Tiefschlag für den Tourismus

Das Festhalten am Beherbergungsverbot bringt Brandenburgs Anbieter in Bedrängnis und Erklärungsnot

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Tourismuswirtschaft in Brandenburg reagiert enttäuscht darauf, dass das Beherbergungsverbot für Besucher aus Corona-Hotspotregionen wie Berlin in Kraft bleibt. Die Landesregierung gab am Donnerstag bekannt, dass sie sich, wie die Mehrzahl der anderen Bundesländer, verpflichte, das Verbot zunächst bis Anfang November aufrechtzuerhalten. Dabei schien die Tourismuswelt in Brandenburg Anfang Oktober noch halbwegs in Ordnung zu sein. Mit Blick auf die kommenden Herbstferien hatte die Tourismus-Marketing GmbH (TMB) eine »sehr gute Nachfrage« nach touristischen Angeboten vermeldet. »Wir verzeichnen seit Monaten Nachfragezuwächse, dieser Trend setzt sich auch für den Herbst fort«, hatte Sprecherin Birgit Kunkel angesichts der hygienebedingt reduzierten zentralen Einheitsfeierlichkeiten in der Landeshauptstadt erklärt. Ferienwohnungen und Ferienhäuser seien begehrt, besonders beliebt seien Angebote für Familien.

Das Seenland Oder-Spree im Osten Brandenburgs zählt zu den großen Fremdenverkehrsregionen des Landes, Gastronomiebetriebe, Hotels, Pensionen und Campingplätze aber auch Kommunen und Kreise haben viel Geld in die Entwicklung der touristischen Infrastruktur investiert. Der Ausbruch der Corona-Pandemie im März und der nachfolgende Lockdown hatten sie alle schwer getroffen und zahlreiche Anbieter an den Rand des Ruins gebracht. Doch viele von ihnen haben dank kreativer Geschäftsideen Auswege gefunden. Zu ihnen zählt das »Schlossgut Altlandsberg« (Märkisch-Oderland), das gemeinsam mit drei weiteren Unternehmen am Mittwoch mit dem Tourismuspreis des Landes Brandenburg ausgezeichnet wurde.

Das Schlossgut geht auf eine 1658 bis 1673 angelegte Anlage mit Barockschloss und Saalkirche zurück. Aufwendig saniert, sind seit 2016 Brau- und Brennhaus sowie Schlosskirche wieder in Betrieb, schon zuvor war das Gutshaus zum Ort der Begegnung ausgebaut worden. Schlossgut-Geschäftsführer Stephan Ruebsam hatte in der Schlosskirche einmal pro Monat Kino angeboten. »Als Corona kam, haben wir schon im März die ersten Kinoveranstaltungen ins Freie verlegt«, sagt er dem »nd«. »Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase haben die Leute das sehr gut angenommen. Im Laufe der Saison haben wir dann bis zu drei mal am Wochenende gespielt, und es sind immer viele Menschen gekommen, bis zu 90 Personen, viel Stammpublikum. Auch wenn wir jetzt wieder in der Kirche spielen, wollen wir das im nächsten Jahr fortsetzen«, so Ruebsam. Die Brauhausgaststätte habe man aus Platzgründen schließen müssen, doch dafür sei der gesamte Open-Air-Betrieb gut gelaufen.

Nach dem Motto »Wir gehen raus« habe das Schlossgut Altlandsberg zu Beginn der Corona-Pandemie sein gesamtes Angebot nach draußen verlegt, hieß es zur Begründung der Preisvergabe. »Damit musste das Unternehmen keine Stellen abbauen und war zudem in der Lage, die Zusammenarbeit mit seinen Partnern aus der Event-Branche sowie ortsansässigen Vereinen zu sichern und teilweise sogar weiter auszubauen.« Künstlerinnen und Künstler hätten im Gut in kleinem Rahmen auftreten, benachbarte Vereine die Räume kostenfrei nutzen können. »150 Veranstaltungen hat das Team in dieser schwierigen Zeit gestemmt.«

»Wir haben in diesem Jahr Unternehmen und Projekte ausgezeichnet, die mit besonders kreativen Ansätzen bislang durch die Krise gekommen und damit beispielgebend für die gesamte Branche sind«, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) bei der Preisverleihung in der Potsdamer Staatskanzlei. Viele Urlauber aus Deutschland, die wohl zu Nicht-Corona-Zeiten eher ins Ausland gereist wären, hätten Brandenburg als Urlaubsland entdeckt. »Das war nur möglich, weil unsere touristischen Akteure nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern Ideen entwickelt haben, wie sie den Gästen auch in diesen schwierigen Zeiten schöne Stunden bereiten können«, so der Minister.

Viele Tourismusanbieter hatten darauf gesetzt, dass das auch so bleiben wird. Zumal Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zu Monatsbeginn wegen der Corona-Pandemie von weiten Reisen vor allem in Risikogebiete abgeraten und empfohlen hatte, zu Hause zu bleiben. »Die zweitbeste Variante ist, Urlaub in Brandenburg zu machen«, hatte er betont. Das am 9. Oktober in Brandenburg verfügte Beherbergungsverbot hatte die Branche alarmiert, das Tourismusnetzwerk Brandenburg hatte vor einem »falschen Symbol zur falschen Zeit« gewarnt. »Die jetzige Lage ist kaum noch zu vermitteln«, erklärte TMB-Geschäftsführer Dieter Hütte am Dienstag. Und auch der Landestourismusverband Brandenburg stellte das Verbot infrage.

Stephan Ruebsam profitiert von der Randberliner Lage Altlandsbergs. »Rund 80 Prozent unserer Gäste kommen aus der Umgebung und können abends wieder heimfahren«, sagt er. Aber das Verbot habe gerade viele Berliner tief verunsichert. Für ihn und seine Kollegen sei das jedenfalls schlecht.

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