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Gut gewappnet für die zweite Chance
Grünheide plant seine Zukunft mit Tesla als Nachbar
Am Dienstag entscheidet sich möglicherweise, ob oder wie schnell sich die Gemeinde Grünheide (Mark) im Landkreis Oder-Spree in die Zukunft aufmacht. Denn am 15. Dezember liegt der Gemeindevertretung die Änderung des Bebauungsplans Nr.13 »Freienbrink - Nord« zur Beschlussfassung vor. Es geht dabei im Grunde darum, ob die Mitglieder den Weg freimachen für die Verbesserung der Verkehrsanbindung des 300 Hektar großen Industriegeländes, das das US-Unter᠆nehmen Tesla 2019 erworben hat, und auf dem es eine Fabrik für Elektroautos erbaut.
Es soll Teslas erste »Gigafactory« in Europa werden, ab Juli 2021 sollen dort bis zu 500 000 Pkw pro Jahr vom Band laufen. 12 000 Menschen würden schon bald Arbeit in Grünheide finden. Bis zu 40 000 Arbeitsplätze könnten in der letzten Ausbaustufe entstehen. Und seit wenigen Wochen steht auch noch die Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk im Raum, am Standort zudem die womöglich weltgrößte Batteriefabrik aufzubauen, die für die Autos Akkus einer neuen, viel leistungsfähigeren und umweltfreundlicheren Generation als bisher produzieren soll.
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Was für eine Chance für die Zukunft dieser Region, findet Bürgermeister Arne Christiani (parteilos). »Das ist wie ein Sechser im Lotto«, betont er im Gespräch mit »nd«. Auf demselben Areal hatte die Gemeinde vor 20 Jahren eine Autofabrik von BMW ansiedeln wollen und war mit ihrer Bewerbung gescheitert, auch weil es damals viel Widerstand in der Öffentlichkeit gab. Am Ende ging BMW nach Leipzig. Die zweite Chance, die sich nun auftut, will der Bürgermeister nicht verpassen.
»Damals, als die mögliche Ansiedlung von BMW im Raum stand, hat die Gemeinde Grünheide diesen Bebauungsplan in Auftrag gegeben und einstimmig beschlossen. Zeitgleich hat sie die Entlassung aus dem Landschaftsschutzgebiet beantragt, was ja dann auch passiert ist«, so Christiani. Leuten, die heute das Tesla-Projekt unter Verweis auf Landschafts- und Artenschutz attackieren, hält er entgegen: »Dieser Plan hängt hier an der Wand, seit ich 2003 dieses Büro bezogen habe. Die dort ausgewiesene Fläche ist identisch mit der, die für BMW vorgesehen war.«
Seit 2004, nach der Absage von BMW, kämpft die Gemeinde laut Christiani darum, diese Industriefläche zu entwickeln, um sicherzustellen, dass dort eines Tages hochwertige Arbeitsplätze entstehen können. Die Gemeinde Grünheide, zu der seit 2003 auch die Ortsteile Hangelsberg, Kagel, Kienbaum, Mönchwinkel und Spree gehören, liegt in einer grünen, gewässerreichen Ausflugsregion. »Wir haben durch die verpasste BMW-Ansiedlung gelernt, wie Großinvestoren ticken und wo sie Schwerpunkte sehen«, sagt der Bürgermeister. Statt um Grundstückspreise, Gewerbe- und Grundsteuern gehe es denen oft eher um die sogenannten weichen Standortfaktoren, um Wohnen, Kitas und Schulen, Kultur, Sport, Freizeit. »Wir haben in jedem Ortsteil eine Feuerwehr behalten, einen Jugendclub und mindestens eine Kindertagesstätte«, sagt Christiani. Statt der maroden kommunalen Grundschule gebe es jetzt eine Ganztagsschule mit angegliederter privater Oberschule und privatem Gymnasium. Man könne hier von der Kinderkrippe bis zum Abitur alles machen, es gebe hervorragende Ausbildungsbetriebe, und ringsum könne man studieren. Doch um sich danach eine Existenz aufbauen zu können, sind Generationen junger Leute fortgezogen. »Jetzt haben wir die Chance, dass sie hierbleiben.«
Tesla ist als Investor und Hightech-Pionier in der Region höchst willkommen. Brandenburg und Berlin, aber auch der Bund unterstützen die Ansiedlung nach Kräften. Der Autobauer weiß zudem die gute Verkehrsanbindung und das Standortumfeld mit seinen Firmen der Automotive- und verwandter Branchen, Forschungs- und Entwicklungszentren und dem Hauptstadtairport BER zu schätzen. Und die gut ausgebildeten Arbeitskräfte.
Es ist beieindruckend, was Tesla seit dem Frühjahr am Rande der Autobahn A10 zwischen Freienbrink und Erkner aus dem Boden gestampft hat. Zahlreiche Gebäude und Produktionshallen der künftigen Automobilfabrik sind bereits rohbaufertig. Seit einer Woche streiten Umweltverbände und Landesumweltamt vor Gericht um dessen erteilte Genehmigung, 82 Hektar Kiefernwald auf dem Gelände zu roden - es geht um Artenschutz, zielt aber vor allem auf die noch ausstehende umweltrechtliche Gesamtgenehmigung für die Fabrik. Den Bau verhindern wird das wohl nicht. Gerade hat der Einbau der Gebäudetechnik und der Ausrüstungen in die künftige Lackiererei begonnen. Atemberaubend schnell kommt der Bau voran.
Grünheides Bevölkerung ist seit 1992 maßvoll von 5200 Einwohnern auf derzeit knapp 9000 gewachsen. Viel mehr als 12 000 werden es in den nächsten Jahren kaum werden, so der Bürgermeister. Bei weitem nicht alle künftigen Tesla-Mitarbeiter werden hier wohnen. Experten haben errechnet, dass 51 Prozent von ihnen aus Berlin ins Werk pendeln dürften, 40 Prozent aus Brandenburg, darunter vielleicht ein Zehntel aus der Nachbarschaft. Acht Prozent der Beschäftigten könnten aus Polen kommen. Es ist damit zu rechnen, dass bis zu zwei Drittel der Pendler das eigene Auto nutzen.
Laut Bürgermeister Christiani beginnt 2021 auf der A10 bei Erkner die »Betonkrebs«-Sanierung der Fahrbahn. Spätestens dann kommt das Verkehrssystem rund um das Tesla-Werk an seine Grenzen. Und so ist es nun an der Gemeindevertretung, die rechtlichen Grundlagen für den rasch notwendigen Ausbau zu schaffen. Das Land hat signalisiert, die vollen Kosten zu übernehmen, und Tesla will eine temporäre eigene Autobahnausfahrt selbst finanzieren. Dennoch ist der Ausgang offen. Der Rathauschef findet: »Wer A sagt, der muss nun auch T wie Tesla sagen.«
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