Ein-Prozent-Partei kämpft gegen jede Stimme

Einigkeit: Die interne Schlammschlacht geht weiter

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Partei rumort es. Einem engen Führungskreis werden Intrigen gegen zwei unliebsame Vorstandsmitglieder vorgeworfen. Drei Vorstandsmitglieder hatten aus Protest dagegen das Handtuch geworfen, der vierte tat es in Stadtroda.
Die Thüringer FDP hat am Sonnabend auf einem mit einer Landesdelegiertenkonferenz gekoppelten Landesparteitag ihren bisherigen Bundestagsabgeordneten Karlheiz Guttmacher als Spitzenkanditaten für die bevorstehende Bundestagswahl nominiert. Landeschef Andreas Kniepert, der den 59-Jährigen Guttmacher gedrängt hatte, diesen Platz für ihn frei zu machen, scheiterte in der Stichwahl. Ihm half auch die massive Rückendeckung durch Bundesvize Jürgen Möllemann nicht, der Knieperts Kandidatur als plausibel bezeichnete und die Delegierten beschwor, Einigkeit zu zeigen. Vorausgegangen war dem eine teilweise chaotische Debatte um Intrigen innerhalb des Vorstandes, die im Rücktritt von drei Vorstandsmitgliedern im Vorfeld des Parteitages gipfelte. Den Hintergrund bildeten bisher ungeklärte Vorwürfe, einige Vorstandsmitglieder hätten andere Mitglieder des Gremiums durch das Überspielen pornografischen Materials auf ihre Computerfestplatten diskreditieren wollen. Dass die Betroffenen bisher keine Strafanzeige gestellt haben, fand nicht nur Möllemann merkwürdig. Auf die in den Medien ausgetragene Schlammschlacht innerhalb des Vorstandes hatten 13 Kreisverbände mit der Forderung reagiert, Kniepert solle zurücktreten. Der hatte das auch angekündigt, falls ihm die Spitzenkandidatur verwehrt werde. Nach seinem Scheitern wollte er davon aber nichts mehr wissen und kandidierte erfolgreich für Listenplatz zwei. Die FDP kämpfe wieder einmal erfolgreich gegen sich selbst, hieß es in der Debatte. Vorstandsmitglied Volker Weber monierte, dass seit dem vorigen Parteitag nur über Personalien gestritten worden sei, weil sich zeitweise fünf Vorständler um die Spitzenkandidatur gestritten hatten. Sacharbeit gebe es nicht mehr, klagte er. Das wurde in der Diskussion eindrucksvoll bestätigt. Als ein Delegierter zu Bildungsfragen sprechen wollte, pfiff ihn die Versammlungsleitung zurück. Das Thema passe nicht in die Aussprache, er solle sich bei der Beratung der Anträge wieder melden, hieß es. Die Antragsberatung erledigte der Parteitag dann eher nebenher. Dass sich unter den 17 Anträgen keiner des Vorstandes fand, spricht Bände. Das Hauen und Stechen in der Debatten führte Möllemanns Einschätzung, die Thüringer FDP habe lediglich ein »Formtief« ad absurdum. Sie ist tief gespalten, hieß es in Stadtroda, dabei seien aber noch nicht einmal ein rechter oder linker Flügel auszumachen, sondern nur Gruppen. Angesichts der Selbsteinschätzung, dass der durch die Intrigen angerichtete Schaden nicht mehr reparabel sei, wirkte das Parteitagspostulat, die FDP stehe für einen Politikwechsel in Thüringen, wie ein schlechter Witz. Dass Kniepert die zerstrittene Partei 2004 wieder in den Landtag führen kann, glaubt derzeit niemand. Da hilft auch Möllemanns Botschaft wenig, dass sich Umfragen zufolge bundesweit 20 bis 25 Prozent der Wähler vorstellen könnten, die FDP zu wählen. Die Thüringer FDP arbeitet derzeit verbissen daran, das ihr in Umfragen zugebilligte Wählerpotenzial von neun Prozent in andere Parteien zu treiben. Eine Nachrichtenagentur vermeldete zynisch: Die Ein-Prozent-Partei führe einen Kampf gegen jede Stimme.
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