Im Dienst nicht sattelfest

Gesundheitsministerin Nonnemacher musste sich im Landtagsausschuss der Kritik der Opposition stellen

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Art und Weise, wie Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) Dienstwagen nutzte, ist durch die Vorschrift nicht gedeckt. Das wurde bei der Befragung am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Landtages deutlich. Weil die Sache am Ende eine Auslegungsfrage ist, liegt wohl kein Rücktrittsgrund vor, wie von den Linken schon vor Wochen ins Gespräch gebracht.

Im Vorfeld war Nonnemacher unter Druck geraten, weil sie sich einen möglicherweise unzweckmäßigen Elektro-Dienstwagen angeschafft und - im Sinne der Nutzungsverordnung unkorrekt - auf andere Autos zurückgegriffen hatte. Weil das vielleicht menschlich verständlich, behördlich aber nicht gestattet ist, hatten die Fraktionen von Linke und BVB/Freie Wähler die Sondersitzung des Ausschusses mitten in der Sommerpause durchgesetzt.

Seit Frühjahr lässt sich die Ministerin in einem Elektro-Dienstwagen herumfahren, dem ersten Elektromobil in der Dienstwagenflotte der Landesregierung. Da das Auto in der Praxis aber mit rund 300 Kilometern Reichweite für die oft langen Distanzen im Flächenland Brandenburg wenig geeignet ist, hatte sie im Einzelfall auf den Benziner ihres Staatssekretärs zurückgegriffen, um beispielsweise nach Fürstenberg (Oberhavel) und auch wieder zurück zu gelangen. Nach einer nicht einmal besonders konstruierten Auslegung der Dienstwagenrichtlinie darf sich aber jede oder jeder Berechtigte ausschließlich in dem auf sie/ihn eingetragenen Auto chauffieren lassen. Ein Austausch untereinander ist nicht vorgesehen. Auf Kritik stieß auch, dass die Ministerin einmal ein Auto losgeschickt hatte, um eine im Bundesrat vergessene Jacke abholen zu lassen.

»Das sind jetzt alles keine riesigen Verstöße«, sagte die Linke-Abgeordnete Andrea Johlige im Ausschuss. Doch müsse man bei der Landesregierung auf Korrektheit und Texttreue bestehen, da diese es von den Bürgern ja auch verlange. Wichtig sei zweifellos, »dass wir uns den wichtigen Dingen des Lebens widmen«, entgegnete Nonnemacher und beteuerte, »dass kein Schaden entstanden ist«. Eine angekündigte Akteneinsicht »sehen wir mit Gelassenheit«. Sie schilderte, dass ihr Elektro-Dienstwagen bei der ersten geplanten längeren Dienstfahrt nach Fürstenberg dortselbst nicht aufgeladen werde konnte. Die daher erfolgte Nutzung des Dienstwagens des Staatssekretärs habe dennoch gegen die geltenden Regeln verstoßen. »Das ist zu konstatieren, das tut mir leid«, sagte sie. Die Rückholung ihrer Jacke mit dem Dienstauto ihrer Staatssekretärin sei als Privatfahrt deklariert worden, die dafür berechneten 83,17 Euro seien von den Dienstbezügen ihrer Staatssekretärin abgezogen worden, fügte sie hinzu.

Kritische Fragen gefallen lassen musste sich Ursula Nonnemacher allerdings in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem wegen einer angeblich überflüssigen Corona-Beraterfirma, wegen der offensichtlichen Überforderung ihres Ministeriums bei der Organisation der Corona-Impfkampagne in Brandenburg und wegen vermutet falsch formulierter Corona-Entlastungsbriefe. Die waren so abgefasst, dass man annehmen konnte, eine einfach geimpfte Person habe schon den vollen Coronaschutz und damit die privilegierten Rechte von Doppeltgeimpften.

Vor den Ausschussmitgliedern verbat sich der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, Péter Vida, vorab den Vorwurf, bei der Forderung nach einer Sondersitzung handele es sich um ein Wahlkampfmanöver. »Es geht nicht um Wahlkampf, so wie die Ministerin in einer Presseerklärung behauptet hat«, unterstrich auch Linksfraktionschef Sebastian Walter bezogen auf die Initiative der Opposition. Wenn aber bis zu 200 000 Menschen die Bestätigung der Zweitimpfung bekommen haben, obwohl sehr viele von ihnen bis dahin nur einmal geimpft waren, dann müsse dringend nachgefragt werden. Schließlich habe man eine solche Bestätigung auch als »Türöffner« für den inneren Bereich von Berliner Restaurants nutzen können, die Einfach-Geimpften noch verschlossen geblieben wären.

Nonnemacher bestätigte, dass das Anschreiben für diese Bescheinigung »überarbeitungswürdig« sei. Und bezogen auf das unkorrekt formulierte Begleitscheiben, das einen vollständigen Impfschutz suggeriert habe, nehme sie die Kritik auch an. »Ja, es sind Fehler gemacht worden«, räumte sie ein. Sie wies auf den zeitlichen Druck hin, der auch durch die bevorstehenden Ferien entstanden war. Um falsche Impfzertifikate handele es sich dennoch nicht. »Wir haben 460 000 Bürgerinnen und Bürgern die elektronische Impfbescheinigung zugesendet und haben darin eine besondere Serviceleistung gesehen«, sagte sie. Es sei in dem Bestreben geschehen, »etwas Gutes zu tun«.

Die Absicht, die sich mit diesen Bestätigungen verband, »war eine richtige und eine gute«, sagte der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz für die Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Dabei seien »ganz klar Fehler passiert«. Er bat die Landesregierung, darüber Auskunft zu geben, wie man mit dem fehlerhaften Satz im Anschreiben in Zukunft umgehen wolle. Die Ministerin fügte hinzu, dass sie die Verwirrung nicht vergrößern wolle, indem man nun ein weites Schreiben hinterhersende. Doch werde sie einen entsprechenden Schritt prüfen. Eine kurze Klarstellung könne nicht von Schaden sein, meinte dazu die Grünen-Abgeordnete Carla Kniestedt.

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