Rolls-Royce streicht 550 Arbeitsplätze in Brandenburg

Massiver Stellenabbau des britische Triebwerksherstellers trifft deutschen Vorzeigestandort Dahlewitz besonders hart

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Nachricht aus der Konzernzentrale von Rolls-Royce, weltweit 9000 Stellen abzubauen, hat die rund 2800 Beschäftigten des Triebwerkherstellers am Standort Dahlewitz (Teltow Fläming) hart getroffen. Bis 2021 sollen auch bei ihnen 550 Arbeitsplätze gestrichen werden, bundesweit insgesamt 800, wie Rolls-Royce Deutschland am Mittwoch mitgeteilt hat. Betroffen sind die Entwicklung, Herstellung und Instandhaltung ziviler und militärischer Turbinentriebwerke in Dahlewitz sowie im hessischen Oberursel.

Die Brandenburger Landesregierung hofft, den Stellenabbau noch abwenden zu können. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte am Donnerstag in Brandenburg/Havel vor Journalisten, dass er »alle Anstrengungen unternehmen« werde, um »zu verhindern, dass dieses Instrument der betriebsbedingten Kündigungen tatsächlich zum Zuge kommt«. Er gehe davon aus, dass der angestrebte Zeitrahmen bis Ende 2021 dafür »genug Luft bieten sollte, dass man das verhindern kann oder dass sich eventuell durch neue Projekte die Beschäftigungssituation in Dahlewitz auch wieder ändern kann«.

Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) zeigte sich mit Blick auf den Forschungsbereich bei Rolls-Royce in Dahlewitz zuversichtlich, »dieses Unternehmen bei uns behalten zu können und Arbeitsplätze zu sichern«. Rolls-Royce kooperiert bei der Forschung mit dem Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam und mit der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Dabei geht es unter anderem um hybrid-elektrisches Fliegen.

Kundenachfrage eingebrochen

Das weltweit tätige Hightech-Unternehmen mit 52 000 Mitarbeitern zählt nunmehr zu den prominentesten Industrieunternehmen, denen der Einbruch der Passagierluftfahrt infolge der Corona-Pandemie die Auftragslage ruiniert hat. Rolls-Royce hatte seine Entscheidung am Mittwoch »aufgrund der mittelfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Kundennachfrage« angekündigt. »Wir stehen vor einer beispiellosen Situation, mit signifikanten Reduzierungen der Kundennachfrage bei der Fertigung und aufgrund der geringeren Flugstunden auch in den Bereichen Wartung, Reparatur und Überholung«, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Eine Erholung auf das Niveau von 2019 werde nicht vor 2024 erwartet. An beiden Standorten würden nun Gespräche mit den Mitgliedern des Betriebsrats geführt. Verhandlungen über einen Interessenausgleich für einen sozialverträglichen und fairen Abbau der Stellen seien in Angriff genommen worden, so der Sprecher weiter.

Darauf hofft auch die Landrätin des betroffenen Landkreises Teltow-Fläming, Kornelia Wehlan (Linke). »Rolls-Royce gehört zu den größten Arbeitgebern im Landkreis. Das Unternehmen steht zudem für Weltoffenheit, Internationalität und Toleranz. Deshalb wäre der angekündigte massive Stellenabbau für Teltow-Fläming in vielerlei Hinsicht ein außerordentlich großer Verlust«, teilte sie »nd« mit. Sie setze darauf, dass das Unternehmen Mittel und Wege finde, um den Stellenabbau »so gering wie möglich zu halten, beziehungsweise sozialverträglich zu gestalten«, und hoffe, dass dazu Instrumente des Arbeitsmarktes genutzt werden können. »Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis 2021 wäre ein Mittel, um den Unternehmen die jetzige Situation zu erleichtern«, so Wehlan. »Vorstellbar wäre, dass in dieser Zeit Arbeitnehmer*innen über Qualifizierungsprogramme einen beruflichen Anschluss finden.«

Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) nehme zwar zu Einzelmitgliedern nicht Stellung, wie Hauptgeschäftsführer Volker Thum mitteilte. Bei der Entwicklung der Hauptstadtregion zu einem Kompetenzentrum für eine emissionsarme Luftfahrt komme aber den Antriebsherstellern eine große Bedeutung zu.

Auch Bombardier ist »Sorgenkind«

Neben Rolls-Royce zählt Wirtschaftsminister Steinbach aktuell auch den Schienenfahrzeughersteller Bombardier in Hennigsdorf (Oberhavel) zu »seinen Sorgenkindern«, wie er dem »nd« sagte. Im Februar hatte der französische Alstom-Konzern die geplante Übernahme der Zugsparte von Bombardier angekündigt. Zwar steht die Zustimmung der EU-Wettbewerbshüter noch aus. Doch nach Einschätzung des Ministers kann der Standort in Hennigsdorf auf Dauer nur mit der geplanten Fusion überleben. »Wir haben klare Zusagen von Alstom, dass sie die zusätzliche Produktionskapazität dringend benötigen und damit auch den großen Teil der Beschäftigten in Hennigsdorf erhalten werden«, so Steinbach.

Mit einem Aktionstag haben beide Unternehmen den Erhalt ihrer Arbeitsplätze gefordert. In Hennigsdorf zählte die IG Metall am Donnerstag über 300 Teilnehmer. Ähnliche Aktionen gab es an den sächsischen Bombardier-Werken in Görlitz und Bautzen.

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