Bananen in Quarantäne

Ausbreitung einer bedrohlichen Pflanzenkrankheit in Kolumbien bislang nur durch Desinfektion und Absperrungen gebremst

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.
Desinfektionsbecken am Tor zur Bananenplantage als Schutzmaßnahme gegen Pilzbefall
Desinfektionsbecken am Tor zur Bananenplantage als Schutzmaßnahme gegen Pilzbefall

Finca Caballos II heißt die Plantage an der Strecke zwischen Buritaca und Santa Marta in Kolumbien. Bananen werden hier großflächig für den Obsthandelskonzern Frutesa, der in der Hafenstadt Santa Marta seine Zentrale hat, angebaut. Lange Reihen von Bananenstauden sind hinter dem halbhohen Tor zu sehen, links davon steht eine offene windschiefe Blechgarage für die Mopeds und Fahrräder der Mitarbeiter aus der Umgebung.

Ein Wachmann kontrolliert den Zutritt am Tor und verweist mit einem schiefen Grinsen auf das Transparent, das mit Kabelbindern im Maschendraht fixiert ist. »Tritt sauber ein und geh sauber raus« steht da. Darüber die Parole »Wir schützen uns alle vor Fusarium R4T«. So heißt auf spanisch das Kürzel für jenen Bananenpilz, der vor rund drei Jahren auf zwei Plantagen weiter nördlich erstmals in Lateinamerika festgestellt wurde. Seitdem herrscht in Kolumbien Alarmstufe rot, denn Bananen zählen zu den wichtigen Exportprodukten des Landes und folgerichtig weist der Wachmann den Besucher auch ab. »Besuche müssen bei der Zentrale in Santa Marta genehmigt werden. Ich lasse niemanden rein«, so der Wachmann. Neugierig steckt er seinen Kopf durch das Fenster des Beifahrers, ein entschuldigendes Lächeln huscht über sein Gesicht, bevor er zurückgeht und das Tor wieder schließt.

Das ist derzeit Usus auf Kolumbiens Plantagen. So wenig Menschen wie möglich sollen Zugang zu den Plantagen erhalten, denn der Bananenstauden tötende Pilz könnte an den Schuhsohlen kleben. Etwas Erde aus einer anderen Region und schwupps macht sich der Pilz, der dreißig Jahre im Erdreich überleben kann, über die Bananenstauden her. Über die Wurzeln dringt er in die Bananenstaude ein und blockiert dort die Nährstoffzufuhr – die Pflanze stirbt ab. Kein Pestizid wirkt gegen den Pilz, der mit wissenschaftlichem Namen »Fusarium oxysporum f. sp. cubense, Tropical Race 4« heißt und von Südostasien über Afrika nach Lateinamerika, ins weltweit wichtigste Anbaugebiet, gereist ist. Wo er ankommt, bleibt den Unternehmen nichts anderes übrig, als die Plantagen abzubrennen oder umzupflügen, wie in der Region La Guajira, rund zweihundert Kilometer weiter nördlich geschehen, und dann unter Quarantäne zu stellen. In Kolumbien wurde im August 2019 der Notstand ausgerufen, denn von der Banane leben tausende Familien und Hunderte von Unternehmen.

Knapp 900 Millionen US-Dollar wurden 2021 mit dem Export der krummen, gelben Frucht verdient. Zudem ist die Produktion der unterschiedlichen Bananensorten – Koch- und Fruchtbananen – auch für die nationale Lebensmittelversorgung wichtig, so Adela Torres, Generalsekretärin von Sintrainagro, der Gewerkschaft der Plantagenarbeiter*innen. Sie hat ihr Büro in Apartadó, in Kolumbiens wichtigster Anbauregion im Nordwesten des Landes. »Gemeinden wie Turbo, Apartadó, Carepa oder Chigorodó hängen ökonomisch zu 85 Prozent vom Bananenanbau ab«, sagt Torres. Ein wesentlicher Grund, weshalb die Gewerkschaft mit Schulungen ihrer Mitglieder bei der größten Präventionsaktion, die der Bananenanbau in Kolumbien bisher erlebte, mit dabei ist. Das ist essentiell, denn 95 Prozent der Arbeiter*innen sind gewerkschaftlich organisiert. »Die Maßnahmen funktionieren«, so Torres. Dazu gehöre auch die Desinfektion von Containern in den Häfen von Buenaventura, Cartagena und Santa Marta.

Die bisherige Entwicklung gibt ihr Recht. Es konnte verhindert werden, dass der Pilz weiter nach Westen zog, was auch im Nachbarland Ecuador, dem weltgrößten Bananenexporteur, für Erleichterung sorgt. Doch die Prävention hat ihren Preis, und den tragen die Produzentenländer bisher allein, wie die hartnäckigen Verhandlungen auf der Fruchtmesse Fruit Logistica in Berlin Anfang April belegten. Dort pochten sieben bananenproduzierende Länder auf höhere Preise. Nicht nur wegen der Mehrkosten durch die aufwendigen Präventionsmaßnahmen gegen die Pilzkrankheit, sondern auch wegen gestiegener Düngemittel‑, Pestizid- und Verpackungspreise. Hinzu kommen Mehrausgaben für Container und Co. »Darunter stöhnt die ganze Branche«, so Jorge Acosta, Gewerkschaftskoordinator aus dem ecuadorianischen Guayaquil. Und das gefährdet wiederum die Präventionsmaßnahmen, denn niedrige Preise sorgen für stagnierende Löhne. Nicht selten wird dann auch an Desinfektionsmitteln gespart. Das könnte zum Bumerang werden.

Dafür sind auch deutsche Supermarktketten mitverantwortlich, die nach wie vor deutlich mehr für das Kilo Äpfel als für die weitgereisten Bananen zahlen. Das kritisiert Adela Torres. Doch die Gewerkschafterin ist genauso wie Jorge Acosta nicht im Bilde, über welchen Preis in Berlin verhandelt wurde. »Die Gewerkschaften waren in Berlin nicht mit am Verhandlungstisch. Es waren die Agrarminister und die Exportverbände, die die Verhandlungen führten. Wir erfahren als Letzte, was ausgehandelt wurde«, kritisiert Torres. Ein Widerspruch, denn schließlich sind es die Arbeiter auf den Plantagen, die die Arbeit machen – auch die, um den Pilz zu stoppen.

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