»Es ist ein Luxus, so leben zu dürfen«

Zwei Deutsche fanden in der Toscana ihr Glück und teilen es seit 22 Jahren mit ihren Gästen

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Sonne ging bereits unter, als wir bei Claudia und Omero Weber-Saglam ankamen. Wie ein oranger Ball hing sie über dem Arnotal und tauchte Olivenbäume, Weinstöcke und Zypressen in ein ganz besonderes Licht. Eine Anblick, wie ein Werbefoto für die Toscana.
Möglicherweise standen unsere Gastgeber vor 22 Jahren zur gleichen Tageszeit auf der Terrasse des mehr als 300 Jahre alten Weingutes Aglioni und waren genau so fasziniert von dem Anblick wie wir. Der Soziologe und die Romanistin, die sich in Hannover kennengelernt hatten, reisten in Italien ihrem Traum hinterher, den vom Leben im Süden, wo sie biologische Landwirtschaft betreiben und gleichzeitig Gastgeber für naturverbundene Menschen sein können. Als sie auf dieser Terrasse - wenige Kilometer entfernt von der früheren toscanischen Hauptstadt San Miniato - standen, wussten beide, dass hier ihr Traum wahr werden könnte. Das Schicksal meinte es gut mit ihnen: Das insgesamt 30 Hektar große Gut mit sechs Hektar Weinbergen, zwölf Hektar Olivenbäumen, Wäldern und Wiesen stand zum Verkauf.

Köstliche Kultur
»Trotz der harten Arbeit. Es ist ein Luxus, so leben zu dürfen«, sind sich Omero, der in Istanbul aufwuchs und später Deutscher wurde, und Claudia, die ihre Kindheit in Bayern verbrachte, einig. Und von diesem Luxus geben sie gern ab. Während Weinberge und Olivenhaine vor allem Omeros Domäne sind, verwöhnt Claudia die Gäste - überwiegend Deutsche - mit feinster toscanischer Küche. Wer will, kann ihr beim Kochen gern über die Schulter schauen. Nicht nur biologisch produzierte Öle und Weine sind aus eigener Produktion, auch Gemüse und Obst wachsen auf der eigenen »Plantage«.
Abends sitzen die Gastgeber mit ihren Gästen zusammen und reden über Gott und die Welt, genießen die Weine oder lassen sich in die Geheimnisse des Olivenöls einweihen. Bei Claudia sind sie da bestens aufgehoben, denn sie ist auch Olivenöl-Sommeliere. Davon gibt es selbst in Italien nicht sehr viele. Claudia hat sich dafür nicht nur entschieden, weil sie mehr über Olivenöle wissen wollte, sondern auch, weil der Ölbaum ein Stück Kultur dieser Landschaft ist, mit der sie die Urlauber vertraut machen will.
30 Betten in fünf Doppelzimmern und jeweils drei Ferienhäuser und -wohnungen gibt es im Weingut Aglioni, viele Gäste kommen seit Jahren immer wieder. Doch ob man nun »Wiederholungstäter« oder Neuling ist - hier hat jeder sofort das Gefühl, Urlaub bei guten Freunden zu machen.
Wer will, kann auch mal selber mit Hand anlegen. Sogar bei der Olivenernte, die im November beginnt. Dann werden die rund 1200 Bäume überwiegend von Hand gepflückt. »Das hat den Vorteil, dass nur reife und gesunde Früchte geerntet werden«, erklärt Omero. Eine Mühe, die sich lohnt. Kalt gepresst verlässt das extravergine Olivenöl dickflüssig und naturtrüb die Ölmühle, Qualitätsprüfer haben ihm höchstes Lob gezollt.

Auf Trüffel-Tour
Langweilig wird es auf der »Azienda Agrituristica Aglioni« bestimmt nicht, wofür auch die tierischen Mitbewohner sorgen - Pfaue, Hühner, Kaninchen und Katzen. Dafür, dass auch die Samtpfoten absolute Gourmets sind, bekamen wir eine sehr eindrucksvolle Vorführung. Versehentlich hatten wir eine von ihnen im Zimmer eingesperrt, während wir am Abend Claudias kulinarischen Genüssen und Omeros Weinen zusprachen. Die Katze machte sich in der Zeit über eine Tüte feinster italienischer Kekse her. Sie sollten ein Mitbringsel sein. Pech gehabt! Ein anderer Stubentiger schleckte ganz hingebungsvoll ein Schälchen Olivenöl.
Ende Oktober bis Anfang April ist Aglioni, was übrigens Knoblauch heißt, für Gäste geschlossen. Drei Ausnahme-Wochenenden werden allerdings im November gemacht, wenn es die begehrten weißen Trüffel gibt. Dann haben Liebhaber der edlen Erdknolle Gelegenheit, selbst auf Trüffelsuche zu gehen, in San Miniato den traditionellen Trüffelmakt zu besuchen und vor allem Claudias Trüffelkochkünste zu genießen.

Infos: Staatliches Italienisches Fremdenverkehrsamt ENIT, Friedrichstrasse 187, 10117 Berlin, Tel. (030) 247 83-98, Fax: -99, E-Mail: enit-berlin@t-online.de, www.enit.de
Azienda Agrituristica Aglioni, Via Gello 12, 56027 San Miniato (Pi), Tel./Fax: (0039) 0571/40 80 41, E-Mail: info@aglioni.it, www.aglioni.it
Preise: DZ/HP 56 Euro pro Person. Wohnung von 520 Euro/Woche
(2-3 Personen) bis 650 Euro/Woche (5 Personen). Haus von 610 Euro/ Woche (2-3 Personen) bis 840 Euro (7 Personen).

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.