Wie umgehen mit Verschwörungsideologen?

Das Demos-Institut bietet in Brandenburg Beratung für Betroffene an - manchmal hilft nur der Abbruch des Kontakts

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Kann die tiefe Spaltung der Gesellschaft, wie sie infolge der Corona-Pandemie entstanden ist, durch Beratung überwunden werden? Demos - das brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung - unternimmt zumindest den Versuch. Allerdings können die Berater angesichts der Unversöhnlichkeit entgegengesetzter Positionen mitunter nur noch zum Abbruch bestimmter zwischenmenschlicher Beziehungen raten, wie sie am Montag bei einer Pressekonferenz im Landtagsgebäude deutlich machten.

Was tun, wenn sich der Vater des Schulfreundes der eigenen Kinder nur noch mit missionarischem Eifer dem Verbreiten von Verschwörungstheorien widmet und damit Unruhe in die Klasse trägt? Was tun, wenn ein Ehepaar nicht mehr gemeinsam Nachrichten schauen kann, ohne massiv in Streit zu geraten? Seit im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie hereingebrochen ist, entstand ein tiefer Riss in der Gesellschaft. Er zeigt sich auch darin, dass knapp 40 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger nicht geimpft sind und sich viele davon offensiv dagegen sträuben.

Das Beratungsinstitut Demos hat bisher zum Thema Rechtsextremismus beraten und bietet dies nun bei Verschwörungsideologien an. Diese hätten in den vergangenen beiden Jahren »massiv zugenommen«, sagte Institutsleiter Markus Klein. Hatten früher Eltern Rat gesucht, weil ihre Kinder auf einmal rechtsextreme Musik hörten und einschlägige Kleidung trugen, so sind es heute zum Beispiel Jugendliche, die mit der Verschwörungsideologie von Onkel und Tante umgehen müssen und sich dafür Hilfen holen.

Gekennzeichnet sind diese »Erzählungen« laut Klein von der geistigen Vereinfachung einer komplexen Welt, von einem gläubig wiedergegebenen Gut-Böse-Schema, das Bedrohung und Handlungsdruck suggeriert. 1990 sei verschiedentlich das »Ende der Geschichte« ausgerufen worden, dann aber hätten mehrere globale Erschütterungen, wie die Finanzkrise, die Flüchtlingskrise und schließlich auch Covid-19 bei vielen Menschen massive Verunsicherungen erzeugt. Konjunktur hätten - auch bedingt durch die Verfügungsmacht Internet - Theorien, die geneigt seien, das Vertrauen in wichtige Institutionen der Demokratie zu untergraben. Mit ihnen geduldig zu reden oder auf journalistische Berichterstattung zu verweisen, werde nur eine begrenzte oder gar keine Wirkung haben, weil für solche Leute Journalisten als unglaubwürdige »Träger des Systems« gelten. Demos gebe Tipps, wie die Beziehung wieder gestärkt und stabilisiert werden könne. Im Extremfall müsse man aber auch zum Abbruch raten, so Klein.

Die Träger solcher Theorien, die oft »alles andere als trivial« seien, sähen sich unter anderem als einzige »vom wahren Licht der Wahrheit« beschienen, die als Erleuchtete eine Weltverschwörung durchschauten, die anderen verborgen bliebe oder bleiben sollte, erklärte Demos-Mitarbeiterin Steffi Bahro. Nicht wenige dieser Menschen deuteten die Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit als »Corona-Diktatur«. Für sie sei die Vorschrift, eine Maske zu tragen, gleichbedeutend mit dem Versuch, den »perfekten Untertanen« hervorzubringen. Zerwürfnisse und Forderungen seien massiv, im Extremfall werde den geimpften Großeltern verboten, den Enkeln zu nahe zu kommen, weil sie nach Ansicht der Eltern »vergiftete Nano-Partikel« absonderten. Menschen, die solche Dinge ausleben, hätten in der Regel schon vor Corona zu dergleichen geneigt.

Fast immer sind Menschen allein, wenn sie die Beratung aufsuchten, bestätigte Demos-Mitarbeiter Janek Buchheim. Dass auch der Verkünder von Verschwörungstheorien daran teilnimmt, sei »die krasse Ausnahme«. Alle drei schildern den Zugang zu Menschen, die diesen Theorien anhängen, als extrem schwierig. Buchheim: »Sie vermuten einen großen Plan hinter allem und sind davon überzeugt, dass dahinter ›Eliten‹ stecken würden, die den Lauf der Welt in eine ihnen genehme Richtung lenken wollten.«

Erreichbar ist das Beratungsangebot telefonisch unter 0331-647 205 14 oder per E-Mail mitmenschen@big-demos.de. Donnerstags von 10 bis 12 Uhr gibt es eine offene Sprechzeit ohne Voranmeldung.

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