Den Angstschweiß abwischen

Nach dem 1:1 in Köln glaubt man beim Hamburger SV ein bisschen mehr an den Aufstieg

  • Andreas Morbach, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Viel Zeit für seinen Geburtstag blieb Hannes Wolf am Montag nicht. In Köln stand für seine Mannschaft das Duell mit dem Spitzenreiter der Zweiten Liga an, also wählte Hamburgs Trainer beim Umgang mit dem Wiegenfest die Minimallösung: den Blick in die Gesichter seiner Spieler. Über das Ergebnis der morgendlichen Inspektion berichtete er nach dem 1:1 in der Domstadt. »Es schien, als hätten die Jungs sich gefreut, als sie mir gratulierten. Da hab ich genau hingeschaut«, erzählte Wolf, ehe er, diesmal erkennbar humorvoll, fortfuhr: »Endlich 38 - und weiter geht›s.«

Wie es mit den beiden beteiligten Klubs weitergeht, ist klar: Der FC wird in Kürze seinen sechsten Aufstieg in die Bundesliga feiern. Wegen des späten Ausgleichs der Gäste durch Einwechselkraft Manuel Wintzheimer aber wohl nicht schon am Ostersonntag in Dresden, sondern eher fünf Tage später gegen Darmstadt. Zum Start ins Wochenende bei einem Heimspiel den Kölsch-Hahn aufzudrehen, ist ohnehin die reizvollere Variante. Beim HSV dagegen werden sie sich erst mal den Angstschweiß aus den Trikots wringen, wenn es am Ende tatsächlich zur direkten Rückkehr in die nationale Beletage reicht.

»Es war kein leichter Weg für uns hierher«, erzählte Jubilar Wolf von einer offenkundig zähflüssigen Woche nach dem jüngsten 1:2 gegen die abstiegsbedrohten Magdeburger. Da freute es den Übungsleiter schon, dass sein Team nach einer schwachen ersten Halbzeit mit der verdienten Kölner Führung durch Dominick Drexler nach der Pause Engagement und einige gute spielerische Ansätze zeigte.

Auf die Beine half den Hanseaten auch Referee Robert Hartmann - weil er HSV-Mann Gideon Jung nach einer Stunde nicht mit Gelb-Rot vom Platz schickte. »Das war der Knackpunkt im Spiel«, zürnte FC-Coach Markus Anfang. Dazu spottete Kölns Sportchef Armin Veh über die gnädige Haltung des Schiedsrichters: »In der Schule hieße das: Setzen, sechs!« Während Hannes Wolf die Rückreise in den Norden mit der verräterischen Erkenntnis antrat: »Wir leben noch - und haken das hier ganz schnell ab.«

Der gebürtige Bochumer mit der mageren Rückrundenbilanz mit 15 Punkten aus zwölf Spielen klang nicht wie der Coach eines Tabellenzweiten, der aus eigener Kraft den Aufstieg schaffen kann. Das liegt daran, dass die Fähigkeiten des HSV speziell in der Spieleröffnung und im Angriff sehr beschränkt sind. Anders als bei den torwütigen Geißböcken (75 Treffer), die sich, um in der Bundesliga zu bestehen, vor allem nach schnelleren Defensivspielern umschauen müssen.

Im Fußball-Unterhaus mit den zahlreichen instabilen Aufstiegskandidaten verbreiten die Kölner immerhin als einzige Konstanz, vereinzelte Pfiffe gab es nach dem HSV-Spiel trotzdem. »Wahnsinn«, kommentierte Verteidiger Rafael Czichos. »Als ich das gehört habe, dachte ich, wir wären Fünfter und sieben Punkte hinter dem Dritten.« Auf diesem Relegationsplatz steht aktuell Union Berlin, mit drei Zählern Rückstand auf Hamburg. Am 28. April muss Wolfs Ensemble bei den Eisernen aus der Hauptstadt antreten, zwei Wochen später in Paderborn - derzeit auch nur vier Zähler hinter dem HSV und, wie Union, mit dem deutlich besseren Torverhältnis ausgestattet. Komplettiert wird das komplizierte Restprogramm der gerade vor eigenem Publikum nervenschwachen Hamburger mit Heimpartien gegen die um den Klassenerhalt ringenden Teams aus Aue, Ingolstadt und Duisburg.

Zudem steigt am nächsten Dienstag das Pokalhalbfinale gegen Leipzig. Dem HSV stehen also anstrengende Wochen ins Haus. »Es ist nur ein Punkt, aber der ist gut für die Moral«, munterte Sportvorstand Ralf Becker die Mannschaft nach der Partie in Köln auf. Und auch sich selbst - schließlich weiß der Mann, dass in Hamburg angesichts der fixen oder zu erwartenden Abgänge von Fiete Arp, Douglas Santos, Lewis Holtby und Torjäger Pierre-Michel Lasogga sehr viel Arbeit ansteht. Fast egal, ob in der ersten oder zweiten Liga.

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