Serie »The Ark«: Gut aussehen im Weltall

Die Serie »The Ark« erzählt von einer kosmischen Arche, die einen besiedlungsfähigen Planeten sucht

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
Wie in jeder Postapokalypse geht es auch in »The Ark« ums Ganze.
Wie in jeder Postapokalypse geht es auch in »The Ark« ums Ganze.
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Wenn man – nur so ein Rechenbeispiel – Nahrungsmittel für 400 Menschen in ein Raumschiff lädt und das Essen nicht mal für zwei Monate reicht, was bliebe dann wohl für 150 Passagiere übrig, wenn die ein ganzes Jahr davon leben müssten? So ganz genau kann Lieutenant Garnet das auch nicht sagen. Aber als seine Besatzung nach einem Unfall nach fünf Jahren aus dem Hyperschlaf gerissen wird und den Überlebenden des beschädigten Raumschiffes erklärt werden muss, was fortan alles verboten ist, herrscht Unruhe auf Ark One.

»Kein Duschen, kein Waschen und kein unnötiger Wasserverbrauch«, befielt die ranghöchste Offizierin ihrer Sternenbesatzung, um Ressourcen zu sparen. Mittelfristig dürften 150 verdreckte Astronauten also gehörig stinken, wenn sie auf der Arche zur zweiten Erde fliegen, weil die erste unbewohnbar wird. Wie gut, dass es noch kein Geruchsfernsehen gibt. Aber eigentlich auch egal, denn Garnets Restbesatzung schafft es auch ohne Dusche, Wäsche und mit Wassersparen, sauber, rein und wohlgenährt auszusehen.

Nicht die einzige kreative Freiheit einer Serie des Fantasy-Kanals Syfy auf Sky. Showrunner Dean Devlin, seit seiner Mitarbeit an Roland Emmerichs Blockbustern »Stargate« oder »Independence Day« Hollywoods Experte für extraterrestrisches Entertainment, nimmt sich schließlich auch sonst alle Freiheiten, sein Drehbuch einer havarierten Mission ins All nicht mit Ballast irdischer Logik zu erschweren. Das zeigt sich bereits nach drei Minuten.

Als ein Drittel der kosmischen Kolonisatoren zwölf Monate vor ihrer programmierten Ankunft auf einem Exoplaneten aus den wabenartigen Hightech-Betten steigt, übernehmen intelligente Raumanzüge zwar die Arbeit ihrer erschlafften Muskulatur. Ansonsten aber sind sämtliche Beteiligten physisch und psychisch nicht nur fit wie frisch aus dem Yoga-Retreat. Allem Wasser- und Nährstoffmangel zum Trotz sehen sie in den zwölf Folgen noch blendender aus als ihr aseptisches Raumschiff.

Die Haare frisiert, der Bart getrimmt, das T-Shirt sauber wie die Decks, auf denen ständig schwer beschäftigte Unterwäschemodels herumwuseln. Weil sie offenbar keine Zeit auf Körper- und Umgebungspflege verwenden, haben die Besatzungsmitglieder genug Zeit, als wandelnde Stereotypen durchs Flugobjekt zu laufen. Sharon Garnet zum Beispiel (Christie Burke) ist ebenso attraktiv wie resolut und teilt beides mit ihren Führungskollegen Lane (Reece Ritchie) und Bryce (Richard Fleeshman).

Es gibt das Superhirn Angus (Ryan Adams), die Superbitch Cat (Christina Wolfe) und den Superblender Jasper (Chris Leask), es gibt den Supernerd Alicia (Stacey Read), die Supernanny Dr. Kabir (Shalini Peiris) und den Superchecker Strickland (Pavle Jerinic). Es gibt also für jedes Seifenopernklischee mindestens ein Role Model. Und wie rätselhaft all die Namen fürs Durchschnittspublikum sind, zeugt davon, dass Dean Devlin für sein Produkt allenfalls C-Personal gewinnen konnte.

Kein Wunder, erinnert doch das Set-Design mit gutem Willen an Videospiele von 1999, mit schlechtem an »Emergency Room« mit einer Prise »Krankenhaus am Rande der Stadt«. Während Science-Fiction auch 2023 noch immer nicht gelernt hat, dass im Weltall selbst Explosionen keinerlei Schall emittieren, muss die Frage erlaubt sein, warum die Menschheit ihre Heimat so massiv ausgebeutet hat, dass sie Lichtjahre entfernt nach Exilwelten sucht, zu Hause aber Raumschiffe von der Größe Wuppertals baut.

Und dann erst die Story! Zwischen dem Versuch, Meteoriten entweder auszuweichen oder noch kühner: durch waghalsige Landemanöver buchstäblich das Wasser abzugraben, gibt es reichlich Spielraum für Kompetenzgerangel und Beziehungskisten, Liebe und Verrat, Mord- und Totschlag. Wie in jeder Postapokalypse geht es also auch in »The Ark« ums Ganze. Aber was lehren uns Fiktionen von der Naturkatastrophe über die Pandemie bis zur Zombie-Flut? Egoismus und Machtkalkül sind stärker als Solidarität und Selbstlosigkeit. So handelt die Serie nicht nur von Verteilungsgerechtigkeit knapper Ressourcen, sondern von Befindlichkeiten, bei denen niemand am Ende der ist, der er zu sein scheint.

Das finden viele wohl interessant genug, um die billige Optik, das hölzerne Spiel, den vorhersehbaren Plot oder andere mal feinere, mal gröbere Nachlässigkeiten zu ertragen. Eine ähnlich surreale Fiktion mit verstörender Tendenz zum Inzest ist ja schon nachzulesen im Buch Genesis, Kapitel 6 bis 9. Also: Wenn schon religiös anmutende Rettungsmissionen, dann bitte Noahs Arche im Original. Das ist definitiv besser gescriptet.

Verfügbar auf Sky.

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