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Ohne Wissen NSDAP-Mitglied?
Heinz Fehlauer über die Regeln der Aufnahme in die Nazi-Partei / 1994 kam der Westberliner (Jg. '54) mit den NS-Akten des Document Centers in die Bundesarchiv-Filiale Lichterfelde
ND: Dieter Hildebrandt, Walter Jens, Martin Walser, Dieter Wellershoff - prominente Zeitgenossen werden von der NS-Zeit eingeholt. Herr Fehlauer, bitte klären Sie uns auf: War es möglich, in die NSDAP ohne eigenes Wissen, ohne Einverständnis aufgenommen zu werden?
Fehlauer: In einer Anordnung aus dem Jahr 1937 heißt es explizit: »Ein Zwang oder Druck, der Partei beizutreten, darf unter keinen Umständen ausgeübt werden, der Grundsatz der Freiwilligkeit als eines der wertvollsten und wesentlichsten Merkmale der Bewegung muss vielmehr voll aufrecht erhalten werden!« Und der Leiter des Mitgliedschaftsamtes, Anton Lingg, hat im Internierungslager Regensburg 1947 dies de facto bestätigt. Von den Amerikanern befragt, sagte er aus, es seien »niemals Personen in die Partei aufgenommen worden, für die nicht ein Einzelantrag vorlag. Aufnahmen durch Sammellisten sind niemals vorgekommen«. Weiter gab er zu Protokoll, dass es in der Praxis allerdings wohl Fälle von Urkundenfälschung gab, also ein anderer für den Betroffenen unterzeichnet hat.
Sind Ihnen solche Fälle bekannt?
Nein.
Wie steht es mit der Aufnahme zweier Jahrgänge der Hitlerjugend zu des Diktators 55. Geburtstag?
Es gab eine Anordnung im Januar 1944, wo es um die Aufnahme von HJ-Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1926/27 ging. Dort hat man verfügt, dass das Aufnahmealter von 18 auf 17 Jahre herabgesetzt wird. In der Anordnung 1/44 steht aber auch, dass jeder Einzelne einen Aufnahmeantrag abzugeben hat. Diese Anträge waren vom HJ-Führer zu sammeln und an die entsprechenden Parteidienststellen zu senden. Von der jeweiligen Gauleitung wurden sie weiter an die NSDAP-Reichsleitung nach München geschickt. Wenn es aber auf diesen Sammellisten Unstimmigkeiten gab, beispielsweise eine Unterschrift fehlte, hat die Reichsleitung das beanstandet und die Liste an den Gau zurückgesandt.
Es musste also stets eine Unterschrift vorliegen?
So sieht es aus.
Und es gab keinerlei Aufnahme-Zwang?
Ein psychologischer Zwang war sicher da: Gruppenzugehörigkeit. Das ist gerade bei 16- und 17-Jährigen nicht zu unterschätzen.
Aber formal galt Freiwilligkeit?
Das war das Anspruch. Es wurde vor allem vor dem Krieg genau darauf geachtet, dass nur Personen aufgenommen werden, die »würdig« sind. Man wollte keine übergroße Mitgliederzahl, nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Krieg allerdings hatte man wohl Angst, dass die Jugend nicht genügend nachzieht und dann diese Anordnung veranlasst.
Es gab sogar einmal eine Aufnahmesperre.
Richtig. Als nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler massenweise neue Mitglieder in die Partei strömten, hat man eine Sperre erlassen, um Konjunkturritter auszuschließen. Die bestand bis 1937.
Wie viele Mitglieder gab es?
Bei Kriegsende ungefähr 8,5 Millionen. Die Kartei weist aber etwa 11 Millionen Nummern auf. Wenn jemand verstarb, austrat oder ausgeschlossen wurde, hat man die Mitgliedsnummer in der Regel nicht wieder vergeben.
Konnte man einfach austreten?
Man konnte, aber das war sicher schwierig. Vor allem in der Frühzeit gab es Austritte - weil die Leute die Mitgliedsbeiträge nicht zahlen konnten.
Fragen: Karlen VesperND: Dieter Hildebrandt, Walter Jens, Martin Walser, Dieter Wellershoff - prominente Zeitgenossen werden von der NS-Zeit eingeholt. Herr Fehlauer, bitte klären Sie uns auf: War es möglich, in die NSDAP ohne eigenes Wissen, ohne Einverständnis aufgenommen zu werden?
Fehlauer: In einer Anordnung aus dem Jahr 1937 heißt es explizit: »Ein Zwang oder Druck, der Partei beizutreten, darf unter keinen Umständen ausgeübt werden, der Grundsatz der Freiwilligkeit als eines der wertvollsten und wesentlichsten Merkmale der Bewegung muss vielmehr voll aufrecht erhalten werden!« Und der Leiter des Mitgliedschaftsamtes, Anton Lingg, hat im Internierungslager Regensburg 1947 dies de facto bestätigt. Von den Amerikanern befragt, sagte er aus, es seien »niemals Personen in die Partei aufgenommen worden, für die nicht ein Einzelantrag vorlag. Aufnahmen durch Sammellisten sind niemals vorgekommen«. Weiter gab er zu Protokoll, dass es in der Praxis allerdings wohl Fälle von Urkundenfälschung gab, also ein anderer für den Betroffenen unterzeichnet hat.
Sind Ihnen solche Fälle bekannt?
Nein.
Wie steht es mit der Aufnahme zweier Jahrgänge der Hitlerjugend zu des Diktators 55. Geburtstag?
Es gab eine Anordnung im Januar 1944, wo es um die Aufnahme von HJ-Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1926/27 ging. Dort hat man verfügt, dass das Aufnahmealter von 18 auf 17 Jahre herabgesetzt wird. In der Anordnung 1/44 steht aber auch, dass jeder Einzelne einen Aufnahmeantrag abzugeben hat. Diese Anträge waren vom HJ-Führer zu sammeln und an die entsprechenden Parteidienststellen zu senden. Von der jeweiligen Gauleitung wurden sie weiter an die NSDAP-Reichsleitung nach München geschickt. Wenn es aber auf diesen Sammellisten Unstimmigkeiten gab, beispielsweise eine Unterschrift fehlte, hat die Reichsleitung das beanstandet und die Liste an den Gau zurückgesandt.
Es musste also stets eine Unterschrift vorliegen?
So sieht es aus.
Und es gab keinerlei Aufnahme-Zwang?
Ein psychologischer Zwang war sicher da: Gruppenzugehörigkeit. Das ist gerade bei 16- und 17-Jährigen nicht zu unterschätzen.
Aber formal galt Freiwilligkeit?
Das war das Anspruch. Es wurde vor allem vor dem Krieg genau darauf geachtet, dass nur Personen aufgenommen werden, die »würdig« sind. Man wollte keine übergroße Mitgliederzahl, nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Krieg allerdings hatte man wohl Angst, dass die Jugend nicht genügend nachzieht und dann diese Anordnung veranlasst.
Es gab sogar einmal eine Aufnahmesperre.
Richtig. Als nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler massenweise neue Mitglieder in die Partei strömten, hat man eine Sperre erlassen, um Konjunkturritter auszuschließen. Die bestand bis 1937.
Wie viele Mitglieder gab es?
Bei Kriegsende ungefähr 8,5 Millionen. Die Kartei weist aber etwa 11 Millionen Nummern auf. Wenn jemand verstarb, austrat oder ausgeschlossen wurde, hat man die Mitgliedsnummer in der Regel nicht wieder vergeben.
Konnte man einfach austreten?
Man konnte, aber das war sicher schwierig. Vor allem in der Frühzeit gab es Austritte - weil die Leute die Mitgliedsbeiträge nicht zahlen konnten.
Fragen: Karlen Vesper
Fehlauer: In einer Anordnung aus dem Jahr 1937 heißt es explizit: »Ein Zwang oder Druck, der Partei beizutreten, darf unter keinen Umständen ausgeübt werden, der Grundsatz der Freiwilligkeit als eines der wertvollsten und wesentlichsten Merkmale der Bewegung muss vielmehr voll aufrecht erhalten werden!« Und der Leiter des Mitgliedschaftsamtes, Anton Lingg, hat im Internierungslager Regensburg 1947 dies de facto bestätigt. Von den Amerikanern befragt, sagte er aus, es seien »niemals Personen in die Partei aufgenommen worden, für die nicht ein Einzelantrag vorlag. Aufnahmen durch Sammellisten sind niemals vorgekommen«. Weiter gab er zu Protokoll, dass es in der Praxis allerdings wohl Fälle von Urkundenfälschung gab, also ein anderer für den Betroffenen unterzeichnet hat.
Sind Ihnen solche Fälle bekannt?
Nein.
Wie steht es mit der Aufnahme zweier Jahrgänge der Hitlerjugend zu des Diktators 55. Geburtstag?
Es gab eine Anordnung im Januar 1944, wo es um die Aufnahme von HJ-Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1926/27 ging. Dort hat man verfügt, dass das Aufnahmealter von 18 auf 17 Jahre herabgesetzt wird. In der Anordnung 1/44 steht aber auch, dass jeder Einzelne einen Aufnahmeantrag abzugeben hat. Diese Anträge waren vom HJ-Führer zu sammeln und an die entsprechenden Parteidienststellen zu senden. Von der jeweiligen Gauleitung wurden sie weiter an die NSDAP-Reichsleitung nach München geschickt. Wenn es aber auf diesen Sammellisten Unstimmigkeiten gab, beispielsweise eine Unterschrift fehlte, hat die Reichsleitung das beanstandet und die Liste an den Gau zurückgesandt.
Es musste also stets eine Unterschrift vorliegen?
So sieht es aus.
Und es gab keinerlei Aufnahme-Zwang?
Ein psychologischer Zwang war sicher da: Gruppenzugehörigkeit. Das ist gerade bei 16- und 17-Jährigen nicht zu unterschätzen.
Aber formal galt Freiwilligkeit?
Das war das Anspruch. Es wurde vor allem vor dem Krieg genau darauf geachtet, dass nur Personen aufgenommen werden, die »würdig« sind. Man wollte keine übergroße Mitgliederzahl, nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Krieg allerdings hatte man wohl Angst, dass die Jugend nicht genügend nachzieht und dann diese Anordnung veranlasst.
Es gab sogar einmal eine Aufnahmesperre.
Richtig. Als nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler massenweise neue Mitglieder in die Partei strömten, hat man eine Sperre erlassen, um Konjunkturritter auszuschließen. Die bestand bis 1937.
Wie viele Mitglieder gab es?
Bei Kriegsende ungefähr 8,5 Millionen. Die Kartei weist aber etwa 11 Millionen Nummern auf. Wenn jemand verstarb, austrat oder ausgeschlossen wurde, hat man die Mitgliedsnummer in der Regel nicht wieder vergeben.
Konnte man einfach austreten?
Man konnte, aber das war sicher schwierig. Vor allem in der Frühzeit gab es Austritte - weil die Leute die Mitgliedsbeiträge nicht zahlen konnten.
Fragen: Karlen VesperND: Dieter Hildebrandt, Walter Jens, Martin Walser, Dieter Wellershoff - prominente Zeitgenossen werden von der NS-Zeit eingeholt. Herr Fehlauer, bitte klären Sie uns auf: War es möglich, in die NSDAP ohne eigenes Wissen, ohne Einverständnis aufgenommen zu werden?
Fehlauer: In einer Anordnung aus dem Jahr 1937 heißt es explizit: »Ein Zwang oder Druck, der Partei beizutreten, darf unter keinen Umständen ausgeübt werden, der Grundsatz der Freiwilligkeit als eines der wertvollsten und wesentlichsten Merkmale der Bewegung muss vielmehr voll aufrecht erhalten werden!« Und der Leiter des Mitgliedschaftsamtes, Anton Lingg, hat im Internierungslager Regensburg 1947 dies de facto bestätigt. Von den Amerikanern befragt, sagte er aus, es seien »niemals Personen in die Partei aufgenommen worden, für die nicht ein Einzelantrag vorlag. Aufnahmen durch Sammellisten sind niemals vorgekommen«. Weiter gab er zu Protokoll, dass es in der Praxis allerdings wohl Fälle von Urkundenfälschung gab, also ein anderer für den Betroffenen unterzeichnet hat.
Sind Ihnen solche Fälle bekannt?
Nein.
Wie steht es mit der Aufnahme zweier Jahrgänge der Hitlerjugend zu des Diktators 55. Geburtstag?
Es gab eine Anordnung im Januar 1944, wo es um die Aufnahme von HJ-Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1926/27 ging. Dort hat man verfügt, dass das Aufnahmealter von 18 auf 17 Jahre herabgesetzt wird. In der Anordnung 1/44 steht aber auch, dass jeder Einzelne einen Aufnahmeantrag abzugeben hat. Diese Anträge waren vom HJ-Führer zu sammeln und an die entsprechenden Parteidienststellen zu senden. Von der jeweiligen Gauleitung wurden sie weiter an die NSDAP-Reichsleitung nach München geschickt. Wenn es aber auf diesen Sammellisten Unstimmigkeiten gab, beispielsweise eine Unterschrift fehlte, hat die Reichsleitung das beanstandet und die Liste an den Gau zurückgesandt.
Es musste also stets eine Unterschrift vorliegen?
So sieht es aus.
Und es gab keinerlei Aufnahme-Zwang?
Ein psychologischer Zwang war sicher da: Gruppenzugehörigkeit. Das ist gerade bei 16- und 17-Jährigen nicht zu unterschätzen.
Aber formal galt Freiwilligkeit?
Das war das Anspruch. Es wurde vor allem vor dem Krieg genau darauf geachtet, dass nur Personen aufgenommen werden, die »würdig« sind. Man wollte keine übergroße Mitgliederzahl, nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Krieg allerdings hatte man wohl Angst, dass die Jugend nicht genügend nachzieht und dann diese Anordnung veranlasst.
Es gab sogar einmal eine Aufnahmesperre.
Richtig. Als nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler massenweise neue Mitglieder in die Partei strömten, hat man eine Sperre erlassen, um Konjunkturritter auszuschließen. Die bestand bis 1937.
Wie viele Mitglieder gab es?
Bei Kriegsende ungefähr 8,5 Millionen. Die Kartei weist aber etwa 11 Millionen Nummern auf. Wenn jemand verstarb, austrat oder ausgeschlossen wurde, hat man die Mitgliedsnummer in der Regel nicht wieder vergeben.
Konnte man einfach austreten?
Man konnte, aber das war sicher schwierig. Vor allem in der Frühzeit gab es Austritte - weil die Leute die Mitgliedsbeiträge nicht zahlen konnten.
Fragen: Karlen Vesper
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