, steht in den Sternen. Ob er wenigstens Reue zeigt, bleibt am Mittwoch ebenfalls offen. Denn anders als geplant wird die Verhandlung nicht bis in den Nachmittag hinein fortgesetzt, sondern bereits um 12.18 Uhr vertagt. Schneider kommt nicht mehr dazu, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern.

Das Spiel aus dem ersten Prozess setzt sich fort. Ende 2016 hatte Schneider den Brandanschlag damit zu rechtfertigen versucht, dass die Unterbringung in einer Turnhalle menschenunwürdig sei. Dabei führte er selbst einen Haufen an, der eine Sitzung des Stadtparlaments sprengte, bei der über den Verkauf eines Grundstücks an den Landkreis Havelland entschieden werden sollte - eines Grundstücks für den Bau eines Asylheims. Bei diesem Aufruhr trug Schneider ein Schild mit der Aufschrift »Asylbetrug ist kein Menschenrecht - Nein zum Heim«, er rief ausländerfeindliche Parolen und animierte Mitläufer, dies ebenfalls zu tun. Dass einer, der so etwas tut und der damals Kommunalpolitiker einer neofaschistischen Partei war, sich wirklich Sorgen wegen der behelfsmäßigen Unterbringung von Flüchtlingen macht, erschien unglaubwürdig.

Einem der Schöffen war das damals zu viel. Er fragte den Angeklagten, ob dieser den »Quatsch« tatsächlich glaube, den er hier erzähle. Das nahm Schneider zum Anlass, die Ablösung dieses Schöffen wegen Befangenheit zu beantragen. Der Schöffe erklärte zwar, das sei ihm nur so »rausgerutscht« und er stehe dem Angeklagten nach wie vor unvoreingenommen gegenüber. Der Befangenheitsantrag wurde zwar zurückgewiesen, der Prozess in der ursprünglichen Besetzung auf der Richterbank zu Ende geführt. Aber der »Quatsch« reichte vor dem Bundesgerichtshof aus, das Urteil gegen Maik Schneider auszuhebeln.

Darum sitzen nun drei andere Richter und zwei andere Schöffen in Saal 8 - und sehen sich gleich zu Beginn einem erneuten Befangenheitsantrag gegenüber. Zwei Richterinnen wird durch die Verteidigung von Schneider vorgehalten, wie sie im Juli 2018 die Beibehaltung der Untersuchungshaft für den Angeklagten begründet haben. Die Staatsanwaltschaft hält nichts von dem Befangenheitsantrag, aber dennoch muss nun erst einmal darüber entschieden werden. Der Vorsitzende Richter Klaus Feldmann erläutert, wer dies tun wird. Natürlich nicht die beiden Richterinnen, gegen die sich der Befangenheitsantrag richtet. Es müssen stattdessen zwei andere Juristen an den Tisch geholt werden. Feldmann verrät, wer das sein könnte. Einer heißt Theodor Horstkötter und war 2017 beim ersten Prozess gegen Schneider Vorsitzender Richter. Die Eingeweihten auf den Zuschauerreihen schmunzeln. Der Prozess soll an diesem Donnerstag fortgesetzt werden.

Angeblich wollte Schneider die Turnhalle nicht zerstören. Er habe sie nur ein wenig einrußen und damit ein Zeichen setzen wollen, behauptete er im ersten Prozess. Die Erklärungen seiner Anwälte deuten nun darauf hin, dass er bei dieser Version bleiben wird. Wenn man ihm Glauben schenkt, hätte er nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig gehandelt. Das würde sich auf das Strafmaß auswirken. Zu klären ist, ob zur Abschreckung ein drastisches Urteil notwendig ist. Die neuneinhalb Jahre zeigten immerhin Wirkung. In Nauen sei es spürbar ruhiger geworden. Die rechte Szene sei verunsichert, berichtet die Landtagsabgeordnete Johlige.

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