Schaulaufen der Spitzenkandidaten

In der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode wurde der Bundestag zur Wahlkampfbühne

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei ihrem wahrscheinlich letzten Auftritt im Bundestag in dieser Legislaturperiode hat Kanzlerin Angela Merkel das Parlament als Wahlkampfbühne genutzt. Die CDU-Politikerin warf SPD und Grünen vor, dass sie nach der Wahl die Unterstützung der Linkspartei in Kauf nehmen würden oder diese zumindest nicht ausschließen. Nur die Union könne verhindern, dass es zu einem solchen Bündnis komme. Merkel warb für ihren bislang erfolglos agierenden Schützling, den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. »Er steht für Maß und Mitte«, sagte Merkel. Aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken waren laute Protest- und Zwischenrufe zu hören.

Der Union geht es so schlecht wie nie. In einer neuen Umfrage des Instituts Forsa kommen die Konservativen nur noch auf 19 Prozent der Stimmen. Nach den Ergebnissen der Meinungsforscher liegt das vor allem an der schlechten Performance von Kanzlerkandidat Armin Laschet. Den größten Zuspruch genießt demnach weiterhin der SPD-Spitzenmann Olaf Scholz. Während der Bundestagsdebatte attackierte er die Union wegen ihrer Energiepolitik. Die Tatsache, dass die Union noch im Juni den Ausbau der Stromkapazitäten abgelehnt habe, sei »eine Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland«, sagte der Finanzminister. Ansonsten gab sich Scholz als Politiker, der soziale Verbesserungen anstrebt, obwohl die Bilanz der Großen Koalition diesbezüglich nicht sonderlich ruhmreich ist. Jedenfalls mahnte der Sozialdemokrat einen verstärkten Kampf gegen Kinderarmut und steigende Mieten in Deutschland an. Zudem sprach er sich für die Stabilisierung der gesetzlichen Rente aus.

Fraglich ist allerdings, wie Scholz seine Forderungen durchsetzen will, wenn er am Ende doch wieder mit der Union oder der FDP regieren sollte. Die Freien Demokraten sind zumindest nicht abgeneigt. Ihr Vorsitzender Christian Lindner betonte in seiner Rede die Bedeutung der Privatwirtschaft. Grundlage für alle sozialen und ökologischen Ziele sei »ein stabiles wirtschaftliches Fundament«, erklärte der FDP-Politiker. Ohne starke Wirtschaft seien etwa die Versprechen der SPD in diesen Bereichen eine »unfinanzierbare Träumerei«.

Klimapolitik als zentrales Wahlkampfthema

Nicht ganz ausgeschlossen ist aber auch, dass es zu einer Zusammenarbeit von SPD und Linkspartei unter Einschluss der Grünen kommt. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bot sich im Bundestag als Partner an. Angesichts der Alternative, mit der FDP zu regieren, müssten sich SPD und Grüne fragen, ob sie ihr Wahlprogramm tatsächlich umsetzen wollen. »Es ist besser, gut mit der Linken zu regieren, als falsch mit Lindner zu regieren«, sagte Bartsch augenzwinkernd. Vor vier Jahren hatte der FDP-Vorsitzende den Ausstieg aus den Sondierungsgesprächen mit Union und FDP mit den Worten begründet: »Es ist besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren.«

Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl am 26. September wird die Klimapolitik eine zentrale Rolle spielen. Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, machte deutlich, dass die bisherigen Maßnahmen von Union und SPD aus ihrer Sicht nicht ausreichen. »Es braucht eine Politik, die sagt, wir machen das jetzt«, sagte Baerbock im Plenarsaal. Stattdessen meinten die jetzigen Regierungsparteien, dass es mit der Kohle noch 17 Jahre weitergehen solle. »Die Große Koalition hat es nicht geschafft, endlich den Weg hin zur Klimaneutralität zu beschreiten«, kritisierte Baerbock. Der Bundestag stimmte am Dienstag auch für den 30 Milliarden Euro schweren Fluthilfefonds, der den betroffenen Regionen im Westen Deutschlands zugutekommen soll. Baerbock verlangte zusätzlich Konzepte für Vorsorge und Klimaschutzmaßnahmen.

Diese Forderungen richteten sich auch an Armin Laschet, der als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident während und nach der Flut keine gute Figur gemacht hatte. In der Not versucht Laschet nun, mit einer Kampagne gegen ein mögliches Mitte-links-Bündnis die konservativen Wähler hinter sich zu versammeln. »Helmut Schmidt hätte in dieser Frage und hat immer in dieser Frage klar gestanden gegen Links- und Rechtsextreme«, sagte Laschet. Er forderte die SPD und Olaf Scholz dazu auf, in dieser Sache für Klarheit zu sorgen.

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