Vielleicht hilft ein deutsch-polnisches Volksfest

Landtagsmehrheit will die Kooperation mit dem Nachbarland vertiefen

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Antrag der Regierungskoalition, die »Kooperation mit Polen als europäischen Nachbarn weiter ausbauen und vertiefen« fand am Donnerstag die einhellige Zustimmung des Landtags. Lediglich die AfD-Fraktion enthielt sich bei der Abstimmung.

In ihrem Konzept nimmt sich die Landesregierung in 15 Punkten vor, die Beziehungen zum östlichen Nachbarn auf politischem, wirtschaftlichem, klimapolitischem, kulturellem und infrastrukturellem Gebiet umfassend auszubauen.

Europaministerin Katrin Lange (SPD) kündigte in diesem Zusammenhang an, im kommenden Jahr ein Konzept vorlegen zu wollen, das die Landespolitik auffordert, die Zusammenarbeit mit Polen bei allen Initiativen »immer mitzudenken.« Für Lange ist die Freundschaft mit Polen eine »Herzensangelegenheit«, bei der es darum gehe, die Verträge »mit Leben zu erfüllen«.

Der Beauftragte für brandenburgisch-polnische Beziehungen, Staatssekretär Jobst-Hinrich Ubbelohde, sagte bei der Vorstellung des Projektes, für ihn sei in den Beziehungen Deutschlands und Polens das wichtigste Ereignis nach dem Zweiten Weltkrieg der Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) in Warschau gewesen. Brandt überraschte mit dieser Geste am 7. Dezember 1970 am Ehrenmal für die Opfer des Aufstands im jüdischen Ghetto. Er bat damit um Vergebung für die Kriegsverbrechen Hitlerdeutschlands, obwohl er selbst Antifaschist und im Widerstand gewesen ist.

Die Landtagsabgeordnete Barbara Richstein (CDU) zitierte vom Rednerpult aus einen polnischen Gesprächspartner, die Freundschaft zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen habe in Wahrheit »nur auf dem Papier« bestanden. Dass die Anerkennung der Oder-Neiße-Friedensgrenze - genau so wurde sie in der DDR genannt - in den Görlitzer Verträgen von 1950 die Grundlage für ein friedliches Miteinander beider Völker gelegt hatte und in den bilateralen Verträgen nach 1990 ausdrücklich auf dieses Abkommen zurückgekommen werden musste, erwähnte die CDU-Politikerin ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Bundesrepublik noch Jahrzehnte nach der Befreiung vom Faschismus das politische Klima in Europa mit Gebietsforderungen an Polen vergiftet hatte.

Der Abgeordnete Christian Görke (Linke) beschränkte seine Kritik in der Debatte darauf, dass die im Antrag der Koalition aufgeführten Maßnahmen unter einem Haushaltsvorbehalt stehen würden.

Dass sich Polen 2003 am Angriffskrieg gegen den Irak beteiligte, Polens nicht vom EU-Recht gedeckte Justizreform, sein Ankämpfen gegen das Gasprojekt Nordstream 2 - daran erinnerte in der Debatte niemand. Ganz allgemein gab der Abgeordnete Matthias Stefke (Freie Wähler) seiner Hoffnung Ausdruck, die »abgekühlten« Beziehungen auf Regierungsebene und die dort aufgetretenen unterschiedlichen Auffassungen mögen sich nicht auf die konkreten Beziehungen vor Ort »dauerhaft negativ auswirken.« Er erinnerte daran, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) als Polen-Beauftragter der Bundesregierung und Koordinator der deutsch-polnischen Beziehungen eine hohe Verantwortung für eine gute Nachbarschaft habe, die im Interesse Brandenburgs liege. Er wolle sich nicht die »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« des Nachbarlandes nachsagen lassen, doch seien die Vorstellungen von Werten, Toleranz und Demokratie gegenwärtig nicht die gleichen, bemerkte Stefke. Ein Mittel dagegen sieht er in der Intensivierung des Kinder- und Jugendaustauschs sowie in einem regelmäßigen »deutsch-polnischen Volksfest«.

Der Abgeordnete Heiner Klemp (Grüne) rügte die schwulen- und lesbenfeindliche Haltung der polnischen Regierung und die von ihr im eigenen Land erzeugte Stimmung. Er habe erlebt, dass Homosexuelle in Słubice angespuckt worden sind. Die Diskriminierung von Minderheiten sei in Polen inzwischen »salonfähig« geworden. »Davon fühle auch ich mich angespuckt.« Nicht von ungefähr fordere der Antrag so die Achtung der Grundsätze einer liberalen Gesellschaft.

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