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Opposition kratzt an Allmacht der Regierungspartei in Singapur
Bevorstehende Präsidentenwahl in Singapur ist Stimmungsbild über Chancen eines oppositionellen Parteienbündnisses
Es ist erst 30 Jahre her, seit erstmals ein Präsident des südostasiatischen Stadtstaates Singapur von der Bevölkerung gewählt und nicht vom Parlament bestimmt wurde. Gleiches gilt auch für das neunte Staatsoberhaupt: Spätestens am 13. September wird über die Nachfolge von Amtsinhaberin Halimah Jacob entschieden, die erste Frau auf dem Posten. Die fast 69-Jährige will nicht wieder antreten. Sie war 2017 ohne Gegenkandidat*innen gewählt worden; andere potenziell Interessierte waren an den Vorgaben gescheitert, vor allem an der damaligen Einschränkung, die nur Bewerbungen aus der malaiischen Minderheit zuließ.
Diesmal wird die Wahl spannender, gibt es doch schon vier Personen, die ihre Kandidatur angekündigt haben. Zwei davon sind als ernsthafte Kandidaten anzusehen, für die beiden anderen gilt das eher nicht: Der pensionierte Oberschullehrer Seng Soon Kia wirkte schon bei seinen ersten Äußerungen bizarr, als er am 13. Juni seine Unterlagen zur Kandidatur bei der Wahlbehörde abholte. Der Mann, der 71 oder 72 Jahre alt sein soll, sprach vor Reportern davon, dass er bereits 1951 für ein Jahr Präsident gewesen sei. Dabei gab er sein Geburtsjahr zugleich mit 1952 an, zudem war Singapur damals noch britische Kronkolonie.
Ähnlich skurril wirkt ein weiterer Bewerber: Der Tiktok-Unternehmer Teo En Ming (45) musste schon eine Privatinsolvenz anmelden. Und, so berichteten einheimische Medien, er habe einst Pläne geäußert, in die japanische Pornofilmbranche einzusteigen, um mit möglichst vielen japanischen Frauen intim zu sein. Ob diese beiden Namen am Ende auf dem Stimmzettel stehen werden, ist noch ungewiss.
Ex-Minister als Präsidentschaftsfavorit
Recht klar scheint dies für Tharman Shanmugaratnam (66) zu sein, der als Kandidat des Establishments ins Rennen geht. Bis zur Niederlegung sämtlicher Posten Anfang Juni war er seit 2015 koordinierender Minister für Sozialpolitik, seit 2019 zusätzlich mit dem Titel Senior Minister, also einer der weiteren Stellvertreter des Regierungschefs. Tharman hat den Rückhalt des politischen Apparats und tritt damit als haushoher Favorit an.
Doch ganz so sicher kann sich die seit Jahrzehnten dominante PAP eines überragenden Sieges nicht sein. Alternative politische Kräfte haben sich in Stellung gebracht – noch mit eher bescheidenem Einfluss. Aber selbst innerhalb der PAP gibt es Stimmen, die mahnen, man dürfe Wahlsiege nicht mehr als selbstverständlich ansehen, so Vizepremier Lawrence Wong im November.
Ein echter Oppositioneller ist George Go Ching Wah (63) zwar nicht, zuletzt betonte er, ein Präsident müsse mit der Regierung »gut zusammenarbeiten«. Doch der vierfache Vater, erfolgreiche Unternehmer und Honorarkonsul Marokkos versucht, sich für die Präsidentenwahl als Unabhängiger in Szene zu setzen, der keinerlei Verflechtungen mit der PAP hat. Mit dieser beschworenen Distanz zum Establishment könnte er durchaus erfolgreich jene Stimmen einsammeln, die Teuerung und andere Entwicklungen äußerst kritisch sehen.
Opposition bereitet Allianz vor
Davon gibt es immer mehr im Stadtstaat, der mit seinem nominell demokratischen, in der Praxis aber lange recht autoritären System eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte sondergleichen in Südostasien hingelegt hat. Seit einigen Jahren kann die Opposition mit dem Gewinn einzelner Wahlkreise zumindest kleinere Achtungserfolge verbuchen. Am 1. Juni waren die Chefs von vier Parteien mit der Nachricht an die Öffentlichkeit getreten, eine Allianz zu bilden. Schon seit Januar liefen die Verhandlungen zwischen Reformpartei (RP), Demokratisch-Progressiver Partei (DPP), Volkes Stimme (PV) und Partei der Volksmacht (PPP).
Die 2008 gegründete RP ist dabei die älteste Kraft, doch keine der vier ist im Parlament vertreten. Frühere Versuche oppositioneller Bündnisse scheiterten – zuletzt ab 2001 die geschrumpft noch fortbestehende Singapurische Demokratische Allianz (SDA). Gestärkt sitzt neben der PAP derzeit nur die sozialdemokratische Workers Party (WP) im Parlament, nachdem sich 2020 ihre Mandatszahl von sechs auf zehn erhöht hat. Ob die neue Volksallianz zur Wahl 2025 punkten kann, ist noch unklar.
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