Das »Schmuckkäst'l« wird abgerissen

BVG lässt Ladenpassagen unter dem Alexanderplatz umbauen und erhöht drastisch die Mieten

  • Bärbel Hohenwaldt
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
In den unterirdischen Ladenpassagen am U- und S-Bahnhof Alexanderplatz ist Veränderung im Gange. Passanten, die hier regelmäßig vorbeikommen, wird es aufgefallen sein: Mit den Umbauarbeiten der BVG verschwanden bereits im letzten Februar die ersten kleinen Läden: Hot Dog, russische Produkte, türkisches Gemüse, der Blumenladen, Wiener Feinbäckerei. Demnächst werden der Strumpfladen, Schlüsseldienst und Ost-Produkte folgen. Die Vorstellungen der Geschäftsinhaber über die Zukunft ihrer Läden sind vage. Die meisten werden wohl nach dem Umbau aufgeben, denn die Mieten werden für sie nach Ende der Bauarbeiten erheblich erhöht.
Ein »Überlebenskünstler« ist »Ellenberger's Schmuckkäst'l«. Seit 1954 betreibt die Familie Ellenberger ihr Geschäft in den Ladenpassagen. Die veränderten wirtschaftlichen Spielregeln ab 1989 konnten ihnen nichts anhaben: Zu speziell und nicht austauschbar war ihr Verkaufstil, zu eng gewachsen ihr Verhältnis zu den Kunden. Ende 1999 gingen Hansi und Käthe Ellenberger in den Ruhestand. Seitdem führt ihr Sohn Uwe das Geschäft in dritter Generation weiter. Die Serviceleistungen sind noch immer gefragt, die Preise seit 1990 weitgehend stabil.
Die Sanierung mit ihren Auflagen geht aber auch an dem gelernten Goldschmied Uwe Ellenberger nicht vorbei: »Mein Geschäft soll jetzt durch die BVG abgerissen werden. Und das, nachdem mehr als fünf Jahrzehnte Denkmalschutz bestanden hat und wir weder ein Loch in die Wand bohren, noch das Geschäft von außen werterhaltend streichen durften. Jetzt, da viele Entscheidungen als "Gesetz über den Bürokratieabbau" verkauft werden, heißt es, was innerhalb von vier Wochen nicht verboten ist, gilt als genehmigt.«
Der Abriss seines Ladens ist bereits beschlossen. Inzwischen weiß er, dass an Stelle von »Ellenberger's Schmuckkäst'l« wahrscheinlich ein Imbiss stehen wird. »Unsere alte Ladeneinrichtung wird in jedem Fall entsorgt. Würde ich mich für einen anderen Platz in der unteren Passage entscheiden, müsste ich eine komplett neue Einrichtung anschaffen. Die Vorgaben der »Urbanis« GmbH, einer BVG-Tochtergesellschaft, sehen so aus, dass mir ein Architekt gestellt wird, den ich dann auch noch selber bezahle. Seine Entwürfe haben aber mit meinen Vorstellungen nichts zu tun, da ich nicht einmal frei entscheiden kann, wie ich das Geschäft einrichte.«
Die Räumungsaufforderung zum 14. Mai ignorierte Uwe Ellenberger. Inzwischen wurden ihm mehrere Ausweichobjekte angeboten. Er lehnte sie ab. Die Mieterhöhungen betreffen jeden Laden, Tendenz der nächsten drei bis vier Jahre: steigend. Die Art und Weise, wie »Urbanis« mit den Ladeninhabern Kontakt aufnahm, sprechen für sich: Die Räumungstermine wurden unterschiedlich festgelegt und die Schreiben über Wochen versetzt zugestellt. Der Entsolidarisierung war damit der Weg geebnet. Uwe Ellenberger: »Die Umbaupläne wurden mir als technische Zeichnung und als PDF-Datei vorgestellt. Gesagt wurde, dass mit Beginn eine fünffache Miete, mittelfristig dann allerdings eine zehn-fache Miete, realisierbar sei. Unsere Preiskalkulationen wären damit nicht mehr durchzuhalten. Viele Kunden würden damit verschreckt. Das mache ich nicht mit!«
Zu vermuten bleibt, dass die »Urbanis« auf optimal gewinnbringende Kettenfilialen setzt. Ob einheitlich glänzende Stahlkioske den individuellen Charme der Läden von einst ersetzen, darf bezweifelt werden.
Was die Zukunft seiner Zunft als Goldschmied angeht, prophezeit Uwe Ellenberger: »Der Service, ein Familienerbstück reparieren zu lassen, wird langfristig wegfallen.« Kaffeeröster, Tankstellen, Drogerien und Teleshopping böten Schmuck an, ohne den Service zu leisten. In der 3-Millionen-Stadt Berlin gebe es vielleicht noch ein Dutzend selbstständige Uhrmachermeister.
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