Eine Frage der Glaubwürdigkeit

LINKE ringt um Entschärfung oder Ablehnung der Polizeigesetznovelle

Der Bundesparteitag sollte am Wochenende in Bonn die Linksfraktion im Landtag Brandenburgs per Beschluss auffordern, »kein neues Polizeigesetz mitzutragen, das polizeiliche Befugnisse ausweitet und Grundrechte abbaut«. Doch dazu ist es nicht gekommen. Wegen Zeitmangels wurde über den Antrag nicht abgestimmt. So wurde er in den Bundesausschuss überwiesen, wo er am 10. März behandelt werden soll. Der Wunsch, wegen Dringlichkeit doch gleich in Bonn über den Antrag zu befinden, wurde abgelehnt. Denn die nächste Landtagssitzung findet erst Mitte März statt.

Eventuell einigen sich SPD und LINKE allerdings bereits in der laufenden Woche intern über die letzten Änderungen von Details am Gesetzentwurf von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD).

Ein Signal ist der Antrag trotzdem. Als dringlich eingereicht haben ihn die Linksjugend, der Studierendenverband SDS sowie sechs Kreisverbände aus Süd- und Westdeutschland, dazu eine Reihe von Bundestagsabgeordneten wie Ulla Jelpke, Christine Buchholz und Niema Movassat und mehrere Parteivorständler, darunter der stellvertretende Bundesvorsitzende Tobias Pflüger. Es finden sich auf dem Papier auch Namen von Genossen, die in den Bündnissen gegen neue Polizeigesetze in Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mitwirken. Aus Brandenburg mit dabei sind allerdings nur die Basisorganisation Dallgow-Döberitz und speziell von dort die Delegierte Sara Hintermeier-Algofy.

In der Begründung des Antrags heißt es, der Abbau von Grundrechten in Deutschland sei vom Freistaat Bayern angestoßen worden. Dort sei seit Mai 2018 ein Polizeiaufgabengesetz in Kraft, das die Befugnisse der Beamten erheblich ausgeweitet und die Polizei faktisch zu einem Geheimdienst umgebaut habe. Das Gesetz sei gegen Flüchtlinge und linke Aktivisten angewendet worden, die in Vorbeugehaft kamen oder Aufenthalts- und Kontaktverbote erhielten.

Andere Bundesländer, so heißt es, planen nach dem Vorbild Bayerns verschärfte Polizeigesetze oder setzten sie bereits durch. Lediglich das von Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) regierte Thüringen mache da nicht mit, und der rot-rot-grüne Berliner Senat habe seine Pläne für ein verschärftes Polizeigesetz vorerst auf Eis gelegt. Das allerdings ist nicht hundertprozentig korrekt, da in Berlin durchaus weiter über eine Polizeigesetznovelle gesprochen wird.

Dagegen wolle Rot-Rot in Brandenburg heimliche Überwachungssoftware zum Auslesen von Mobiltelefonen und Computern zulassen, ebenso »polizeiliche Wohnungseinbrüche« und den Einsatz von Handgranaten gegen Personen. Die LINKE sei zwar in das Bündnis gegen das neue brandenburgische Polizeigesetz »involviert, jedoch gespalten« - einzelne Kreisverbände und der Jugendverband wirken im Bündnis mit.

Den Sozialisten sei es gelungen, sich als Verteidiger von Grund- und Freiheitsrechten zu profilieren. »Nicht nur die Glaubwürdigkeit der Brandenburger LINKEN wäre beschädigt, würde der aktuelle Entwurf im Landtag mit ihren Stimmen angenommen werden«, heißt es. Darum sollte der Bundesparteitag »klarstellen, dass sich die LINKE dem autoritären Umbau auf allen Ebenen in den Weg stellt und nicht bereit ist, Kernpositionen linker Politik in Regierungen aufzugeben«.

Verbindlich für die Landtagsabgeordneten wäre ein solcher Beschluss nicht gewesen. Sie können und müssen abstimmen, wie sie es für richtig halten. Auf welcher Basis sie das tun werden, muss sich noch erweisen. Denn die Verhandlungen über die Details laufen ja noch. Erst kürzlich hieß es, die Sozialdemokraten seien den Sozialisten noch ein Stück entgegengekommen, wobei unklar blieb, was genau da verabredet wurde.

Fest steht, dass die LINKE den ersten Entwurf des Innenministers schon deutlich entschärfen konnte. Das betrifft übrigens auch den Einsatz von Sprengstoff. Das theoretisch zugelassene Werfen von Handgranaten gegen Personen ist mit so vielen strengen Bedingungen versehen, dass sogar Gegner der Gesetzesänderung zugeben, dass es damit praktisch ausgeschlossen sei. Auch Grünen-Landeschef Clemens Rostock räumte im November bei einer Demonstration gegen die Polizeigesetzverschärfung in Potsdam ein, die LINKE habe schon viel erreicht. Er protestiere hier nicht gegen die LINKE, versicherte Rostock. Er wolle ihr im Gegenteil den Rücken stärken, damit sie sich gegen die SPD durchsetzt.

Für den 2. März, 15 Uhr, organisiert das brandenburgische Bündnis gegen das neue Polizeigesetz eine außerparlamentarische Anhörung im Potsdam-Museum am Alten Markt 9. Als Referenten angekündigt sind der Protestforscher Peter Ullrich von der Technischen Universität Berlin, Norman Lenz, Vorsitzender der brandenburgischen Strafverteidiger-Vereinigung, Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt und Elisabeth Niekrenz vom Verein Digitale Gesellschaft. Zugesagt hat auch Dirk Burczyk, innenpolitischer Referent der Linksfraktion im Bundestag. Er werde allgemein über Polizeigesetzverschärfungen in der Bundesrepublik sprechen, sagte Burczyk dem »nd«. Eingeladen sind alle Landtagsabgeordneten der demokratischen Parteien. Kommentar Seite 11

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