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Demokraten vor Mehrheit im US-Senat

Enges Rennen um zwei Senatsmandate in US-Bundesstaat - Auszählung läuft noch

  • Lesedauer: 6 Min.

Atlanta. Die Demokraten des künftigen US-Präsidenten Joe Biden können sich bei entscheidenden Stichwahlen über die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat Hoffnungen auf mindestens einen Sitz machen. Die Ergebnisse der beiden Stichwahlen im Bundesstaat Georgia waren aber zunächst nach Beginn der Auszählung der Stimmen zu knapp, um Sieger auszurufen.

Am frühen Mittwochmorgen lag der Demokrat Raphael Warnock mit 50,5 Prozent der Stimmen vor der republikanischen Amtsinhaberin Kelly Loeffler, die 49,5 wie die Sender CNN und Fox News berichteten. Warnock zeigte sich siegesgewiss und versprach: »Ich gehe in den Senat, um für ganz Georgia zu arbeiten.« Er habe die Wahl gegen die republikanische Amtsinhaberin Loeffler gewonnen. Am frühen Mittwochmorgen gab es dann einen »race call« von mehreren großen Fernsehsendern, die erklärten Warnock habe gewonnen.

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Noch knapper verlief das Rennen zwischen dem Demokraten Jon Ossoff und dem bisherigen republikanischen Amtsinhaber David Perdue, bei dem es annähernd zu einem Gleichstand kommt: Nach Auszählung der Stimmen lag Perdue Dienstagnacht zunächst vorne. Nach Auszählung Tabulierung von rund 4,4 Millionen oder rund 98 Prozent der Stimmen am Mittwochmorgen ging aber Ossoff mit rund 9000 Stimmen oder rund 0,2 Prozentpunkten in Führung.

Ossoff ist Favorit, weil die verbleibenden Stimmen eher aus demokratisch geprägten Bezirken kommen. Das Ergebnis bei diesem Rennen könnte sich allerdings verzögern: In Georgia hat der unterlegene Kandidat das Recht, eine Neuauszählung einzufordern, wenn sich der Abstand der Stimmenzahl zum Sieger auf 0,5 Prozent oder weniger beläuft.

Vom Ausgang der beiden Stichwahlen hängt ab, ob die Demokraten doch noch die Kontrolle über den Senat erringen können. Den Republikanern des abgewählten Präsidenten Donald Trump reicht ein weiterer Sitz, um die Mehrheit in der Parlamentskammer knapp zu behalten. Die Demokraten müssen beide Sitze erobern, um de facto die Kontrolle zu erlangen. Dann käme es in der Kammer zu einem Patt, das die künftige US-Vizepräsidentin Kamala Harris - die zugleich Präsidentin des Senats ist - mit ihrer Stimme auflösen könnte.

Der Senat bestätigt unter anderem Kandidaten des Präsidenten für hohe Regierungsposten oder das Oberste Gericht und kann Gesetzesvorhaben blockieren. Der künftige Präsident Biden könnte seine Ziele erheblich leichter verwirklichen, wenn die Demokraten nicht nur im Repräsentantenhaus, sondern auch im Senat eine Mehrheit hätten. Dort verhindert der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell bislang eine Abstimmung über mehr als 400 Gesetzte, die die Demokratenmehrheit im Repräsentantenhaus in den letzten beiden Jahren beschlossen hat. Die linke Demokraten-Abgeordnete Rashida Tlaib jubelte in einer Twitter-Botschaft am Mittwochmorgen: »Wir haben Mitch aus dem Weg geräumt«.

Biden soll am 20. Januar vereidigt werden. Zwei Wochen vor der Vereidigung steht am Mittwoch der wohl letzte große Showdown im Gezerre um den Ausgang der Präsidentenwahl an. Bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat (ab 19 Uhr MEZ) soll das Wahlergebnis endgültig bestätigt werden. Zahlreiche republikanische Abgeordnete und Senatoren planen aber - angetrieben durch unbelegte Betrugsbehauptungen Trumps - eine Störaktion, die für parteiinterne Verwerfungen sorgt und die formalen Abläufe erheblich in die Länge ziehen dürfte.

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Trump hatte die Präsidentenwahl Anfang November mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Biden verloren. Trump weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Er behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder Trump noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Mehrere Dutzend Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht. Die Wahlleute aus den Bundesstaaten haben Bidens klaren Sieg bestätigt. Der Demokrat kam auf 306 der 538 Stimmen - 36 mehr als erforderlich. Für Trump stimmten 232 Wahlleute.

Im formalen Nach-Wahl-Prozedere der USA ist vorgeschrieben, dass die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten im Kongress verlesen, gezählt und am Ende bestätigt werden müssen. Dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat. Es ist der Endpunkt eines langen formalen Aktes vor der Vereidigung eines neuen Präsidenten.

Üblicherweise ist es eine Formalie. Diesmal sind jedoch massive Verzögerungen und Turbulenzen zu erwarten. Republikaner aus beiden Kongresskammern haben angekündigt, bei der Prozedur Einspruch gegen Resultate einzelner Staaten einzulegen. Aus dem Repräsentantenhaus könnten sich nach internen Schätzungen mehr als 100 Abgeordnete beteiligen, sekundiert von mindestens 13 Republikanern aus dem Senat.

Jeder Einspruch muss schriftlich eingereicht werden - von mindestens einem Abgeordneten aus dem Repräsentantenhaus und mindestens einem Senator. Damit lässt sich erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um die Einwände zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht. Das Prozedere könnte sich nach deutscher Zeit bis weit in den Donnerstag ziehen.

Die Störaktion hat keine Aussicht darauf, etwas am Wahlausgang zu ändern. Beide Kongresskammern müssten einem Einspruch gegen ein Ergebnis zustimmen, was angesichts der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus als ausgeschlossen gilt. Die Aktion dürfte die Abläufe aber immens stören und viel Aufmerksamkeit für Trumps unbelegte Betrugsbehauptungen schaffen. Parallel sind tagsüber Proteste von Trump-Anhängern in Washington geplant, bei denen sich der abgewählte Präsident direkt an seine Unterstützer wenden will.

Die Demokraten kritisierten die geplante Störaktion im Kongress als zutiefst undemokratisch. Aber auch in der Republikanischen Partei stößt das Vorhaben auf viel Kritik. Die republikanische Führung im Senat hatte sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen. Diverse hochrangige Republikaner werteten das Vorhaben als gefährlich.

Geleitet wird die Sitzung vom amtierenden US-Vizepräsidenten Mike Pence. Trump hatte zuletzt öffentlich Druck auf seinen Stellvertreter gemacht, in dieser Rolle einzugreifen und sich dort für ihn einzusetzen. Der Vizepräsident habe die Befugnis, auf betrügerische Weise ausgewählte Wahlleute abzulehnen, schrieb Trump am Dienstag auf Twitter. Das Gesetz sieht für Pence bei der Zusammenkunft jedoch lediglich eine zeremonielle Rolle vor.

In Georgia erwartete der oberste Wahlaufseher des Bundesstaats, Brad Raffensperger, mehr Klarheit über den Ausgang der Stichwahlen am Mittwochmittag (Ortszeit/abends MEZ). »Es ist sehr eng«, sagte Raffensperger CNN. »Hoffentlich haben wir bis zum Mittag eine bessere Vorstellung davon, wo wir uns befinden.«

Die Stichwahlen haben laut Raffensperger eine Vielzahl Wähler mobilisiert. Schätzungsweise hätten mehr als 4,5 Millionen Menschen abgestimmt. »Das ist eine sehr, sehr hohe Wahlbeteiligung«, sagte er. An den Wahlen am 3. November hatten sich knapp 5 Millionen Menschen in Georgia beteiligt. Damals standen parallel zur Präsidentenwahl auch etwa ein Drittel der Senatssitze zur Abstimmung. In Georgia erreichte im ersten Durchgang jedoch keiner der Senatskandidaten die nötige absolute Mehrheit, weshalb es zu den Stichwahlen kam. Agenturen/nd

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