Welchen Verlauf hätten geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen genommen mit einem anderen Mann oder einer anderen Frau an der Spitze einer geschichtsmächtigen Bewegung, welche Alternativen gab es in den diversen Epochen? ND fragt nach.
Mit kurzen, prägnanten Worten tritt er in die Weltgeschichte ein, mit ebensolchen wieder ab. Dazwischen liegen fünf Jahre einer grandiosen Karriere als Feldherr und Alleinherrscher. »Alea iacta est!« Die Würfel sind gefallen. Mit diesem Ausspruch überschritt Gajus Iulius Caesar am 10. Januar 49 v.Chr. den Rubico, Grenzfluss zwischen Gallien und Italien. Drei Tage zuvor hatte der Senat ihn aus Gallien abberufen. Er solle sein Kommando niederlegen und seine Truppen entlassen. Caesar widersetzte sich, marschierte gegen Rom und eröffnete einen Bürgerkrieg, an dessen Ende das Ende der Republik stehen wird. Die römische Republik steckte seit dem Ende des 2. Jahrhundert v. Chr. in einer bedrohlichen Krise. Aus einem Stadtstaat war ein riesiges Weltreich geworden. Die aristokratisch regierte Republik konnte die aktuellen wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Fragen nicht mehr beantworten. Eine neue Staatsform musste gefunden werden. Die beiden politischen Hauptkräfte an der Spitze Roms - Optimaten und Popularen - versuchten, auf unterschiedliche Weise die Krise zu meistern. Die Optimaten, Angehörige der Nobilität, Senatsaristokratie, wollten ihre alte Vormachtstellung bewahren. Die Popularen dagegen sahen ohne politische Reformen die weitere Existenz des Reiches gefährdet. Im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. zeigte sich, dass in den politischen wie militärischen Machtkämpfen in Rom Heerführer eine wichtige Stellung bekommen würden. Sulla, Feldherr und Anhänger der Optimaten, wurde 82 zum »Diktator für die Gesetzgebung und zur Neuordnung des Staates« ernannt. Zwar legte er schon drei Jahre später seine (vom Senat erstmalig erteilten) unbegrenzten Vollmachten freiwillig nieder. Ein Jahrzehnt später erhielt Pompejus, einer der Sieger über Spartacus, außerordentliche Machtbefugnisse. Nach dem Sieg gegen die Seeräuberplage im Mittelmeer und erfolgreichen Feldzügen zur Sicherung der Ostgrenze des Reiches gebot er über eine gewaltige Streitmacht und verfügte über große finanzielle Mittel. Gegen den Senat schlossen 60 v. Chr. Pompejus, Crassus und Caesar ein Zweckbündnis, das 1. Triumvirat. Doch die militärischen Erfolge Caesars in Gallien und eine zunehmende Annäherung von Pompejus an den Senat führten zum Bruch zwischen beiden. »Die Alleinherrschaft ist von beiden erstrebt worden«, schrieb Cicero. Mit dem Überschreiten des Rubico eröffnete Caesar den Zweikampf. Pompejus wird nach seiner Niederlage bei Pharsalos in Ägypten ermordet. Als Alleinherrscher setzt Caesar sich von nun an über alle Formen der alten Republik hinweg, die ihm »ein Nichts, ein bloßer Name ohne Inhalt und sichtbare Gestalt« (Sueton) ist. Caesar erhält die Diktatur auf zehn Jahre, im Jahr 45 sogar auf Lebenszeit (dictator perpetuus). Sulla habe das Abc der Politik nicht beherrscht, weil er die Diktatur niedergelegt habe, soll Caesar gespottet haben. Er war nicht gewillt, die hart erkämpfte Macht wieder aus der Hand zu geben. Er hatte noch viele und mächtige Gegner, doch die Ablösung der republikanischen Staatsform war faktisch vollzogen. Es ging nur noch um die Entmachtung der Nobilität. Dies zu verhindern, schlossen sich rund 60 Senatoren zu einem Komplott zusammen, zumeist ehemalige Anhänger des Pompeius. Das Ergebnis der Verschwörung ist bekannt. An den Iden des März, am 15. März 44, wurde Caesar vor Beginn einer Senatssitzung zu Füßen einer Pompejus-Statue erdolcht. Mit einem kurzen markanten Zuruf zu Brutus trat er der Überlieferung nach von der großen Bühne ab: »Auch du, mein Sohn?« Wie wäre Roms Geschichte weiterverlaufen, wenn die Klingen der Senatoren stumpf gewesen wären, ein Notarzt Caesars Leben gerettet oder dieser die ihm vorher zugespielten Attentatsgerüchte ernst genommen hätte? Keine Milde (Clementia Caesaris), wie nach dem Bürgerkrieg, sondern die Todesstrafe hätte die Verschwörer erwartet. Und hinsichtlich der Innen- und Außenpolitik Roms? Mit seiner Diktatur auf Lebenszeit war die Monarchie etabliert. Wenn auch Caesar »Rex«-Rufe zurückwies (er heiße Caesar, nicht König), so blieb der Vorwurf, er strebe nach dem Königsthron, bestehen. In den Sibyllinischen Büchern, einer Sammlung griechischer Orakeltexte, fand man (im Auftrage Caesars?) die Weissagung, dass »die Parther nur durch einen König besiegt werden könnten«. Die Parther hatten 53 v. Chr. in Mesopotamien den Römern unter Crassus bei Carrhae eine katastrophale Niederlage beigebracht. Beim eiligen Rückzug fielen deren heilige Feldzeichen den Parthern in die Hände. Caesar plante einen neuen Feldzug gegen dieses altiranisches Reitervolk. Der Aufbruch war für den 18. März geplant. In der letzten Senatsversammlung vor Abmarsch sollte ein Bewahrer der Sibyllinischen Bücher den Antrag stellen, wegen des Orakels Caesar den Königstitel zu verleihen (wenn auch möglicherweise »nur« für die Provinzen). Diese Sitzung war an den Iden des März festgesetzt... Die Hoffnungen der Verschwörer erfüllten sich nicht. In den folgenden Wirren entstand das 2. Triumvirat mit Antonius, Lepidus und Octavian. Rom trieb in einen neuen Bürgerkrieg. Die Caesarmörder wurden 42 v. Chr. bei Philippi geschlagen. Doch zunehmende Spannungen zwischen Antonius und Octavian führten 32 v. Chr. erneut zum Krieg. Die Schlacht bei Actium 31 v. Chr. brachte Octavian den Sieg, Antonius und Kleopatra begingen Selbstmord. Der Bürgerkrieg war beendet und die Republik endgültig beerdigt. Octavian vermied aber entscheidende Fehler Caesars. Der Althistoriker Hermann Bengtson schreibt: »Unzweifelhaft war mit Augustus die Monarchie im Kommen, aber sie kam auf leisen Sohlen.« Octavian nahm weder den Titel eines Königs noch Diktators an, sondern nannte sich »princeps«, ein in der Republik geachteter Titel, und ließ sich gern als »primus inter pares« (Erster unter Gleichen) darstellen. Republikanische Herrschaftsformen wurden mit monarchischen Inhalten gefüllt. In Octavians Händen lag alle Macht. Hätte es den Mord an den Iden des März nicht gegeben, wäre Rom unter Caesar den Weg zur Monarchie gegangen, möglicherweise in der Tradition des hellenistischen Ostens (Alexander). Letztlich war das Attentat sinnlos. Am Ende stand die römische Form der Monarchie, das Prinzipat, nicht mit einem König, sondern Kaiser an der Spitze.
Demnächst: Was wäre wenn... Kohl 1988 gestürzt worden wäre?