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  • Urteil des Bundesgerichtshofs

Chancen für Modrow-Kaufverträge mit (teil-)nichtigem Vorkaufsrecht?

Das Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (das so genannte Modrow-Gesetz) ermöglichte auch den Verkauf volkseigener Grundstücke. Daraufhin wurden zahlreiche Grundstückskaufverträge geschlossen. Die Kohlregierung betrachtete diesen Prozess mit Argwohn, der Runde Tisch zu DDR-Zeiten wollte Gebäudeeigentümer und Mieter mit Eigentum an Grundstück und Gebäude in die Marktwirtschaft entlassen. Doch es gab im Nachhinein viel Ärger, vor allem in Berlin. Bis jetzt sind nicht alle Modrow-Kaufverträge vollzogen. Nun hat ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) Bewegung in die Entwicklung gebracht. Unser Autor, Rechtsanwalt Prof. Dr. DIETRICH MASKOW, Berlin-Mitte, erläutert das Urteil. Im ersten Teil des Beitrags beleuchtet er die Hintergründe.

Der Magistrat in Berlin stoppte am 6. Juni 1990 den Verkauf. Als das am 7. Juni 1990 den auf ihre Verträge Wartenden mitgeteilt wurde, stürmten sie das Rote Rathaus und der Verkauf wurde am Nachmittag fortgesetzt, wenn der Vertrag eine Klausel enthielt, die den Weiterverkauf des Grundstücks beschränkte. Zwar war bereits in § 6 Abs. 1 des Modrow-Gesetzes vorgesehen, dass zwischen Kauf und Weiterverkauf eine Frist von mindestens drei Jahren liegen muss, um Grundstücks-spekulationen zu erschweren, aber das wurde anscheinend nicht als ausreichend angesehen.

Für diese Beschränkungen wurden hauptsächlich folgende Klauseln angewendet. In den gleich nach dem 6. Juni 1990 abgeschlossenen Verträgen hieß es:
»Die Erwerber verpflichten sich, das Grundstück nicht zu veräußern. Im Verkaufsfall muss das Grundstück dem Magistrat von Berlin zum Rückkauf angeboten werden, zu den jetzigen Vertragsbedingungen.« Von einer Eintragung dieser Beschränkung in das Grundbuch ist hier keine Rede.

Wenig später wurde folgende Klausel verwendet:
»Die Erschienenen vereinbaren zugunsten des Magistrats von Berlin ein Vorkaufsrecht und beantragen die Eintragung in das Grundbuch. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts wird der Bodenpreis zur Anwendung gebracht, der in diesem Vertrag vereinbart war.« Beide Klauseln waren unbefristet.

Der weitere Gang der Ereignisse in Berlin war dann folgender:
Die Grundbuchämter trugen die Erwerber zwar als Eigentümer ein, aber nicht das Vorkaufsrecht, weil die Vereinbarung eines preisgebundenen Vorkaufsrechts, wie es die letztgenannte Klausel enthielt, nach dem hier anzuwendenden Recht der DDR angeblich unzulässig war.
Gegen die Nichteintragung des Vorkaufsrechts hat das Land Berlin Erinnerung eingelegt. Das Landgericht hat die Grundbuchämter schließlich angewiesen, in der II. Abteilung des Grundbuchs zugunsten des Landes Berlin einen Amtswiderspruch gegen die Eigentümereintragung einzutragen, was auch geschah.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Kammergericht zurückgewiesen. Es vertrat in dem Beschluss vom 26. April 1994 (Az. 1 W 2018/94) und auch in weiteren Entscheidungen die Auffassung, dass das preisgebundene Vorkaufsrecht nach § 68 Abs. 1 des ZGB der DDR nichtig sei und dass daraus die Nichtigkeit des ganzen Vertrages folge. Schon damals erhoben sich gegen diese Auslegung kritische Stimmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung in einem Nichtannahmebeschluss vom 28. März 2000 in der Sache (Az. 1 BvR 1610/95) zwar zitiert, aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sie im Zusammenhang mit seiner Entscheidung nicht auf ihre Richtigkeit zu überprüfen habe.
Die massenweise Eintragung von Amtswidersprüchen auf Grund der Entscheidungen des Kammergerichts löste Proteste aus, die bei den verantwortlichen Landespolitikern die Bereitschaft zu einer politischen Lösung förderten. Es ist das Verdienst des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), dass bei voller Unterstützung durch die PDS-Fraktion und von Politikern der CDU in Senat und Abgeordnetenhaus Beschlüsse zur Lösung des Problems gefasst wurden.
Am 24. März 1994 beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin, Interessenten, die den Kauf-antrag vor dem 30. Juni 1990 gestellt hatten und selbst Nutzer waren, Kaufverträge anzubieten. Das konnte entweder zu den Bedingungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes erfolgen, also zum halben Verkehrswert oder Erbbauzins mit Verkaufsbeschränkungen über sechs Jahre. Oder in den Fällen, in denen ein wegen des preisgebundenen Vorkaufsrechts nach der damaligen Rechtsprechung nichtiger Kaufvertrag vorliegt, wurde eine Nachbeurkundung angeboten, wobei die Preise des Modrow-Vertrages beibehalten wurden. Später wurde die Möglichkeit eröffnet, Kaufvereinbarungen, die vor dem 30. Juni 1990 abgeschlossen worden waren, durch Abschluss entsprechender notarieller Verträge vollziehbar zu machen (Vorlage zur Sitzung des Abgeordnetenhauses am 23. Oktober 1994, Beschluss des Hauptausschusses vom 7. Dezember 1994).
Mit Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 22. Juni 1995 wurde der Begriff der »Kaufvereinbarung« erweitert, indem auch eine Bestätigung der Abteilung Finanzen und Preise des Magistrats oder zuständigen Stadtbezirks auf dem von dem Magistrat herausgegebenen Formular als solche angesehen wurde.
Das BGH-Urteil in Sachen der Dresdner Komplettierungskäufe (Urteil vom 17. April 2004, Az. V ZR 339/03) hat die Fortsetzung von Verkäufen zu DDR-Preisen auch nach dem 30. Juni 1990 als Erfüllung einer legitimen öffentlichen Aufgabe angesehen, zumal wenn sie demokratisch legitimiert sind, was auch in Berlin der Fall ist.
Die geänderten bzw. neu abgeschlossenen Verträge wollen durch eine komplizierte juristische Konstruktion eine Verkaufsbeschränkung erreichen, ohne die Gefahr der Nichtigkeit heraufzubeschwören. Diese Beschränkung wurde nunmehr jedoch auf 30 Jahre befristet.
Außerdem wurde die Eintragung einer Sicherungshypothek in Höhe von 35 Mark/m² Grundstücksfläche vorgesehen für den Fall, dass das Land Berlin nach bundesgesetzlicher Regelung Ausgleichsforderungen Dritter (in Frage gekommen wäre vor allem der Entschädigungsfonds) zu befriedigen hat.
Durch höchstrichterliche Entscheidungen ist inzwischen geklärt, dass eine solche Gefahr bei Verträgen, die bis zum 17. Dezember 2003 abgeschlossen worden sind, nicht besteht, sodass Käufer mit derartigen Verträgen eine Löschungsbewilligung für diese Sicherungshypothek verlangen können, soweit das nicht bereits erfolgt ist (vergl. ND-Ratgeber Nr. 721 vom 7. Dezember 2005, S. 5).
Die genannten Maßnahmen betrafen nur zweifelsfrei landeseigene Grundstücke und solche, die dem Land zugeordnet wurden und für die keine Restitutionsansprüche vorliegen oder diese rechtskräftig abgelehnt worden sind.
Nach wie vor sind noch einige Modrow-Kaufanträge offen, und es wird in Berlin politisch darum gestritten, ob diese noch realisiert werden können. Das betrifft allerdings nur zweifelsfrei landeseigene Grundstücke, denn bei restitutionsbelasteten Grundstücken muss das Land Berlin, auch wenn der Restitutionsanspruch abgelehnt worden ist, nach dem Entschädigungsrechtsänderungsgesetz vom 10. Dezember 2003 bei Verkäufen nach dem 17. Dezember 2003 mindestens den halben Verkehrswert an den Entschädigungsfonds abführen. Das führt natürlich dazu, dass das Land Berlin derartige Grundstücke nicht billiger verkaufen wird, weil es die Differenz aus eigener Tasche ergänzen müsste.
Entsprechend ist die Geschäftspolitik des Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG, der diese Geschäfte für das Land Berlin tätigt.
Die Verträge, die die oben zuerst genannte Klausel enthalten, haben zunächst in der Rechtsprechung eine untergeordnete Rolle gespielt, weil eine grundbuchliche Eintragung dieser Klausel nicht vorgesehen war und sie demzufolge nicht auffällig wurde. Außerdem gab es nur wenige derartige Verträge, oder das Problem war nicht entscheid...

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