Wenn das der alte Duden wüsste ...

Die geänderten Regelungen der Rechtschreibreform sind ab heute an deutschen Schulen verbindlich

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Am 1. August 1998 trat die Reform der deutschen Rechtschreibung in Kraft. Nach heftigen Debatten war das Regelwerk zum 1. August 2006 abermals geändert worden. Ab heute sind diese Schreibweisen an deutschen Schulen verbindlich. In Österreich gilt eine Übergangszeit von einem weiteren Jahr, in der Schweiz sind es zwei.

Vor 96 Jahren, am 1. August 1911, starb Konrad Alexander Friedrich Duden. Sein 1880 erschienenes »Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache«, heute auch als Ur-Duden bekannt, führte das alte Streben nach Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung zu einem vorläufigen Ende. Die II. Orthografische Konferenz im Juni 1901 richtete sich bei ihrer Festsetzung der Rechtschreibregeln grundsätzlich nach Dudens Wörterbuch. Noch 1950 und 1955 beschloss die bundesdeutsche Kultusministerkonferenz (KMK), dass der wiederholt aktualisierte Duden in Zweifelsfällen »richtungsgebend« sei. Erst die Rechtschreibreform hat das »Dudenmonopol« zu Fall gebracht. Dabei ist das Ringen um eine staatlich normierte Regelung der deutschen Orthografie weitaus älter als allgemein bekannt. Bereits im Mai 1956 setzte die KMK einen »Arbeitskreis für Rechtschreibregelung« ein, der mit seinen zwei Jahre später vorgestellten »Wiesbadener Empfehlungen« allerdings am Protest der Öffentlichkeit scheiterte. Vorgesehen war unter anderem die Kleinschreibung von Substantiven. Die 1973 angestrebte Wiederbelebung des »Arbeitskreises« und die gemäßigte Umsetzung der »Wiesbadener Empfehlungen« schlugen fehl. Als Geburtsstunde der jetzt umgesetzten Reform kann das 1. Wiener Gespräch von Fachbeamten aus der BRD, Österreich und der Schweiz im Dezember 1986 gelten. Dem folgte 1987 der Auftrag der Bundesregierung an das Mannheimer Institut für Deutsche Sprache, gemeinsam mit der Gesellschaft für deutsche Sprache ein Regelwerk zu erstellen. Ein erster Entwurf stieß jedoch auf erbitterten Widerstand. Einem 2. Wiener Gespräch im Mai 1990 folgte 1991 ein erneuter Auftrag nach Mannheim. Im Herbst 1992 wurde der erste Reformentwurf verabschiedet. Dieser wurde in den Folgejahren weiter diskutiert und modifiziert. Am 30. November 1995 beschloss die KMK die Einführung der neuen, vermeintlich modernisierten und vereinfachten Rechtschreibung zum 1. August 1998. Im Juli 1996 erklärten Österreich und die Schweiz, sich an der Neuregelung zu beteiligen. Doch der Beschluss der Reform löste eine neue Lawine von Protesten und Klagen aus, allen voran die »Frankfurter Erklärung« von Schriftstellern und Intellektuellen. Eine Verfassungsbeschwerde wies das Bundesverfassungsgericht im Juli 1998 zurück. Wenig später trat das in der Zwischenzeit weiter veränderte Regelwerk mit einer Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 für Schulen und Behörden in Kraft. Die meisten Schriftsteller blieben indes bei der bewährten Schreibweise. Als erste Zeitung verwarf die »FAZ« im Jahre 2000 die übernommenen Regeln und kehrte zur alten Orthografie zurück. Vier Jahre später folgten der »Spiegel«, die »Süddeutsche« und der Springer-Verlag. Die Forderungen nach einem Ende der Reform wurden immer vehementer. Als Reaktion auf die Proteste wurde im Dezember 2004 der Rat für deutsche Rechtschreibung unter Vorsitz des ehemaligen bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair (CSU) ins Leben gerufen, dem 39 Mitglieder aus den deutschsprachigen Ländern und Regionen angehören, auch aus Liechtenstein, Belgien und Bozen-Südtirol. Der Rat unterzog die strittigsten Punkte der Reform einer Überprüfung, nahm Teile der Änderungen zurück. Die Regelungen der reformierten Reform, die vor einem Jahr wirksam wurden, sehen zahlreiche Varianten in der Rechtschreibung vor. In der aktuellen Auflage des Duden, die 2006 erschien, spiegelt sich das in mehrfarbigen Hervorhebungen und in Schreibempfehlungen wider, die einander nicht immer logisch entsprechen und die allgemeine Verwirrung kaum lindern können. »Wir gehen davon aus, dass die Sprache und die Schreibgewohnheiten eine Antwort darauf geben werden, welche Schreibweise sich durchsetzt«, erklärt Zehetmair und setzt damit auf die Lebendigkeit der Sprache. Abgeschlossen ist die Arbeit des bis 2010 berufenen Rats längst noch nicht - aber auf Geheiß der KMK seit März 2006 unterbrochen. Wichtige Aufgaben bestünden jetzt darin, Veränderungen in der Alltagssprache zu verfolgen, die Etablierung der Reform zu beobachten und zu bewerten. Ob sich der Nebel um die deutsche Rechtschreibung bis 2011, Konrad Dudens 100. Todesj...

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