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AfD fühlt sich beschissen
Wahlkampfauftakt in Cottbus Vizelandeschef Daniel Freiherr von Lützow behauptet, seine Partei werde betrogen
Vor der Stadthalle Cottbus parkt am Sonnabend der »Volksexpress«, ein blauer Bus der AfD, auf dessen Seite die Losung prangt: »Deutsche Leitkultur statt Multikulti!« Mit Ausländern soll nicht geteilt werden. Geflüchtete sollen verschwinden. Nun sitzt aber auf dem Stadthallenvorplatz, wo die brandenburgische AfD ihren Wahlkampfauftakt inszeniert, eine arabische Familie, die keine Ahnung hat, was die AfD für eine Partei ist. Das Kleinkind entert die Hüpfburg und tollt dort einträchtig mit einem deutschen Knirps herum. Beide kennen noch keine Vorurteile.
Aber ein angetrunkener Vater bemüht sich doch, seinem Sohn beizubringen, welche Partei er später mal wählen solle. Da kommt ihm das Glücksrad gerade recht, an dem alle im Bundestag vertretenen Parteien verzeichnet sind. Dreht man auf die AfD, gibt es eine Tasse und einen Kugelschreiber der Partei geschenkt. Alle anderen Parteien sind Nieten. Blöderweise erwischt der Sohn bei zwei Versuchen immer die SPD. Die Tasse und den Kugelschreiber bekommt er dann durch leichtes Nachdrehen trotzdem. Etwa 120 Menschen sind gekommen, von denen sich meist mehr als die Hälfte im hinteren Volksfestbereich aufhält, wo es Freibier und Rostbratwurst gratis gibt. Vor der Bühne, wo ein Bereich für die politische Kundgebung mit Absperrband abgeteilt ist, bleibt viel Platz - mehr als für die 1,50 Meter Abstand erforderlich ist, die wegen der Corona-Pandemie zueinander eingehalten werden müssen. Die amtierende AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin brüllt ins Mikrofon, damit sie auch hinten bei den Biertischen gut verstanden wird. »Gemeinsam miteinander statt gegeneinander«, das habe die Partei stark gemacht, beschwört sie.
Nun ist der Wahlkampfauftakt aber ein Spiegel der Zerstrittenheit. Es fällt auf, wer sonst oft in Cottbus auftritt, aber hier fehlt, aus welchen Gründen auch immer. Landtagsfraktionschef Christoph Berndt zum Beispiel, der mit seinem asylfeindlichen Verein »Zukunft Heimat« früher bis zu 4000 Demonstranten mobilisieren konnte, oder auch der Landtagsabgeordnete Steffen Kubitzki, der Nachfolger des aus der Partei geworfenen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz werden möchte. Es scheint, als stünden hier die letzten Getreuen von Kalbitz aus dem offiziell aufgelösten völkischen Flügel allein. Leider sei es kein Zufall, wer in Cottbus dabei ist und wer nicht, bestätigt einer, der mit Kalbitz gebrochen hat. Aber ganz so einfach sind die Risse in der AfD dann doch nicht zu beschreiben. Denn der Landtagsabgeordnete Daniel Münschke ist einer der Redner an der Stadthalle. Er wird nicht dem Flügel zugeordnet. Zur Rechtfertigung heißt es vor Ort auch, angesichts vieler Veranstaltungen in den nächsten Wochen müsse man das Personal dafür aufteilen.
Dass es Zerwürfnisse gibt, ist aber unbestritten. »Solange die Partei Erfolg hatte, deckte das die Risse zu«, sagt Rechtsextremismusexperte Christoph Schulze vom Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum. »Jetzt, wo es nicht mehr so gut läuft, werden die Risse sichtbar.« Zum Start des Bundestagswahlkampfs 2017 sind noch rund 500 Teilnehmer in Cottbus zusammengekommen und nicht nur 120 wie jetzt.
Peter Scholz fragt Olaf Scholz
SPD-Kanzlerkandidat steht Bürgern Rede und Antwort
»Die AfD ist trotz aller internen Dinge immer noch die beste Partei für mich«, will Daniel Münschke an der Stadthalle seinen Zuhörern Mut machen. Die anderen Parteien seien doch alle gleich - alle für offene Grenzen, Energiewende und »vollkommen überzogene Corona-Maßnahmen«. Münschke kandidiert in Cottbus und Spree-Neiße für den Bundestag. Es sei »machbar«, dass er den Wahlkreis gewinne, sagt er - und hat dafür Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind. Schließlich gewann er selbst 2019 einen der Landtagswahlkreise in der Gegend und auch die drei anderen Wahlkreise in Cottbus und Spree-Neiße holte die AfD. Wenn Münschke im Bundestag sitzt, könnte er den Kohleausstieg auch nicht mehr rückgängig machen. »Soviel Realist muss man sein«, bekennt er.
So ehrlich ist der Vizelandesvorsitzende Daniel Freiherr von Lützow nicht. »Die Kohle muss erhalten bleiben«, verlangt er. »Dafür müssen wir weiter kämpfen.« Sollte die AfD bei der Wahl am 26. September nicht gut abschneiden, kann das in der Logik von Lützows nur an Betrug liegen. Er fordert seine Parteigänger auf, sich als Wahlhelfer zu melden und aufzupassen, »damit wir nicht beschissen werden«. In einigen Wahllokalen sei das früher geschehen. Überhaupt werde so sehr für die Briefwahl geworben, weil man die AfD damit leichter betrügen könne, poltert von Lützow.
Von der Bühne herunter wird auch behauptet, es gäbe ein Kartell der Journalisten, die AfD totzuschweigen. Tatsächlich ist diese Partei im Moment einfach relativ uninteressant. Sie hat an Zuspruch verloren und mit der Frage, wer Kanzler wird, nichts zu tun.
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