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Die Wiege der Mark will sich wieder zeigen

Brandenburg/Havel lädt Gäste in die neu auflebenden Innenstadtquartiere - eine Stadtrauminstallation hilft dabei

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Paulikloster in Brandenburgs Neustadt, ein gotischer Backsteinbau aus dem 13./14. Jahrhundert, beherbergt seit 2008 das Archäologische Landesmuseum. Es scheint unvorstellbar, dass die Paulikirche noch bis 2003 als Ruine an die der Stadt Ende April 1945 zugefügten schweren Kriegszerstörungen erinnerte.

Den Parkplatz neben dem Museum füllen am Freitag die Autos der Kauflustigen, auch Auswärtige zog es offenbar in ein nahe gelegenes Einkaufszentrum, gelegentlich kreisten selbst Camper auf Platzsuche durchs Quartier. Ein gutes Zeichen in Corona-Zeiten - die gelockerten Regeln ermöglichen es auch Touristen wieder, die Stadt, die als Wiege der Mark Brandenburg gilt, zu besuchen. Seit 22. Mai kann man wieder Ferienwohnungen buchen, drei Tage später zogen Hotels und Pensionen nach. Alles aus Hygienegründen beschränkt. Das gilt auch noch immer für Museumsbesuche oder die Stadtführungen, die die Touristinformation seit dem 28. Mai wieder anbietet.

Da konnte man es fast eine Punktlandung nennen, dass an diesem Tag die Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen gemeinsam mit Kulturland Bandenburg an der Anfang der 1950er Jahre an der Paulinerstraße gegenüber der Kirchruine neu erbauten Häuserzeile eine kleine, inhaltsreiche Ausstellung »im öffentlichen Raum« eröffnete. Unter dem Motto »Spiegel der Gesellschaft: Stadtplanungen in Brandenburg« lädt sie zum Rundgang zu verschiedenen Orten in der Innenstadt ein. An einigen Punkten bietet sie auf gelb-weißen Informationsstelen Erläuterungen zu den verschiedenen Etappen der Stadtentwicklung in den ersten 45 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

Irina Barke von der Stadtkern-AG erinnerte daran, dass sich in der Stadt Brandenburg für die Zeit seit 1945 markante Maßnahmen der ergänzenden Stadtreparatur oder aber Überplanung entsprechend dem jeweiligen Zeitgeist nachzeichnen lassen.

Erst in Brandenburg/Havel konnte coronabedingt die erste von zwölf derartigen Ausstellungen der AG starten, die sich damit an der Kampagne von Kulturland Brandenburg »Krieg und Frieden - 1945 und die Folgen in Brandenburg« beteiligt.

»Die Stadt Brandenburg hat trotz ihrer langen Geschichte die fast einzigartige Situation, dass sie niemals durchgreifend zerstört worden ist«, so der Stadtarchäologe Joachim Müller. »Es gibt eine kontinuierliche Entwicklung in allen drei Stadtkernen - Altstadt, Neustadt und Dom -, die immer das weiterentwickelt, was da ist. Ohne große Brüche.« Getroffen habe man sich an einem Ort, wo es dann doch starke Kriegszerstörungen gegeben habe. Brandenburg, in der NS-Zeit ein wichtiges politisches sowie Rüstungs- und Verkehrszentrum, war zwar von alliierten Luftangriffen weitgehend verschont geblieben, hatte aber bei der Eroberung durch die Rote Armee 1945 schwer gelitten. Geführt wird man nun durch einen Stadtraum, der durch vielschichtiges, widersprüchliches und durch wirtschaftliche Zwänge in der DDR reglementiertes Bauen geprägt wurde.

»Das große Ziel einer sozialistischen Stadt ist nicht erreicht worden«, resümierte der Kulturbeigeordnete der Stadt, Wolfgang Erlebach (Linke). Die 30 Jahre nach der Wende hätten ihr aber einen großen Schub gebracht, noch nie sei ihr baulicher Zustand besser gewesen als heute.

Die Corona-Lockerungen nehmen sichtbar an Fahrt auf. Erlebach sagte dem »nd«, dass der Shutdown vor allem Kultur und Tourismus stark gebeutelt habe. 2018 zählte die Stadt fast 100 000 Besucher, für 2020 kaum vorstellbar. Ihm lägen keine gesicherten Daten vor, so der Beigeordnete. Aber er wisse, wie schwer es allein werde, den Kulturbetrieb wieder hochzufahren. Ob an den Bühnen, in der Gastronomie oder im Beherbergungsgewerbe - nicht jeder werde mit den weiter geltenden Einschränkungen auf Dauer wirtschaftlich klarkommen.

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