3500 Brandenburger zur Sammlung bewegt

Wie sich Aufstehen in den Kommunal- und Landtagswahlkämpfen des Jahres 2019 verhält, bleibt vorerst offen

Über die mögliche Rolle der Sammlungsbewegung Aufstehen im brandenburgischen Kommunal- und Landtagswahlkampf 2019 zu schreiben, bedeutet gegenwärtig ein Stochern im Nebel. Verlässliche aktuelle Fakten sind genauso wenig zu erlangen wie politische Einschätzungen.

Das fängt bei der Mitgliederzahl an. Immerhin gibt es hier eine grobe Orientierung. Rund 3500 Brandenburger sollen sich bei der Sammlungsbewegung eingetragen haben.

Fakten

Eine erste größere Aktion von Aufstehen in Brandenburg war am 17. November 2018 eine Demonstration in Potsdam vom Brandenburger Tor zum Klinikum »Ernst von Bergmann«. Die rund 150 Teilnehmer forderten, die Sozialausgaben zu erhöhen, anstatt den Rüstungsetat.

Ortsgruppen gibt es beispielsweise in Potsdam, Brandenburg/Havel, Birkenwerder, Gransee und Oranienburg. af

Am 26. Mai 2019 ist in Brandenburg Kommunalwahl, am 1. September Landtagswahl. Ob die Sammlungsbewegung sich in die Wahlkämpfe einmischt - und wenn ja, in welcher Form, darüber kann einstweilen nur gemutmaßt werden. Aus anderen Bundesländern ist zu hören, dass dort bei Aufstehen ernsthaft überlegt werde, bei Wahlen mit eigenen Listen anzutreten.

Für die diesjährigen Kommunal- und Landtagswahlen in Brandenburg wäre dies schon allein aus organisatorischen Gründen kaum noch zu schaffen. Die Fristen für das Einreichen von Dokumenten, das Sammeln der notwendigen Unterstützerunterschriften und die Nominierung von Kandidaten laufen langsam ab.

Aber es hat sich in Brandenburg bislang sowieso niemand gemeldet, der ein solches Manöver 2019 wagen wollte. Es wird eher mal über die Bundestagswahl 2021 gesprochen. Da versichern die einen, Sahra Wagenknecht habe doch eindeutig versprochen, dass sie mit ihrer Sammlungsbewegung keine Konkurrenz zur Linkspartei organisieren wolle. Die anderen drohen höchstens, wenn das »Mobbing unserer Sahra« nicht aufhöre, werde die Partei gespalten und Aufstehen würde das Auffangbecken für Wagenknechts Anhänger sein.

Wie viele Mitglieder die LINKE in Brandenburg hat, lässt sich auch erst in ein paar Tagen exakt sagen, wenn diese Zahl von der Landesgeschäftsstelle erhoben wird. Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg kann einstweilen nur mit einem Näherungswert dienen. »Knapp unter 6000« , sagt er.

Bundesweit sollen sich 11 000 der 65 000 Parteimitglieder bei der Sammlungsbewegung eingetragen haben. Anteilsmäßig müssten es dann in Brandenburg ungefähr 1000 sein.

Kühn ist die Vorgehensweise eines Sympathisanten aus Borkheide (Potsdam-Mittelmark). »Bei uns sind alle für Sahra«, sagt er - und es klingt bei ihm so, als ob sich daraus schließen lasse, dass es in anderen Ortsverbänden ähnlich aussehen müsse. Doch mit übertrieben positiven Einschätzungen über die Stärke der eigenen Seite steht er nicht allein. Bei den Mutmaßungen über die innerparteilichen Kräfteverhältnisse ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass von der einen wie der anderen Seite letztlich unbewiesen behauptet wird, die Mehrheit stehe hinter ihr. Fakt ist nur, dass es eine ganze Reihe mehr oder weniger fanatischer Anhänger und Gegner der Sammlungsbewegung gibt - und daneben eine große Zahl von Genossen, die dem Streit verständnislos zuschauen. Aber in Zahlen und Prozenten lässt sich das zumindest gegenwärtig nicht ausdrücken. Die Gewichte würden sich sicherlich verschieben, wenn Aufstehen bei Wahlen in Konkurrenz zur Linkspartei antreten würde.

Momentan sieht es aber nicht nach einer Spaltung aus. Vor einem Monat konnte ein Positionspapier von Bundesvorstand und Bundestagsfraktion zur Asylpolitik von beiden Seiten unterschrieben werden. »Das war die Eröffnung einer notwendigen Debatte, bei Weitem nicht der Endpunkt«, kommentierte der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord damals. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, aus der Linksfraktion auszutreten, wenn Fraktionschefin Wagenknecht nicht einlenkt. Nun wird er sich Debatten an der Basis in seinem ostbrandenburgischen Wahlkreis stellen. Man möchte dabei gern Mäuschen spielen. Aber die Veranstaltungen sind nicht öffentlich, ergab eine Nachfrage in Nords Wahlkreisbüro in Frankfurt (Oder).

In diese Situation hat die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann (LINKE) Weihnachtskarten mit gewissermaßen frommen Wünschen auch für das neue Jahr verschickt. Eine Karikatur zeigt ein Schlauchboot mit Flüchtlingen und daneben einen Ertrinkenden, der mit dem Arm winkt, um Hilfe fleht. Die mögliche Rettung naht mit einem Schiff mit dem EU-Symbol auf dem Bug. Es beugt sich jemand mit einem Rettungsring über die Reling. Doch bevor er den Ring wirft, ruft er: »Wer hat ein deutsches Abitur?« Dazu steht ein Zitat des Widerstandskämpfers Theodor Bergmann (1916-2017): »Immer wieder gelingt es der herrschenden Klasse, soziale Unzufriedenheit auf ausländische Sündenböcke abzulenken und die Ausgebeuteten in mörderische Kriege zu schicken. Das ist jedoch kein Grund, auf den sozialistischen Internationalismus zu verzichten - im Gegenteil!«

Tackmann schreibt dazu: »Gerade in Zeiten der Verunsicherung sollte Humanismus der Kompass sein, denn wir sind zuallererst Menschen - egal, woher wir kommen, woran wir glauben, wie wir leben und wen wir lieben. Lassen wir uns nicht gegeneinander aufbringen oder ausspielen.«

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