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»Alles ist Rechnen«

John Brockman fragte renommierte Wissenschaftler nach Erfindungen der Zukunft

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute wissen, was morgen sein wird - ein Traum seit jeher. Das Fenster zur Zukunft ist geöffnet - dank der »Edge«-Frage, die John Brockman, Visionär aus Bosten, alljährlich führenden Wissenschaftlern, vor allem aus den USA, stellt: »Was halten Sie für die interessanteste wissenschaftliche Neuigkeit unserer Zeit?« Knapp 200 Antworten erhielt er im vergangenen Jahr, die nun in einer hervorragenden Übersetzung auch deutschen Lesern vorliegen.

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John Brockman (Hg.): Neuigkeiten von morgen.
A. d. Engl. v. Laura Su Bischoff und Jürgen Schröder. Fischer, 635 S., br., 15 €.

Science Fiction ist langweilig gegenüber dieser Tour d’horizon. Eine aufregende Lektüre, die auch häppchenweise genossen werden kann. Egal welche Seite man aufschlägt, man landet immer einen intellektuellen Volltreffer. An wissenschaftliche Erkenntnisse Interessierte werden reich belohnt. Ein paar Beispiele:

Der theoretische Physiker Sean Carroll vom Caltech, dem California Institute of Technology, schreibt: »Wir kennen alle Teilchen seit der Entdeckung des Higgs-Bosons. Sie ist eine der größten Errungenschaften des menschlichen Geistes. Herauszufinden, wie diese einfachen Bausteine zusammenwirken und unsere komplexe Welt hervorbringen, ist eine Aufgabe, an der noch viele Generationen arbeiten werden.« Der Begründer der evolutionären Psychologie John Tooby aus Santa Barbara berichtet hier über den andauernden »Wettlauf zwischen genetischer Kernschmelze und gentechnischen Eingriffen in die Keimbahn«. Der Kognitionswissenschaftler Joshua Bach vom MIT, dem Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, wiederum lässt wissen: »Alles ist Rechnen. Rechnen ist etwas anderes als Mathematik. Immer mehr Physiker erkennen, dass unser Universum nicht mathematischen, sondern rechnerischen Charakters ist und die Physik die Aufgabe hat, einen Algorithmus zu finden, der unsere Beobachtungen zu reproduzieren vermag.« Ähnlich äußert sich der Physiker Alexander Wissner-Gross, ebenfalls vom MIT, der aber überzeugt ist: »Datensätze sind wichtiger als Algorithmen!« Und die Anthropologin Nina Jablonski von der Pennsylvania State University fasst ihre Forschungen wie folgt zusammen: »Lassen Sie uns unseren Körper nicht länger als Tempel aus Sehnen und einem Gehirn begreifen, sondern als sich weiterentwickelndes Ökosystem voller Bakterien, die unsere Gesundheit auf sehr viel mehr Arten und Weisen steuern, als wir uns je vorstellen können.«

Der Sozialpsychologe Richard Nisbett aus Michigan beschreibt die Desillusionierung und Unzufriedenheit armer weißer US-Amerikaner (eine Ursache des hierzulande noch immer rätselhaft erscheinenden Phänomens Trump). Er meint, »die Wissenschaft muss noch mit überzeugenden Theorien aufwarten, die aufzeigen, wie das Schicksal armer Weißer am unteren Ende der sozialen Leiter verbessert werden kann«. Die Philosophin Rebecca Newberger Goldstein aus New York arbeitet über »Genderisierung der Genialität«. Sie beklagt die Unterschätzung des kreativen Potenzials von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung, ihres weiblichen Teils; die Überwindung der fatalen Vorurteile wäre ein Segen für die Menschheit, diese entscheidend voranbringen. Manche Beiträge desillusionieren auch, dämpfen beispielsweise die Euphorie über die KI, der Künstlichen Intelligenz.

Mathematik und Informatik, Umweltschutz und Wirtschaftswissenschaften, Astronomie und Mikrobiologie - alle Bereiche der Wissenschaft, in denen in absehbarer Zukunft grundlegend Neues zu erwarten oder zu erhoffen ist, sind hier vertreten. Sie geben einen unterhaltsamen Vorgeschmack auf das Morgen.

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