Verrückt nach Zitruspflanzen

Der Chefgärtner des Klostergartens Neuzelle kümmert sich mit großer Begeisterung um die empfindlichen Früchte

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 4 Min.

Ralf Mainz ist stolz auf seine »Bizaria«. »Die ist ein echtes Pflanzengemisch - aus Zitrone und Orange. Die beiden verschiedenen Zelltypen wachsen ineinander«, erklärt der Gärtnermeister. In seinem Garten in Brieskow-Finkenheerd (Oder-Spree) hegt und pflegt der 44-Jährige insgesamt 25 unterschiedliche Sorten. Aber das ist nur eine Auswahl, wie er sagt. »Bekannt sind mehr als 400 Sorten, lediglich 15 bis 20 davon sind allerdings relevant für den kommerziellen Anbau«, erklärt Mainz, der Mitglied im Arbeitskreis Orangerien in Deutschland ist.

Bei Orangerien denken viele wahrscheinlich an herrschaftliche Gewächshäuser oder auch an Klostergärten. Und bei Ralf Mainz war es tatsächlich der barocke Klostergarten Neuzelle (Oder-Spree), der bei ihm die Zitrusleidenschaft entfachte. Seit 2004 wird der Garten aufwendig wiederhergestellt, seit 2008 gehört er nach Angaben des Kulturministeriums als letzter seiner Art in Brandenburg zu den 53 bedeutendsten Gartenanlagen Deutschlands.

Mainz hatte zu Beginn der Gartenneugestaltung in Neuzelle gerade seinen Facharbeiter im Garten- und Landschaftsbau gemacht. Seine Lehrfirma war für den ersten Bauabschnitt im Klostergarten verantwortlich. Dazu gehörten die ersten Zitrusbäumchen, die in Kübeln an der Orangerie aufgestellt wurden. »›Um die kümmerst du dich‹, sagte mein Chef«, erinnert sich Mainz, der schnell erfahren musste, dass die Pflege der ursprünglich aus China stammenden Pflanzen nicht so einfach ist.

Bäumchen mit Befindlichkeiten

Schon das Gießen sei eine Wissenschaft für sich. »Du musst ein Gespür dafür entwickeln, wie viel Wasser die empfindlichen Bäumchen tatsächlich brauchen. Sie sind wie kleine Kinder, sonnenverwöhnt, und du musst dich um sie intensiv kümmern.« Das fange bei der Kübelgröße an, setze sich beim Schnitt fort und höre bei der Schädlingsbekämpfung noch lange nicht auf, so der Fachmann. Damit die Zitruspflanzen blühen und Früchte tragen, lernte Mainz, sie zu veredeln.

Er suchte Kontakt zu Zitrusexperten, besuchte Schulungen und irgendwann war der »Zitrusvirus«, wie er es beschreibt, auf ihn übergesprungen, sodass Mainz auch im heimischen Garten anfing, besondere Zitruspflanzen zu halten. »Wir richten unsere Urlaube nach den Gärten in Italien, Frankreich oder Griechenland aus, wo es neue, interessante Zitruspflanzen gibt«, erzählt Ehefrau Ulrike lachend, die als Industriekauffrau im Stahlwerk Eisenhüttenstadt arbeitet. Damit die empfindlichen Pflanzen den Winter geschützt hinter Glas überstehen, hat die Familie ihr Grundstück extra dementsprechend umgebaut.

Buddhas und Pomeranzen

Ralf und Ulrike Mainz, die von wahrer Leidenschaft zu den exotischen Kübelpflanzen sprechen, engagieren sich im ehrenamtlichen Arbeitskreis Gartenkultur Neuzelle, organisieren Führungen und Veranstaltungen. Beliebt bei Besuchern ist der Vortragsabend »Der Geschmack der Citrus«, zu dem Mainzens hauchdünne, getrocknete Zitruschips reichen.

Um alle Sinne anzusprechen, umfasst die kulinarische Reise auch Pralinen oder Marmelade, die sie aus den klostereigenen Bitterorangen gemacht haben. Zudem werden Sorten vorgestellt, die es in herkömmlichen Gärtnereien nicht gibt, etwa »Buddhas Hand«, deren Früchte von der Form her tatsächlich an Hände erinnern, oder Pflanzen, deren Zitronen die Größe von Medizinbällen haben. Ebenfalls ein Publikumsrenner: »Pomeranzen im Winterschlaf«.

»Das Interesse an der Orangeriekultur ist tatsächlich sehr groß«, bestätigt Helge Klügel, Gartenmeister im mehr als 17 Hektar großen sächsischen Barockgarten Großsedlitz mit allein 340 Kübelpflanzen und jährlich etwa 50 000 Besuchern. Die Faszination bestehe wohl im attraktiven Aussehen der Zitruspflanzen mit dem glänzenden dunkelgrünen Laub, den herrlich duftenden weißen Blüten und den orangefarbenen oder gelben Früchten, glaubt er.

Letzter Bauabschnitt im Barockgarten

Vor zehn Jahren wurde Mainz von der Stiftung Stift Neuzelle zum Chef-Klostergärtner ernannt, nicht zuletzt aufgrund seines Einsatzes über die eigentliche Arbeitszeit hinaus. »Er hat alle Schritte der Wiederherstellung des Klostergartens begleitet. Dass er Begeisterung weitergeben kann und den Arbeitskreis Gartenkultur ins Leben gerufen hat, ist ein Glücksfall für uns«, sagt Stiftungs-Geschäftsführer Norbert Kannowsky. 120 Zitrusbäumchenkübel gehören zum festen Inventar im Klostergarten. 17 davon stammen noch von der »Erstausstattung« 2004, worauf Klostergärtner Mainz besonders stolz ist.

Inzwischen wird im fünf Hektar großen Barockgarten am dritten und letzten Bauabschnitt gewerkelt, im Frühjahr 2022 soll es eine große Einweihungsfeier geben.dpa

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