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Gut, dass das mal gesagt wurde

Günter Buhlke denkt über eine neue bessere Welt nach

  • Jutta Grieser
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Cover zeigt den knorzigen Stamm einer Zypresse, die, wie im Impressum zu lesen ist, im Park des Himmelstempels in Peking steht und mindestens 600 Jahre alt ist. So lange – und vermutlich noch länger – wird Buhlkes Frage gestellt, die er zum Titel seines jüngsten Buches machte. Martin Luther beantwortete sie damals auf seine Weise: Er wollte, selbst wenn er wüsste, dass morgen die Welt untergeht, noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen. Nun, ob Dr. Martinus jemals einen Baum gepflanzt hat, wissen wir nicht, wohl aber, dass sich die Welt noch immer dreht. Gut, die Zeichen des Untergangs mehren sich mal wieder, es könnte diesmal vielleicht doch so weit sein …

Günter Buhlke, einst Handelsattaché der DDR in Mexiko und später an der DDR-Botschaft in Venezuela Handelsrat, ist ein notorischer Optimist, was angesichts seiner Vita nicht sonderlich überrascht. Und darum steht für ihn, wie es in seinem Vorwort heißt, »das Zeitfenster für revolutionäre Änderungen im 21. Jahrhundert« offen.

In seinem Buch übt er nicht nur Kritik am Kapitalismus (das tun, bis auf Linke, inzwischen fast alle), sondern er versucht sich an Antworten, wie eine Alternative aussehen könnte. »Was bietet die reale Welt an Zukunftsmodellen?«, fragt er rhetorisch. Das sowjetische Sozialismusmodell war es augenscheinlich nicht, sonst wäre es nicht so jämmerlich gescheitert – jedoch: Es enthielt Elemente, die in einer künftigen Welt sich reaktivieren ließen, schreibt er. Und Buhlke verweist auf China und Lateinamerika. »Auch in Afrika sind Bedingungen herangewachsen, die zu berücksichtigen wären.«

Nicht minder bedeutungsschwer sind Aussagen wie diese, die zu Kapitelüberschriften gerinnen: »Ohne Wissenschaften ist eine neue Ordnung zum Wohle der Gemeinschaft nicht vorstellbar.« Das ist auch als – durchaus begründeter – Hinweis an die Adresse politischer Mandatsträger zu verstehen, die von Theorie nicht viel halten und deren Lektüre sich auf den täglichen Presseausschnittdienst beschränkt. (Ja, das ist ungerecht, es werden natürlich auch Vorlagen studiert.)

Selbstverständlich hat Buhlke recht: Die Kenntnisse dessen, was große Geister uns hinterließen, ist in diesen Kreisen erschreckend gering. Marx-Zitate machen noch keinen Marxisten – wir erlebten den schlagenden Beweis in den 80er Jahren. Und darum zitiert auch der Autor gern die alten und die neuen Klassiker, zu denen er augenscheinlich auch Heinz Dietrich rechnet, der vor Jahren ein Buch vorgelegt hat, das da hieß: »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«. Denn der in Lateinamerika umtriebige Professor hat gesagt, das Zukunftsmodell sei »eine evolutionäre Synthese der klassischen Politischen Ökonomie, der Beachtung vergangener Erfahrungen und der Anwendung neuester wissenschaftlicher Methoden«. Das klingt nicht nur wie eine Binse, es ist auch eine.

Bücher wie das vorliegende lassen mich immer ein wenig ratlos zurück. Ich verstehe das ehrliche Bemühen, konstruktiv auf das gesellschaftliche Dilemma zu reagieren. Sich eben nicht der allgemeinen Apathie und Resignation hinzugeben, sondern – dialektisch geschult und ausgestattet mit einem Wissen, das umfangreicher ist, als es das Angebot des Parteilehrjahrs jemals war – eigene Denkangebote zu unterbreiten. Womit ich erstens nichts gegen das Parteilehrjahr gesagt haben will: Es war eine nützliche Option, die leider mit dem Volkseigentum aus unserem Leben entschwand. Und zweitens habe ich nichts gegen diesen Reflex, mit eigenen Überlegungen dem Zeitgeist und der Unvernunft die Stirn zu bieten. Doch das alles atmet den Geist rührender Hilflosigkeit, was mich irgendwie an Don Quijote erinnert. Dann schon lieber ein Apfelbäumchen pflanzen. Aber angesichts der Dürre sind dessen Überlebenschancen auch nicht rosig.

Günter Buhlke: Hat die Welt eine Zukunft? Skizzen für eine mögliche Gesellschaft. Verlag am Park in der Edition Ost, 195 S., br., 15 €.

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