Störenfriede bei Baerbock-Auftritt in Falkensee

Wortgefechte beim Auftritt von Annalena Baerbock im Bürgermeisterwahlkampf von Falkensee

Lars Krause ist ein Spaßvogel und gehört der Spaßpartei des Europaparlamentariers Martin Sonneborn an. Zugleich ist Krause Bundesvorsitzender der PDS. Nein, das ist nicht die Partei des demokratischen Sozialismus. Die gibt es ja nicht mehr. Es ist die Partei der Sorben. Auch das ist ein Ulk. Krause stammt aus Hessen und lebt im Havelland, fernab vom Lausitzer Siedlungsgebiet der Sorben. Als Kreistagsabgeordneter hat er sich der Linksfraktion angeschlossen, ist sogar deren stellvertretender Vorsitzender. Nun kandidiert Krause bei der Bürgermeisterwahl in Falkensee. Die hiesige Linke unterstützt aber nicht ihn, sondern den Kandidaten Rainer Ganser von den Freien Wählern (Slogan: »Machen ist besser als wollen«).

Auch Kandidatin Heike Stumpenhusen von der Querdenker-Partei »Die Basis« buhlte um die Unterstützung der Sozialisten, wie der Linke-Stadtvorsitzende Harald Petzold berichtet. »Aber das kommt nicht in Frage«, sagt Petzold. Hier hört der Spaß auf. Das zeigt sich am Dienstagabend in der Stadthalle von Falkensee. Dort legen es Stumpenhusens Anhänger darauf an, eine Wahlkampfveranstaltung von Bürgermeisterkandidatin Julia Concu mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) zu torpedieren. Doch dazu später.

Sinn für Humor beweist Jan Pollmann (CDU). Mit einem gehörigen Schuss Selbstironie präsentiert dieser Bürgermeisterkandidat auf Wahlplakaten seine Halbglatze mit der Bemerkung »Nichts auf dem Kopf. Aber jede Menge darin«. Mit Blick auf das Ergebnis der Kommunalwahl 2019 müsste es bei der Bürgermeisterwahl am 11. Juni zu einem Zweikampf zwischen Pollmann und Concu kommen. Denn die Grünen wurden 2019 mit 22 Prozent der Stimmen stärkste Kraft in der Stadt, dicht gefolgt von der CDU mit 20,7 Prozent.

»Ich schätze meine Chancen immer noch als sehr gut ein«, bekräftigt Concu am Dienstagabend. Repräsentative Umfragen für Falkensee gebe es nicht. Brandenburgweit stagnieren die Grünen auf einem für ihre Verhältnisse noch recht hohen Niveau von neun bis zehn Prozent. Bundesweit befinden sie sich in Turbulenzen, ohne dass sich dies bislang negativ auf ihre Umfragewerte ausgewirkt hätte. So könnten Brandenburgs Grüne in ihrer Hochburg Falkensee mit Concu eine erste grüne Bürgermeisterin bekommen. Derzeit stellt die Ökopartei im Bundesland noch keinen einzigen Rathauschef.

In Falkensee tritt der langjährige Bürgermeister Heiko Müller (SPD) nicht wieder an. Mit einem Schmunzeln verrät Concu am Dienstag in der Stadthalle Falkensee in Anwesenheit ihrer aus Berlin angereisten Eltern, dass ihr Geburtsname Müller laute. Verwandt ist sie mit Bürgermeister Heiko Müller jedoch nicht und will vieles anders machen als dieser, zum Beispiel 10 000 Bäume für ein besseres Stadtklima pflanzen lassen, für bessere Radwege sorgen und einen Jugendklub einrichten. SPD-Kandidatin Cornelia Nietsch-Hach zählt Concu nicht zum Kreis der Favoriten. »Es gibt eine Wechselstimmung«, begründet sie das.

Prominente Wahlkampfhilfe gibt es in der Stadthalle von Außenministerin Baerbock. Ihr Auftritt ruft Heike Stumpenhusens Gefolgschaft auf den Plan, die neben der Stadthalle Stimmung gegen die Außenministerin macht und sich nicht allein aus der Partei »Die Basis« speist. Es werden dort mehrere einschlägig bekannte Rechtsextreme gesichtet, von denen einzelne anschließend in den Saal vordringen. Zwar kontrolliert Wachpersonal die Taschen. Aber ansonsten beschränken die Grünen den Zugang nicht.

Von rund 250 Gästen sind mindestens 200 der klassischen Klientel der Ökopartei zuzuordnen und etwa 15 oder 20 sind erbitterte Gegner. Diese buhen schon los, bevor Baerbock das erste Wort gesprochen hat, und pfeifen und toben später an allen möglichen und unmöglichen anderen Stellen. Das führt dazu, dass schließlich Baerbocks Anhänger demonstrativ klatschen, sobald die Ministerin etwas sagt – ganz egal was.

Die Weltsicht ist auf beiden Seiten schlicht in Gut und Böse eingeteilt. Als Baerbock beteuert, der russische Präsident Wladimir Putin habe den Krieg in der Ukraine zu verantworten, schallt es ihr mindestens genauso undifferenziert entgegen: »Lüge, Lüge!« Aber Baerbock weiß sich in den Wortgefechten besser zu benehmen und sie sagt den besten Satz des Abends: »Überall auf der Welt wollen die Menschen eigentlich das Gleiche: in Frieden leben!« Sie mahnt: »Es ist manchmal schwierig auszuhalten. Doch man sollte zuhören können, auch wenn man die Meinung des anderen nicht teilt.« Es nützt nichts. Skandiert wird die alte pazifistische Losung »Frieden schaffen ohne Waffen«. Skandiert wird aber auch »Baerbock muss weg« – in Anlehnung an die asylfeindliche AfD-Parole »Merkel muss weg«.

Die Landtagsabgeordnete Carla Kniestedt, die hier moderiert, spielt ihre reiche Erfahrung als Fernsehjournalistin aus und lässt sich nicht zu unbedachten Reaktionen hinreißen. »Das wollen die doch nur«, winkt sie hinterher ab. »Brüllen ist keine Alternative«, redet sie den Störenfrieden mit bewundernswerter Gelassenheit ins Gewissen.

Auf viele provokante Fragen gibt es sachliche Antworten. Doch ein Mann, der nicht an die Reihe kommt, brüllt seine Fragen schließlich unablässig hinein und wird laut schimpfend von zwei Wachleuten aus dem Saal geführt. Als eine junge Frau fragt, was gegen rechts unternommen werden könne, murren und pfeifen die Störer. »Zur Wahl gehen«, antwortet Baerbock der jungen Frau. »Damit die Schreihälse nicht die Mehrheit bekommen.«

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