Landtag im Schockdown

Wegen der Corona-Erkrankung von Ministerpräsident Woidke wurden alle Ausschusssitzungen abgesagt

  • Winfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.
Einen Tag, nachdem die Covid-19-Erkrankung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bekannt wurde, hat der Landtag sämtliche Veranstaltungen abgesagt oder verschoben, wie Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) mitteilte. Die vorgesehenen Sitzungen verschiedener Ausschüsse fielen aus.
Die Präsidentin empfahl in ihrem Schreiben an die Vorsitzenden der Fachausschüsse dringend, in Anbetracht der aktuellen Corona-Lage bis Jahresende Ausschusssitzungen nicht mehr als Präsenzsitzungen, sondern in Form von Videokonferenzen durchzuführen, allenfalls als Hybridsitzung. Bei solchen Hybridsitzungen sind nur wenige Vertreter im Raum, die anderen per Internet zugeschaltet.
In der kommenden Sitzung des Landtags soll zudem eine Änderung der Geschäftsordnung herbeigeführt werden, die Rechtssicherheit schaffen soll hinsichtlich der Anwesenheit, der Beschlussfähigkeit und der Durchführung von Abstimmungen in den Ausschüssen, die per Videokonferenz tagen. Bereits an diesem Donnerstag sollen geplante Ausschusssitzungen per Videokonferenz stattfinden.
Zu dieser Notbremse entschloss sich die Landtagspräsidentin, nachdem am Dienstag bekannt wurde, dass sowohl Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) als auch Landtagsvizepräsident Andreas Galau (AfD) sich mit dem Coronavirus infiziert haben (»nd« berichtete). Woidke hatte das Testergebnis am Dienstagmorgen erhalten. Nun führt Woidke die Amtsgeschäfte aus dem Homeoffice heraus. Im Kabinett hat der Ministerpräsident niemanden angesteckt, weder Innenminister Michael Stübgen (CDU) noch Finanzministerin Katrin Lange und auch nicht Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), die sich testen ließen.
Während Potsdam den politischen Betrieb herunterfährt, geht Berlin andere Wege. Dort sollte die Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag unabhängig vom Testergebnis des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) wie geplant stattfinden. Müller hatte sich am Dienstag in Selbstisolation begeben und auf Covid-19 testen lassen, da er am Sonnabend bei der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld mit Woidke zusammentraf. Müller hatte dann am Sonntag bei einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses eine Regierungserklärung abgegeben. Am Mittwoch kam Müllers Testergebnis. Demnach hat er sich nicht angesteckt. Der Regierende Bürgermeister verließ die Isolation.
Am BER begegnete Woidke unter anderem auch dem Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Schnelltests dieser beiden waren negativ. Zuständig für die Nachverfolgung der Kontakte Woidkes ist das Gesundheitsamt in Forst, wo der 59-Jährige mit seiner Familie lebt. Wie viele Personen insgesamt wegen der Corona-Infektion des Ministerpräsidenten in Quarantäne sind, ist bislang nicht bekannt. Allein in der Potsdamer Staatskanzlei sollen es fünf sein, darunter Regierungssprecher Florian Engels. Laut Engels hatte Woidke aufgrund erster Erkältungserscheinungen schon am Sonntag »keine Diensttermine mehr wahrgenommen und stets Abstand gehalten«. Bislang sei unklar, wo und bei wem er sich angesteckt haben könnte. Am Freitag hatte Woidke an einer Corona-Sondersitzung des Landtages teilgenommen. Deswegen wollen sich auch viele Abgeordnete testen lassen, die dort mit ihm zusammenkamen. Der Politiker hat die Corona-Warn-App installiert und laut Regierungssprecher Engels sein positives Testergebnis dort eingegeben. In einer E-Mail an die Staatskanzlei schrieb Woidke: »Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich habe leichte Erkältungssymptome. Ich hoffe auf einen milden Verlauf und wünsche Ihnen: Bleiben Sie gesund!« Woidke ist der erste deutsche Ministerpräsident, der sich mit dem Virus infiziert hat.

Landtagsvizepräsident Galau erkrankte nach einer Reise ins Krisengebiet Bergkarabach, wie AfD-Fraktionsgeschäftsführer Dennis Hohloch berichtete. Galau verlängere seine häusliche Quarantäne, in die er sich als Reiserückkehrer sofort begeben habe, »bis ich vom Gesundheitsamt grünes Licht bekomme«.

Brandenburg ist seit Montag flächendeckend Risikogebiet. In allen Landkreisen ist der Grenzwert von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen weit überschritten. Die Spannbreite reicht von 59,7 in der Uckermark bis 135,4 in Spree-Neiße. Für ganz Brandenburg liegt der Wert bei 86,2. Am Mittwoch meldete das Gesundheitsministerium 362 Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Es gab in diesem Zeitraum zwei neue Todesfälle. Seit dem 9. Juli hatte es in Brandenburg drei Monate lang keine Todesfälle gegeben, bevor die Zahl dann in der zweiten Welle der Pandemie von 173 auf inzwischen 215 stieg.

Aktuell sind 3443 Brandenburger an Covid-19 erkrankt, Tendenz steigend. 266 von ihnen liegen im Krankenhaus, 73 auf der Intensivstation, 34 werden beatmet. 609 von 814 Intensivbetten im Bundesland sind belegt. Die Landeskrankenhausgesellschaft hält die Lage vor allem im Vergleich zu Berlin noch nicht für dramatisch, zeigt sich aber besorgt. »Heute sehen wir die Fälle im Krankenhaus, die sich vor zwei Wochen angesteckt haben«, sagte Geschäftsführer Michael Jacob der »Märkischen Allgemeinen«. Mit dpa

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