Parteitage mit Apparatschiks

Brandenburgs Linke stimmt gegen eigene Transparenzregel, erhält aber Daten vom Bundesvorstand

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Wenn Stefan Roth das Thema in Basisorganisationen seiner Linkspartei anspricht, dann sieht er immer wieder, wie Genossen zustimmend nicken. In Brandenburg gehört Roth dem Landesvorstand und der Landesarbeitsgemeinschaft Basis-Linke an. Allzu oft würden Stellen in der Partei, in den Fraktionen und in der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht nach Leistung und Kompetenz, sondern nach Zugehörigkeit zu Seilschaften besetzt, zitiert er. So stand es in einer Nachlese der Strömung Sozialistische Linke zur Bundestagswahl. Die Aktiven an der Basis müssten systematischer in die politische Willensbindung und demokratische Entscheidungsfindung einbezogen werden, hieß es dort weiter. Parteitage sollten daher nicht von Abgeordneten und ihren Mitarbeitern dominiert werden, »wenn sich kollektive Vernunft durchsetzen soll«. Hier müsse über eine Quotierung zugunsten der ehrenamtlich tätigen Mitglieder nachgedacht werden, zitiert Roth.

Früher, als Die Linke in Brandenburg zahlreiche Landtagswahlkreise und mitunter auch Bundestagswahlkreise gewann, habe die Basis direkter mitbestimmen dürfen, wer ins Parlament einzieht, so Stefan Roth. Denn die Wahlkreiskandidaten werden in der Regel bei regionalen Gesamtmitgliederversammlungen bestimmt. Dagegen werden Listen von den Delegierten spezieller Parteitage nominiert, den Landesvertreterversammlungen. Und wer sitzt dort? In nicht geringem Maße Funktionäre, Abgeordnete und deren Mitarbeiter.

Zum Thema wurde das im April vergangenen Jahres, als Brandenburgs Linke in Paaren/Glien ihre Landesliste für die Bundestagswahl im September 2021 aufstellte. Um Platz eins konkurrierten Ex-Landesfinanzminister Christian Görke und der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller. Es war mit einem knappen Ergebnis zu rechnen - und deshalb wurde Müller angekreidet, eine erkleckliche Zahl von Delegierten sei bei ihm angestellt und könnte den Ausschlag geben.

Darum beantragte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Harald Petzold in Paaren/Glien, die Geschäftsordnung der Versammlung zu ändern. Jeder, der »persönlich betroffen und damit im politischen Sinne befangen« sein könnte, sollte nicht an der Abstimmung teilnehmen, regte Petzold an. Aus formalrechtlichen Gründen wurde der Vorstoß beiseitegelassen, um keine Schwierigkeiten mit dem Landeswahlleiter heraufzubeschwören. Den Kampf um Listenplatz eins gewann Görke trotz der Mitarbeiter Müllers mit 57 zu 52 Stimmen. Ob Müllers Beschäftigte alle für ihn gestimmt haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es war eine geheime Wahl.

Grundsätzlich ist das Thema damit aber nicht aus der Welt. Als ein extra Landesparteitag am vergangenen Sonntag die schwere Wahlniederlage vom September aufarbeitete, beantragten der Kreisvorstand Elbe-Elster sowie Stefan Roth, Diana Tietze, Michael Elte, Astrit Rabinowitsch und Bernd Lachmann, Transparenz zu schaffen und Abhängigkeiten durch Beschäftigungsverhältnisse sichtbar zu machen. Die genannten Personen gehören sämtlich der zu Sahra Wagenknecht hinneigenden Landesarbeitsgemeinschaft Basis-Linke an.

Im Vergleich zu Petzolds Vorstoß vom April war ihr Vorschlag viel milder formuliert. Hier ging es zunächst nicht gleich darum, Mitarbeiter der Abgeordneten von Abstimmungen auf Parteitagen auszuschließen. Diese Mitarbeiter sollten lediglich offenlegen, ob sie bei einem Abgeordneten beschäftigt sind. Dazu sollte eine Übersicht erstellt und den Tagungsunterlagen beigelegt werden.

Als er dieses Ansinnen mündlich begründete, ging Bernd Lachmann jedoch darüber hinaus und ließ durchblicken, dass die Mitarbeiter eigentlich so verfahren sollten wie Gemeindevertreter, Stadtverordnete oder Kreistagsabgeordnete, die laut brandenburgischer Kommunalverfassung gezwungen seien, bei persönlicher Befangenheit in einer Sache dies kundzutun und den Saal zu verlassen.

Um es kurz zu machen: Der Antrag der Basis-Linken wurde mit 51 zu 42 Stimmen abgelehnt - bei neun Enthaltungen. Die Gegenrede hielt sichtlich erregt Enrico Geißler, ehrenamtlicher Kreisvorsitzender in Oberhavel und Stadtverordneter in Oranienburg. Mit einem Vertrag für 29 Stunden in der Woche ist er außerdem Wahlkreismitarbeiter des Landtagsabgeordneten Andreas Büttner. »Ich habe nichts gegen Transparenz«, versicherte Geißler. Aber: »Ich verbitte mir das Misstrauen der Antragsteller.« Er sei von seinem Kreisverband zum Parteitag delegiert worden und nicht von seinem Chef. »Mein Chef würde mir niemals hineinreden«, sagte Geißler.

»Ich bin überrascht von dieser Gegenrede«, reagierte Joachim Pfützner vom Kreisverband Elbe-Elster. Schließlich gebe es einen ähnlich gearteten Beschluss des Bundesvorstands. Gemeint ist ein Beschluss vom 12. Dezember vergangenen Jahres. Demzufolge sollen Daten zur Parteistruktur erhoben werden. Dabei geht es um Vorsitzende, stellvertretende Vorsitzende und Schatzmeister von Vorständen, Ausschüssen und Kommissionen, von der europäischen bis hinunter zur kommunalen Ebene, sowie um die Delegierten von Parteitagen. Es soll dabei erfasst werden, wie viele Abgeordnete in den einzelnen Gremien sitzen, wie viele ihrer Mitarbeiter, wie viele Angestellte der Partei, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Firmen in Parteibesitz - mit einer detaillierten Aufschlüsselung, ob es sich um Teilzeit- oder Vollzeitstellen handelt. »Die Ergebnisse werden auf jedem Parteitag, auf dem die Vorstände gewählt werden, dem Parteitag mit der Einladung vorgelegt«, heißt es im Beschlusstext.

Der Brandenburger Tobias Bank, der im Bundesvorstand der Linken sitzt, stellte dazu jetzt klar, dass es sich hierbei lediglich um statistische Angaben handele. Die Namen sollten nicht genannt werden. Das wäre aus Gründen des Datenschutzes auch gar nicht zulässig, erläuterte er. Im Bundesvorstand hat Bank den Beschluss mitgetragen. Er hätte am Sonntag auf dem Landesparteitag auch für das begehrte Transparenzregister gestimmt, sagte Bank. Delegierter ist er, war aber wegen einer zeitgleichen Bundesvorstandssitzung verhindert.

»Solche Anträge sind berechtigt, aber zugleich Ausdruck der Krise der Partei«, sagte Bank am Dienstag. »Würden sich die verschiedenen Strömungen in der Partei nicht misstrauisch beäugen, wäre es nicht so, dass sie sich nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen - dann bräuchten wir so etwas nicht.« Aber leider stecke die Linkspartei in einer Krise, und da sei eine solche Transparenz notwendig und richtig.

Übrigens sollen die vom Bundesvorstand erhobenen Daten auch den Landesverbänden zur Verfügung gestellt werden.

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