Harte Politik ist Männersache

Friedrich-Ebert-Stiftung nennt Gründe für niedrigen Frauenanteil in Kommunalparlamenten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Guck dir mal die blöde Kuh an mit dem kurzen Rock.« Äußerungen wie diese müssen sich Kommunalpolitikerinnen in Brandenburg öfter anhören. Sie werden herablassend als »Mäuschen« angesprochen. »Ein schlechter Frauenwitz kommt ganz schnell«, wissen die Betroffenen. Peinliche Komplimente machen, ungefragt über den Rücken streicheln oder den Oberschenkel angrapschen, das erlauben sich einige ältere Kreistagsabgeordnete bei ihren Kolleginnen.

Die Frauen erzählten Sophie Obinger und Christiane Bonk davon und die haben es in ihre Studie »Frauen Macht Brandenburg« hineingeschrieben. Obinger arbeitet für ein Projekt der Frauenbeauftragten der Berliner Humboldt-Universität. Bonk ist Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oranienburg. Für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchten beide, wie viel oder wenig Frauen in Brandenburg in der Politik mitzureden haben, welche Frauenquoten es in den Parlamenten gibt und wie die Beteiligung verbessert werden könnte. Am 5. April soll die 87 Seiten lange Studie im Filmmuseum Potsdam vorgestellt und diskutiert werden.

Frauenanteile in den Parteien und Parlamenten

60 Prozent der Ministerposten in Brandenburg sind von Frauen besetzt.
Unter den Bürgermeistern im Bundesland sind 19 Prozent weiblich, zu wenig, aber immerhin noch deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt, der nur zehn Prozent beträgt.
Unter den 14 Landräten gibt es zwei Frauen: Kornelia Wehlan (Linke) in Teltow-Fläming und Karina Dörk (CDU) in der Uckermark. Eine Oberbürgermeisterin gibt es im Moment gar nicht mehr.
2019 beschloss der Landtag ein Paritätsgesetz, das den Parteien vorschrieb, ihre Landeslisten für die Landtagswahl zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Doch das Gesetz wurde vom Landesverfassungsgericht gekippt.
Die Linke hat in Brandenburg 43 Prozent weibliche Parteimitglieder, Grüne 42 Prozent, SPD 32, CDU 27, AfD 22, FDP 21 Prozent.
In den Parlamenten der kreisfreien Städte Potsdam, Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder) haben die Grünen in ihren Fraktionen im Schnitt einen Frauenanteil von 52 Prozent, Linke 47 Prozent, SPD 31, FDP 20, Freie Wähler 18, CDU 17, AfD 13 und Sonstige 24 Prozent. af

Im Landtag beträgt der Frauenanteil 35 Prozent, womit Brandenburg im Vergleich der 16 Bundesländer auf Platz fünf liegt. »Klingt nicht schlecht«, sagt Christiane Bonk. Doch es seien auch schon 41 Prozent gewesen. Das war der höchste Wert, erreicht nach der Landtagswahl 2004. Warum es wieder bergab ging, liegt auf der Hand: Erhalten konservative und rechte Parteien ohne Quotenregelung mehr Stimmen, sinkt der Frauenanteil in den Parlamenten. Seit 2014 verliert die Linke an Zuspruch und damals trat die AfD auf den Plan.

Bei den Grünen und in der Linksfraktion sind aktuell je sechs von zehn Landtagsabgeordneten weiblich. In der Studie ist das allerdings nicht abgebildet. Da rangiert die Linksfraktion noch mit einem Frauenanteil von 50 Prozent hinter den Grünen. Sie konnte aber aufschließen, als der Abgeordnete Christian Görke 2021 in den Bundestag wechselte und Anke Schwarzenberg für ihn in den Landtag nachrückte.

In den 14 Kreistagen und vier Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte beträgt der Frauenanteil insgesamt 27,6 Prozent und bewegt sich damit im Bundesdurchschnitt. Den höchsten Frauenanteil hat mit 43 Prozent der Kreistag Oberhavel, gefolgt vom Potsdamer Stadtparlament mit 41 Prozent. Das Schlusslicht bildet der Landkreis Spree-Neiße mit 16 Prozent. »Je ländlicher der Raum, desto männlicher die Parlamente«, erläutert Bonk.

Bei Kommunalwahlen in Brandenburg wird kumuliert und panaschiert. Das bedeutet, die Bürger kreuzen nicht einfach nur Listen an, sondern dürfen ihre Stimmen an verschiedene Personen vergeben. Von der Liste einer Partei ziehen die Kandidaten mit den meisten Stimmen ins kommunale Parlament ein. So können Männer an den vor ihnen auf der Liste stehenden Frauen vorbeiziehen. Natürlich geht es auch umgekehrt. Ob Männer von den Wählern bevorzugt werden, haben Bonk und Obinger nicht erforscht. Bonk kann sich aber vorstellen, dass männliche Kandidaten einen Vorteil haben, weil sie aktiver und deshalb in der Bevölkerung bekannter seien. Männliche Kommunalpolitiker strotzen oft vor Selbstbewusstsein und pflegen einen rauen Umgangston, während weibliche sich selbstkritisch fragen, ob sie für ein Amt überhaupt kompetent sind, obwohl nichts gegen sie spricht.

Hinderlich sind die abendlichen Sitzungen, die oft bis in die Nacht gehen. Denn alleinerziehenden junge Mütter müssen in dieser Zeit ihre Kinder betreuen. Hinderlich sind auch die Männernetzwerke, die sich beim gemeinsamen Kneipenbesuch nach den Sitzungen bilden. Wenn die Frauen da nicht mitgehen, fehlt ihnen Herrschaftswissen.
Hier setzen Verbesserungsvorschläge an: Sitzungen auch mal auf den Nachmittag oder den Samstagvormittag legen oder weiterhin per Videokonferenz abhalten, wie es sich in der Corona-Pandemie eingebürgert hat, empfiehlt Bonk. Denn es ist selten so, dass Frauen bewusst ausgebremst werden. Im Gegenteil. So berichtet die inzwischen zur Bundesbauministerin aufgestiegene Klara Geywitz (SPD), als Frau und Ostdeutsche habe sie gleich zwei Wunschquoten erfüllen können. Ein Fakt, den andere politisch aktive Frauen bestätigen. So erzählt Laura Staudacher, geborene Schieritz (FDP): »Ich habe das Gefühl, man freut sich immer, wenn Frauen sich einbringen, weil man Frauen aufstellen will.« Dafür müssten sie aber Mitglied sein, denkt Staudacher. Die FDP hat vergleichsweise wenig weibliche Mitglieder.

Die Autorinnen der Studie schlagen vor, Frauennetzwerke zu knüpfen, die sich Männer als Verbündete suchen, für die Frauenförderung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.

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