Globalisierung in der Antike

Was wäre, wenn ... Alexander der Große nicht so früh gestorben wäre

Welchen Verlauf hätten geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen genommen mit einem anderen Mann oder einer anderen Frau an der Spitze, welche Alternativen gab es in den diversen Epochen?

323 v. u. Z. ist Alexander wieder in Babylon. Großes hat er vor. Quintus Curtius Rufus (2. Jahrhundert u. Z.) schreibt: Der in seinen Plänen maßlose Makedone und jetzt Großkönig sei »entschlossen, nach der Unterwerfung des ganzen nach Osten liegenden Küstenlandes von Syrien aus nach Afrika zu segeln, um gegen Karthago Krieg zu führen, dann die Wüsten Numidiens zu durchziehen und den Weg nach Gades einzuschlagen. Dort nämlich, wie die Sage erzählte, befanden sich die Säulen des Herkules. Dann wollte er Spanien besuchen, das die Griechen nach dem Fluss Iberos Iberien nannten, und an den Alpen und der Küste Italiens vorübersegeln, von wo es nur eine kurze Fahrt bis Epiros ist.« Die gesamte damals bekannte Oikumene wäre damit umrundet, der Kreis von Makedonien, über Persien nach Mittelasien, über den Hindukusch ins Pundjab, den Indus abwärts, zurück zum Euphrat, weiter west- und erneut ostwärts geschlossen worden. Der Historiker Arrian (2. Jahrhundert u. Z.) behauptet gar, dass Alexander sich nicht begnügt hätte, »auf dem bereits Gewonnenen ruhig sitzen zu bleiben, auch wenn es ihm gelungen wäre, Europa und Asien zu vereinen und an Europa wiederum die britischen Inseln anzuhängen. Stets hätte er darüber hinaus nach Neuem, Unbekanntem gesucht ...« Nach den damaligen Vorstellungen war für Alexander die Erde eine vom Ozean umspülte Scheibe. Der Indus mündet in diesen Ozean, aber ostwärts des Flusses, das hatte er erfahren müssen, lag eine weitere, von einem großen Strom - dem Ganges - durchzogene Landmasse. Viel Land existierte auch nördlich des Jaxartes (Syr Darja), der wie auch der Oxus (Amu Darja) seine Wasser - so dachte man - ins Kaspische Meer leitete, das allem Anschein nichts anderes als eine Ausstülpung des Weltozeans war. Ähnlich verhielt es sich mit den Gebieten nordwärts der Donau. Der Nil wiederum floss, ehe er sich in Richtung des Mittelmeeres wandte, an der südlichen Erdscheibe (Libyen/Afrika) entlang, die bei den Säulen des Herkules (Gibraltar) ihr Ende hatte. Von da an umschlang der Ozean Europa. Die in weiten Teilen noch unerforschte Weltscheibe war das Ziel der Entdeckungslust und des Herrschaftswillens Alexanders. Noch auf dem Wege nach Babylon hatte Alexander angewiesen, im Libanon Holz zu fällen, es nach der Stadt Thapsakos am Euphrat zu schaffen, dort 700 Schiffe auf Kiel zu legen und diese dann flussab nach Babylon zu bringen. Angelangt in Babylon, ließ er ein großes Hafenbecken für die neue Flotte ausheben. Zur gleichen Zeit schickte er Zimmerleute nach Hyrkanien, ebenfalls zum Holzeinschlag und Schiffsbau, denn eine Expedition sollte das Kaspische Meer befahren und nach einer Verbindung zum Ozean suchen. Seit aber der Küstenabschnitt vom Indus bis zur Mündung von Tigris und Euphrat erkundet worden war, galt das besondere Augenmerk Alexanders Arabien. Seine visionären maritimen Vorstellungen richteten sich zuerst auf die, wenn möglich, Einrichtung einer festen Seeverbindung vom Persischen Golf, dann die südliche Küste Arabiens entlang, das Rote Meer hinauf und über eine Verbindung zum Nil bis nach Alexandria, später auch auf die Umrundung Afrikas von Osten her. Dazu musste die arabische Küste mit ihren Häfen und Wasserstellen beherrscht werden. Das wiederum schloss, sollte das Ganze von Bestand sein, die Eroberung Arabiens ein. Zu diesem Zwecke zog Alexander ein größeres Landheer im Süden Mesopotamiens zusammen. Der Aufenthalt in Babylon diente neben der Ordnung der Reichsangelegenheiten auch dem diplomatischen Verkehr. Alexander empfing eine Vielzahl von Gesandtschaften: aus Libyen, Karthago, aus Etrurien und Äthiopien. Vertreter griechischer Städte ehrten ihn mit goldenen Kränzen. Auch die Römer scheinen Gesandte geschickt zu haben. Anfang Juni 323 v. u. Z. erkrankte Alexander. Es wird die Malaria gewesen sein, die ihn zu Boden warf. Ständige Trinkgelage schwächten seinen Körper zusätzlich. Trotzdem ging er seinen Herrscherpflichten nach, legte die Termine für den Beginn des Arabienfeldzuges fest, klärte Personalfragen und opferte regelmäßig den Göttern. Am neunten Tag zogen seine Soldaten am Lager des Todkranken vorbei. Doch dann geschah das unfassbare Wunder. Alexander gesundete und arbeitete mit gewohntem Elan an der Verwirklichung seiner Pläne. Arabien wurde in einem schwierigen Feldzug unterworfen. Die Umschiffung der Halbinsel glückte. Alexandria, wohin die Hauptstadt des Reiches verlegt worden war, wurde zum Tor für einen florierenden Süd-Ost-Handel. Alexanders makedonisch-persische Heere eroberten Schritt für Schritt den westlichen Mittelmeerraum, einschließlich Galliens, und machten den Rhein und die Donau zur vorläufigen Nordgrenze seines Reiches, das jetzt auch die gesamte Schwarzmeerregion und den Kaukasus umfasste. Mit Rom gemeinsam nahm er Italien in Besitz. Alexanders erstaunliche Erfolge führten sich auf jene Prinzipien der Reichsorganisation zurück, die er nach der Schlacht bei Gaugamela (331 v. u. Z.) und dem Tod Dareios III. (Juli 330 v. u. Z.) gegen makedonischen Widerstand durchgesetzt hatte: Verständigung mit den Besiegten und nicht Konfrontation, Kontrolle der Provinzstatthalter, Völkervermischung auf der Ebene der Reichsadministration und im Heer. Obwohl viele Makedonen zur Reichsspitze gehörten, war die Trennlinie zwischen oben und unten im Reich nicht rein ethnischer, sondern vornehmlich sozialer Natur. Mit der Gründung von Städten nach griechischem Muster stabilisierte er das Reich weiter. Lokale Aufstände blieben zwar nicht aus, wurden aber schnell niedergeschlagen und angesichts der Vorteile, die ein sicheres, auf wirtschaftliche Prosperität und inneren Frieden gerichtetes Reich bot, immer weniger. Alexander starb, 32 Jahre jung, am 13. Juni 323 v.u.Z. Aus den Kämpfen um sein Erbe ging die Partei der Separatisten als Sieger hervor. Alexanders Reich zerfiel in vier Reiche: das der Ptolemäer mit dem Kernland Ägypten, das Reich der Seleukiden mit Syrien, das Reich der Antigoniden um Makedonien, und das Reich der Attaliden (Pergamon) in Kleinasien. Nacheinander wurden sie Opfer der römischen Expansionspolitik und Teil des Imperium Romanum. Alexander war mit seiner globalen Reichsvariante Cäsar, Augustus und Trajan vorausgegangen. Er und die anderen hellenistischen Herrscher hatten den Boden für die römische Globalisierung des Mittel- und Schwarzmeerraumes, Kleinasiens, des Nahen Ostens und Teilen Europas vorbereitet. Alexanders Tod hatte...

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