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Der letzte große Schluck aus der Pulle

Der Chef von Brandenburgs Förderbank ILB fordert Auslaufen der Soforthilfen

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Investitions- und Landesbank Brandenburg ILB im Coronajahr ist der Vorstand stolz. Das wurde am Donnerstag bei der Präsentation der ILB-Jahresbilanz 2020 in Potsdam deutlich. Dabei verwies Vorstandschef Tillmann Stenger darauf, dass ein Drittel der Mitarbeiter monatelang allein mit der Bearbeitung der Corona-Hilfen beschäftigt gewesen sei, für die es inzwischen das sechste Programm gebe. Die Lösung dieser Zusatzaufgabe erkläre auch höhere Personalkosten der landeseigenen Bank.

Über diese Programme seien rund 64.000 Unternehmen und Soloselbstständige mit 579 Millionen Euro unterstützt worden, so Stenger. Die dadurch zeitweilig aufgetretenen Rückstände bei der Bearbeitung der übrigen Programme seien jedoch in der zweiten Jahreshälfte fast vollständig aufgeholt worden. »Solidität und Geschwindigkeit« hätten unter einen Hut gebracht werden müssen. Das sei im Großen und Ganzen gelungen.

Mit dem nun anstehenden Unternehmer-Hilfsprogramm 3 werden erneut Unterstützungsanträge in fünfstelliger Anzahl auf die Bank zukommen, schätzte der Vorstandschef der Förderbank. Gegenüber den früheren Corona-Programmen weise es deutliche Verbesserungen auf. Für Stenger ist nun aber langsam Schluss mit der Politik der üppigen Geldverteilung. »Das muss dann der letzte große Schluck aus der Pulle gewesen sein, es kann nicht so weitergehen, die öffentlichen Haushalte kommen an ihre Grenzen«, sagte er. Mit Covid-19-Impfprogramm werde hoffentlich auch Brandenburgs Wirtschaft »wieder in ruhigeres Fahrwasser« kommen.

Derzeit kümmere sich die ILB um die gesetzeskonforme Auszahlung der November- und Dezemberhilfen. Die zahlreichen Klagen über Verzögerungen nehme man sehr ernst und tue alles, um diese schnellstmöglich aufzuarbeiten, beteuerte das zuständige Vorstandsmitglied Kerstin Jöntgen.

Mit rund 100 Förderprogrammen lief 2020 auch das normale Geschäft der Bank weiter, erläuterte der Vorstandsvorsitzende Stenger. Für knapp 5600 Projekte seien 1,7 Milliarden Förder-Euro zugesagt worden. Sie flossen in die Innovations- und Technologieförderung, in Unternehmensinvestitionen, die wirtschaftsnahe Infrastruktur und in den Neubau preisgebundener Mietwohnungen. Trotz Corona habe es im vergangenen Jahr ein »überraschend starkes Gründungsgeschehen« gegeben. 165 Gründerinnen und Gründer seien mit insgesamt 11,4 Millionen Euro unterstützt worden. »Weitere 11,4 Millionen kamen an Beteiligungskapital hinzu.« Im Jahr 2021 rechnet die ILB mit einem Zusagevolumen von 1,1 Milliarden Euro. Vorstandmitglied Jöntgen: »Wir stehen als ILB bereit, um der brandenburgischen Wirtschaft weiter durch diese schwere Zeit zu helfen.«

Auf die Frage, welchen Einfluss die Finanzpolitik von EU, Bund und Ländern in Corona-Zeiten auf die Stabilität des Euro haben werde, sagte Stenger, er gehe weiterhin von einer Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) aus. Das gestatte den hoch verschuldeten Ländern auch künftig, ihren Kredit- und Zinsverpflichtungen nachzukommen. Was Deutschland in der Corona-Pandemie an Neuverschuldung eingehe, »kann man vertreten«.

Die nun offenbar für Unternehmen bis Ende April ausgesetzte gesetzliche Pflicht, eine drohende Insolvenz umgehend anzuzeigen, kann laut Stenger »nicht ewig« fortgesetzt werden. Natürlich verringere das erst einmal die Konkurszahlen, die demnach 2020 erstaunlich niedrig gewesen seien. Auf der anderen Seite gebe es Folgewirkungen im Geschäftsleben. Geschäftspartner »schwach aufgestellter« Firme zeigten sich zunehmend verunsichert. »Auf Dauer darf man so etwas nicht machen«, warnte Stenger. Für ihn sei Ostern diesbezüglich ein wichtiger Zeitpunkt vor allem für die Gastronomie und die Eventwirtschaft, um »die drohenden Insolvenzen gerade in diesem Bereich noch abwenden zu können«. Sehr viel hänge davon ab, dass nach der Winterpause von diesem Zeitpunkt an ein Durchstarten wieder möglich sei. »Bis dahin sind die Reserven wohl aufgebraucht.«

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