Rekord bei den Neuinfektionen

Ministerpräsident spricht von »schwierigster und gefährlichster Situation« seit Beginn der Corona-Pandemie

  • Wilfried Neisse, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Die ab Dezember gültigen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus waren am Donnerstag der einzige Tagesordnungspunkt der Sondersitzung des Landtags. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von der »schwierigsten und gefährlichsten Situation« seit Beginn der Pandemie. Zur bitteren Wahrheit gehöre, dass die bisherigen Maßnahmen daran wenig geändert hätten. Immerhin habe der Zuwachs verlangsamt werden können, doch hätten die Neuinfektionen im Bundesland mit 629 am Donnerstag einen »traurigen Höchststand« erreicht. In den vergangenen beiden Tagen seien in Deutschland jeweils rund 400 Menschen am Coronavirus oder mit einer Infektion gestorben.

Woidke legte die verschärften Isoliermaßnahmen dar und nahm dazu Stellung, dass die Ausnahmen zum Weihnachtsfest dazu im Widerspruch stehen. Dass sich zu Weihnachten Menschen aus mehr als zwei Haushalten privat treffen dürfen, sei »vielleicht nicht sinnvoll« und stelle zweifellos »ein zusätzliches Risiko dar«, sagte der Ministerpräsident. Daher rate er allen Brandenburgern, wenn möglich in der Zeit zuvor Kontakte zu vermeiden. »Wir kommen in die entscheidenden Tage« sagte der Regierungschef. Eine Überlastung auch des Gesundheitswesens in Brandenburg könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Woidke verwies auf Berichte aus den Krankenhäusern über zunehmend schwierige Verläufe der Erkrankung. Immerhin bestehe die Hoffnung, dass noch im Dezember mit der Lieferung eines Impfstoffes gerechnet werden könne.

SPD-Fraktionschef Erik Stohn verglich die gegenwärtige Lage mit einem täglichen Flugzeugabsturz. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt sprach hingegen von einer Fallsterblichkeit von 0,1 Prozent. (Das heißt, es treffe nur jeden tausendsten Infizierten.) »Welchen Sinn soll diese Sondersitzung haben?«, fragte Berndt mit Blick darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten die verhängten Maßnahmen ohnehin beschlossen haben. Was der Landtag mit der Sondersitzung biete, offenbare das Selbstverständnis der DDR-Volkskammer und erinnere an ein Parlament der FDJ, schimpfte Berndt. Danach verließ die AfD-Fraktion demonstrativ den Plenarsaal. »Wir wollen ein Zeichen setzen«, hieß es.

Die AfD zeigte dazu auch zwei Plakate, auf denen groß »Scheindebatte« stand. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke erteilte dafür den Abgeordneten Dennis Hohloch und Lars Günther einen Ordnungsruf. Wenn die AfD vor der Beratung der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten eine Debatte gewünscht hätte, dann hätten sie diese Debatte beantragen können, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. »Ein solcher Antrag ist nicht eingegangen.« Redmann warnte vor einer zu beobachtenden Nachlässigkeit beim Tragen von Masken in Arztpraxen. Vor allem bei über 80-Jährigen, bei denen die Krankheit oft einen gefährlichen Verlauf nehme, sei die Zahl der Ansteckungen stark gestiegen. Den Vorschlag von Linksfraktionschefin Kathrin Dannenberg, jede Woche alle Lehrer und Schüler zu testen, lehnte Redmann als unsinnig ab - »keine Privilegien«. Er empfahl der Abgeordneten, »nicht den Interessenvertretern zum Munde zu reden.«

Entschieden widersprach Redmann den Vorschlägen von Pèter Vida von den Freien Wählern. Der hatte dazu geraten, Hotels, Gaststätten, Kinos, Zoos und Konzerthallen unter gebotenen Auflagen die Öffnung wieder zu gestatten. Wenn sie weiter geschlossen bleiben, würden mehr private Treffen stattfinden, argumentierte Vida, und dafür gebe es keine Hygienekonzepte. Vida kritisierte den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU), der Panik verbreite und vom »härtesten Weihnachten« spreche, das die Nachkriegsgeneration je erlebt habe. Ministerpräsident Woidke hebe sich da positiv ab.

Linksfraktionschefin Dannenberg wies die Kritik der CDU zurück. Sie werde sich ihre Meinung auch in Zukunft nicht verbieten lassen. Es werde längst nicht alles getan, um auf die Ansteckungsgefahr an den Schulen zu reagieren. »Im Wesentlichen lassen Sie die Schulen alleine. Die Landesregierung muss hier aktiv werden«, rügte die Politikerin. Mit dem Anspruch, überfüllte Schulbusse zu vermeiden, dürften die Landkreise ebenfalls nicht allein gelassen werden. »Wir dürfen nicht warten, bis die Hütte brennt.«

In der Gruppe der jungen Erwachsenen seien die Infektionszahlen tatsächlich rückläufig, sagte Dannenberg. Ein Riesenproblem sei dagegen die Lage in den Alten- und Pflegeheimen. »Knapp ein Viertel der dort Infizierten wird die Krankheit wohl nicht überleben.« Zum Auszug der AfD-Fraktion bemerkte Dannenberg, dass die NSDAP 1932 den Reichstag verließ, weil sie in einer Einzelfrage nicht ihren Willen durchsetzen konnte. »Die AfD steht in dieser Tradition. Sie ist eine Gefahr für unsere Demokratie.«

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