Große Brocken und kleine Brötchen

Der Findlingsgarten am Seddiner See bekäme gern Geldbußen zugesprochen

Kunst und Natur in Symbiose im Findlingsgarten am Seddiner See.
Kunst und Natur in Symbiose im Findlingsgarten am Seddiner See.

Der schmackhafte Beelitzer Spargel gedeiht heute so gut, weil vor 15 000 Jahren die letzte Eiszeit für den idealen Boden sorgte. Die hiesige Sanderlandschaft entstand, als das abschmelzende Gletscherwasser in Bächen langsam abfloss und Sediment ablagerte. Die aus dem hohen Norden vorgestoßenen Eismassen transportierten aber auch Findlinge aus Skandinavien nach Brandenburg. Diese dicken Steinbrocken aus ihren Feldern wegzuräumen, ist für die hiesigen Spargelbauern kein Vergnügen.

Geldstrafen

3,8 Millionen Euro Geldauflagen kamen 2018 in der Justiz in Brandenburg insgesamt zusammen, von denen 1,7 Millionen an die Staatskasse abgeführt wurden.

Mit mehr als 82 000 Euro bekam die Opferhilfe im Jahr 2018 den größten Zuschlag.

Tierschutzvereine, Umweltverbände und Gliederungen der Verkehrswacht erhielten jeweils einige tausend Euro, auch etliche Fördervereine von Schulen sowie ein paar Sportvereine durften sich freuen, außerdem diverse Stiftungen und die Cottbuser Parkeisenbahn.

Die Einrichtung des Findlingsgartens am Seddiner See hat mehrere hunderttausend Euro gekostet. Das Gelände wurde von der Gemeinde zur Verfügung gestellt.

Die verschiedenartigen Gesteine, deren Herkunft sich meist ziemlich genau bestimmen lässt, kann man sich bei einem gemütlichen Spaziergang im weitläufigen Findlingsgarten am Seddiner See anschauen. Mehr als 200 Exemplare sind dort zusammengetragen. Dabei sind die seltensten und so gesehen wertvollsten nicht unbedingt die schönsten, erläutert Professor Heiner Vollstädt. Der Mineraloge ist Vorsitzender des Vereins, der den Garten 1998 anlegte. Findlinge aus Sand- und Kalkstein sind von den Eismassen einst zerrieben worden und kaum heil bis nach Brandenburg gelangt. Der Professor ist deshalb stolz, einige davon zu besitzen. Die Besucher des Gartens nehmen jedoch kaum Notiz davon. Sie empfinden die Stücke als unspektakulär.

Der Findlingsgarten befindet sich auf 2,5 Hektar Fläche etwas außerhalb des Ortskerns von Kähnsdorf (Potsdam-Mittelmark). Der idyllische Rundweg ist 700 Meter lang und führt vorbei an einer nachempfundenen Eiszeitlandschaft mit zwei kleinen Seen und einem Erdwall, der eine Endmoräne darstellen soll. Die Findlinge stammen alle aus der Gegend, bis auf ein paar Exemplare aus Lausitzer Braunkohletagebauen und zwei Stück, die Heiner Vollstädt extra aus einem Steinbruch auf den finnischen Åland-Inseln hergebracht hat - um sie neben einem Findling zu platzieren, der von dort mit der Eiszeit zum Seddiner See transportiert wurde. Der Findlingsgarten zeigt auch, was verschiedene Bildhauer aus den Brocken gemacht haben.

So formte Klaus W. Rieck aus einem Småland-Granit sein Kunstwerk »Seddiner Tropfen«. Vollstädt streicht über die glattpolierte Fläche und erklärt, dass Anfassen in diesem speziellen Freilicht-Naturkundemuseum ausdrücklich erlaubt sei. Der Professor arbeitete einst bei der DDR-Akademie der Wissenschaften und war 29,6 Jahre lang - so wissenschaftlich exakt drückt er das aus - auf dem Potsdamer Telegrafenberg beschäftigt. 80 Jahre ist er inzwischen alt, für seinen Findlingsgarten schmiedet er trotzdem noch Zukunftspläne. So würde er gern aus verschiedenartigstem Gestein eine zehn Meter lange Kopfsteinplasterstrecke anlegen lassen und dazu eine Hinweistafel aufstellen, auf der jeder Stein mit seinem Ursprungsort vorgestellt wird. Er hat sich das schon ausgemalt. »Besucher könnten Schritt für Schritt laufen und sagen: ›Jetzt bin ich in Stockholm, jetzt in Finnland.‹«

Landschaftsgartenpflegerin Anja Brumme, die sich um den Findlingspark kümmert, würde sich zutrauen, so eine besondere Strecke anzulegen. Die große Hinweistafel würde aber einiges kosten. Der Verein lebt jedoch allein von Spenden und von den Jahresbeiträgen seiner 26 Mitglieder. Eintritt wird von den Besuchern nicht verlangt. So müssen kleine Brötchen gebacken werden. Vereinsmitglied Volkmar Gruve, Jurist im Ruhestand, hatte daher vor ungefähr zehn Jahren die Idee, zusätzliche Mittel durch Bußgelder zu erschließen. Schließlich verurteilen Richter Angeklagte Tag für Tag zu Geldstrafen an gemeinnützige Vereine, Verbände und Stiftungen, und Staatsanwälte stellen Verfahren gegen Zahlung von Geldauflagen ein. Von der brandenburgischen Justiz dürfen allerdings nur Organisationen, die sich ordnungsgemäß beim Oberlandesgericht registrieren lassen berücksichtigt werden. Dort steht der Findlingsgarten Seddiner See e.V. nun schon lange in der umfangreichen Liste. Regelmäßig müssen verschiedene Dokumente eingereicht werden, um die Gemeinnützigkeit nachzuweisen und auf der Liste zu bleiben.

Mit einer Summe bedacht worden sei man allerdings noch nie, beklagt Volkmar Gruve. Sein Neffe André Gruve, der Schatzmeister des Vereins, hat sich beim Oberlandesgericht erkundigt, warum das so ist. Er hat allerdings nur die lapidare Auskunft erhalten, dass Richter und Staatsanwälte frei sind zu entscheiden, wem sie Zahlungen zusprechen. Eine Einflussnahme darauf sei »nicht zulässig und daher nicht möglich«. Judith Janik, Sprecherin des Oberlandesgerichts Brandenburg, erklärt auf nd-Anfrage, »dass gegenwärtig 1334 gemeinnützige Einrichtungen in die Liste möglicher Empfänger von Geldauflagen aufgenommen sind«.

Im Jahr 2018 hatte es allerdings nur 294 Empfänger gegeben. Diese waren hauptsächlich im Land Brandenburg ansässig, zu einem geringen Teil aber auch anderswo, etwa in Dresden, Leipzig oder Würzburg. Aber vielleicht wandelt ja eines Tages ein Richter durch den Findlingsgarten und spricht ihm danach eine Geldbuße zu. Dann könnte es auch mit der Strecke aus Findlingen klappen.

Findlingsgarten Seddiner See, Seddiner Straße in Kähnsdorf, findlinge-seddin.de, Spenden an die IBAN: DE 24 1605 0000 3526 0070 62

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