Auf dem Tisch ist alles rot

Die Bernauer Linksfraktion serviert fünf Tage vor der Kommunalwahl ein Frühstück

In der Bernauer Bürgermeisterstraße herrscht am Dienstag Markttreiben. Dagmar Enkelmann geht die Stände entlang, bleibt immer wieder stehen, winkt hierhin und dorthin, schüttelt Hände, gibt Küsschen links und rechts. Sie saß als Abgeordnete im Bundestag und im Landtag, jetzt ist sie auch schon sehr lange Linksfraktionschefin in der Stadtverordnetenversammlung. Sie kennt die Einwohner, und die Einwohner kennen sie.

»Wenn Dagmar über den Markt geht, dauert es immer mindestens eine halbe Stunde«, weiß die Stadtverordnete Irene Köppe (LINKE) aus Erfahrung. Enkelmann selbst weiß es auch. Das sei der Grund, warum ihre Kinder nicht gern mit ihr auf den Markt gegangen sind. Es habe immer zu lange gedauert, sagt Enkelmann, die schon früher als Landtagsfraktionschefin nah an den Menschen dran gewesen ist, bekannt und beliebt war und viele Sympathiepunkte für ihre Partei sammeln konnte. Bei Enkelmanns Nachfolgerin Kerstin Kaiser war das noch ähnlich. Danach fehlte der Partei auf Landesebene ein solches Gesicht. Der Name von Vizefraktionschefin Kathrin Dannenberg, die bei der Landtagswahl am 1. September als Spitzenkandidatin ins Rennen geht, ist etlichen Brandenburgern heute noch kein Begriff.

Doch zurück nach Bernau bei Berlin, zurück zur Kommunalwahl am kommenden Sonntag. Die LINKE stellt in der Stadt mit André Stahl den Bürgermeister, ist stärkste Kraft im Stadtparlament und will das bleiben.

Die AfD tritt hier mit lediglich fünf Kandidaten an und ist allein schon deswegen keine Gefahr. Einen Zuwachs könnten die Freien Wähler erleben, deren umtriebiger Landesvorsitzender Péter Vida nach Einschätzung von Enkelmann in Bernau einen aufwändigen und »aggressiven« Wahlkampf macht. Bürger berichten, sie hätten innerhalb kurzer Frist den Briefkasten fünfmal randvoll mit seinem Werbematerial gehabt. Auch hängt die Stadt voll mit den Plakaten der Freien Wähler. Es wird gefragt, woher die das Geld dafür haben.

Darauf angesprochen, lacht Vida. »In Bernau sind wir dominant, keine Frage«, gibt er zu. Doch es gebe regionale Schwerpunkte für die Kampagne der Freien Wähler. In einigen Teilen des Landes hängen deutlich weniger Plakate dieser Gruppierung. »Im Landesdurchschnitt können wir mit den anderen Parteien mithalten, mehr nicht« versichert Vida. Nach eigenen Angaben hat er hart verhandelt und deswegen im Vergleich mit der Konkurrenz den wahrscheinlich niedrigsten Stückpreis für die Plakate bezahlen müssen. Außerdem sollen viele Plakate nach der Kommunalwahl aufbewahrt und im Landtagswahlkampf erneut eingesetzt werden. »Aggressiv« will Vida seinen Wahlkampf nicht genannt haben. Er möchte ihn »sympathisch« nennen.

Die LINKE wirft den Freien Wählern vor, unrealistische Dinge zu versprechen. So wolle im Prinzip jede Partei und Wählergemeinschaft in Bernau einen Zehn-Minuten-Takt der S-Bahn nach Berlin, bestätigt Kandidat Matthias Holz (LINKE). Seine Sozialisten natürlich auch. Die Freien Wähler fordern jedoch forsch - so als ob sich das versprechen lasse - den Zehn-Minuten-Takt »jetzt«. Dabei hat die Stadtverwaltung leider gar keinen Einfluss darauf, ob und wie schnell das klappt. Eine Partei schert indes aus. Sie hüpft beim Zehn-Minuten-Takt aus der Reihe, erlaubt sich einen Ulk. Es ist die Partei des Satirikers Martin Sonneborn. Sie will lieber eine Seilbahn als eine bessere S-Bahn-Verbindung.

Während Sonneborns Partei blödelt und die Freien Wähler »Stimmung machen, obwohl Bernau wirklich eine gute Entwicklung genommen hat«, wie Enkelmann sagt, bemühe sich die LINKE seriös, Lösungen für tatsächlich vorhandene Probleme zu finden. Abgeräumt habe die LINKE für Bernau, Biesenthal, Melchow und Rüdnitz das leidige Thema Altanschließer. Hier haben alle Grundstückseigentümer ihre rechtswidrig gezahlten Beiträge für die Kanalisation zurückgezahlt bekommen und nicht nur diejenigen, die Widerspruch gegen ihre Bescheide einlegten und Klage einreichten. In Brandenburg ist ein solches Entgegenkommen sehr selten gewesen. Auch die Stadt Bernau erhielt für ihre kommunalen Grundstücke vom Wasser- und Abwasserverband Panke-Finow Summen erstattet. Dieses Geld werde nun in soziale Projekte gesteckt, berichtet Enkelmann. Das haben die Stadtverordneten in der vergangenen Wochen bei ihrer letzten Sitzung vor der Kommunalwahl beschlossen.

Das sind die ernsten Angelegenheiten. Für die Linksfraktion und ihre Wähler kommt aber der Spaß nicht zu kurz. Einmal im Sommer veranstaltet die Fraktion in der Fußgängerzone ein rotes Frühstück, bei dem rote Brause, Erdbeereis und Kirschkuchen serviert wird - alles rot. Anlässlich bevorstehender Kommunalwahlen gibt es wie jetzt noch ein rotes Frühstück außer der Reihe. Dazu musiziert Kandidat Rainer Schulz an der Gitarre. Zusammen mit Günter Schulze am Akkordeon spielen sie Seemannsmelodien und Stimmungslieder, einige der Kandidaten singen mit. Auf einer Bank Platz genommen hat auch der Stadtverordnete Josef Keil (SPD). »Bei Rot bin ich dabei«, sagt er - und diskutiert mit dem Kandidaten Matthias Holz (LINKE) über Politik. Holz schmunzelt: »Manche Sozialdemokraten springen auf Rot noch an.«

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