Meldeauflage kontra Grundrecht
Beschränkung des Demonstrationsrechts vorm Bundesverwaltungsgericht
Unter welchen Voraussetzungen dürfen Polizeibehörden durch Meldeauflagen verhindern, dass Bürger ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen? Sechs Jahre nach zahlreichen derartigen Grundrechtseingriffen verhandelte gestern das Bundesverwaltungsgericht eine Klage dagegen. Das Ergebnis wird heute bekanntgegeben.
Im Juli 2001 fand in der italienischen Hafenstadt Genua ein G8-Gipfel statt. Um erwartete Proteste von Globalisierungsgegnern zu behindern, erließen zahlreiche deutsche Polizeibehörden Ausreiseverbote gegen ihnen bekannte G8-Kritiker. Die Berufung auf eine »erhebliche Gefährdung« der inneren oder äußeren Sicherheit bzw. »von Belangen der Bundesrepublik« war oft fragwürdig und hatte bei nachträglicher gerichtlicher Überprüfung vielfach keinen Bestand, so auch im Falle von Fabian K., der dennoch gestern in Leipzig Bundesrichter befasste.Der Grund ist folgender: Um die - fragwürdigen, im Fall von K. vor Gericht als rechtswidrig anerkannten - Ausreiseverbote durchzusetzen, griff die Berliner Innenbehörde damals zusätzlich zur Erteilung von Meldeauflagen an die Betreffenden (siehe Kasten). Durch tägliche Meldung bei der Wache ihres Polizeiabschnitts sollten die Globalisierungskritiker auch physisch gehindert werden, von ihrem durch Grundgesetz wie Völkerrecht garantiertem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen. Dies hält Fabian K. für unzulässig.
In ihrer »Anleitung zum Rechtsschutz« bei polizeilicher Freiheitsentziehung verweist die Juristin Ulrike Donat darauf, dass die Befugnis zur Verhinderung einer Reise ins Ausland durch bundesrechtliche Vorschriften »eingehend geregelt« ist, die aber keine Meldeauflagen zur Durchsetzung von Ausreiseverboten enthalten. Eine Berufung auf die polizeiliche Generalklausel sei schon wegen des Vorrangs speziellen Bundesrechts unzulässig. Diese Klausel betreffe im Übrigen nur im Geltungsbereich des jeweiligen Landespolizeigesetzes drohende Gefahren.
K. klagte daher auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Meldeauflage. Verwaltungsgericht Berlin und OVG Berlin-Brandenburg lehnten dies jedoch - mit unterschiedlichen Begründungen! - ab. Auf Beschwerde des Klägers ließ das Bundesverwaltungsgericht die Revision zu: Es habe zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen es einer Landespolizeibehörde gestattet ist, einen Bürger auf diese Weise zu hindern, an einer Demonstration im Ausland teilzunehmen.
Der Vertreter Berlins erklärte in der Verhandlung, Gefahrenabwehr per Meldeauflage müsse auch möglich sein, wenn es um Verhinderung möglicher Straftaten im Ausland gehe. Dies sei auch verhältnismüßig. Der Kläger sieht das ganz anders. Ausreiseverbot und Meldeauflage wurden ihm mit der »Begründung« erteilt, er sei »bereits mehrfach aufgefallen«, nach Jugendrecht wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet worden. Sein Anwalt Sönke Hilbrans verwies auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshof Mannheim, wonach solche Polizeimaßnahem nur denkbar sind, wenn der Betroffene Gewalttaten bei Demonstrationen begangen hat.
»Generalklausel«
Zur Durchsetzung eines Ausreiseverbots gegen Fabian K. und weitere Berliner zum G8-Giplel in Genua erließ die Berliner Innenbehörde 2001 gegen sie Auflagen, sich täglich bei einer Polizeiwache zu melden. Dabei berief sie sich auf die in den Polizeigesetzen aller Länder enthaltene »Generalklausel«. In Berlin lautet § 17, Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung folgendermaßen:
Die Ordnungsbehörden und die Polizei können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §...
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