Hessen soll Schutz bezahlen

Gutachten: bedrohte Anwältin Seda Başay-Yıldız hat Anrecht auf Kostenübernahme

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit mehr als zweieinhalb Jahren erhält die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız Drohschreiben mit dem Absender »NSU 2.0«. Die letzte Morddrohung stammt von Mitte Februar - da wurde bekannt gegeben, dass die Juristin den Ludwig-Beck-Preis der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden für besondere Zivilcourage bekommen soll. Die Daten der Juristin waren ursprünglich von einem Polizeicomputer in Frankfurt am Main abgefragt worden.

Die verantwortlichen Beamten sind jedoch bis heute nicht identifiziert. Die Anwältin hatte ihre Privatwohnung aufgrund der anhaltenden Bedrohung für rund 5000 Euro sichern lassen. Die hessischen Behörden lehnten jedoch ihre Forderung auf Erstattung des Betrages ab. Zuletzt gab es einen öffentlichen Streit um die Übernahme der Kosten.

Laut einem juristischen Gutachten hat Başay-Yıldız aber sehr wohl Anspruch darauf, dass das Land Hessen die Kosten für ihren Schutz übernimmt. Das geht aus einem Gutachten des Juraprofessors Günter Frankenberg hervor, der dieses im Auftrag der Anwältin erstellt hat. Die »Frankfurter Rundschau« hatte am Dienstagabend zuerst darüber berichtet. Demnach besteht für Başay-Yıldız ein »Amtshaftungsanspruch« für den »rechtswidrigen und schuldhaften Abruf persönlicher Daten durch Amtsträger von einem polizeilichen Computer« während der Dienstzeit. Dessen Höhe bemesse sich daran, dass das LKA die Rechtsanwältin als »gefährdete Person« einstufte und zu ihrer und der Sicherheit ihrer Familie »›flankierende Schutzmaßnahmen‹ anordnete, die sich auf über 5000 Euro beliefen«.

Das hessische Innenministerium hatte zuvor erklärt, dass eine sorgfältige Prüfung der Sicherheitslage stattgefunden habe. Die Anwältin werde durch Beamte des LKA eng betreut. »Nein, die Beamten sind nicht Tag und Nacht für mich erreichbar«, schrieb Basay-Yildiz daraufhin auf Twitter. Sie bezeichnete den hessischen CDU-Innenminister Peter Beuth und Landespolizeipräsident Roland Ullmann als »fachlich wie auch sozial inkompetent«. Beide würden dem Ansehen der Polizei und dem Rechtsstaat schaden.

Auch aus der Politik gab es in den vergangenen Tagen harsche Kritik. »Niemand, der klar denkt, kann das Verhalten von Innenminister Peter Beuth und Landespolizeipräsident Roland Ullmann nachvollziehen«, erklärte Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im hessischen Landtag. Das nun vorgelegte Gutachten bestätige eindeutig das Amtshaftungsprinzip nach Artikel 34 des Grundgesetzes. »Dem kann sich nun auch der Innenminister nicht so einfach entziehen«, konstatiert Schaus. Die Linke erwarte, dass das Land die notwendigen Kosten übernimmt. Seine Fraktion werde das auch auf der nächsten Innenausschusssitzung am 25. März zum Thema machen.

Schaus weist weiterhin auf die fehlende Aufklärung sowie die Rolle der hessischen Polizei bei der Drohbriefserie hin. »Wenn das erste Drohschreiben nur kurze Zeit nach der illegalen Polizeiabfrage eingegangen ist, dann ist der Zusammenhang doch offensichtlich«, findet der Politiker. Beuths »Ignoranz und Empathielosigkeit« werde nur noch von seiner Erfolglosigkeit bei der Aufklärung der NSU-2.0-Affäre übertroffen. »Wir erwarten nach zweieinhalb Jahren Ermittlungsarbeit endlich Ergebnisse«, fordert Schaus.

Başay-Yıldız kritisierte auf Twitter, dass den hessischen Grünen der Fall »egal« sei. »Weiter so, aber bitte nicht gegen rechts wettern, denn das glaubt Euch kein Mensch mehr«, schrieb die Anwältin.

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