Mit gesteuerter Entwicklung zur »harmonischen Gesellschaft«

Hu Jintao will China modernisieren – die Kommunistische Partei soll diesen Prozess führen

  • Anna Guhl, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao will den Reformkurs in China konsequent fortsetzen. Dazu gehört neben der wirtschaftlichen Entwicklung und der Bekämpfung der Korruption auch die Beseitigung sozialer Verwerfungen.

Pünktlich um 9.00 Uhr wird Chinas Parteichef Hu Jintao heute Morgen in Peking den 17. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas eröffnen. Rund 2200 Delegierte sind aus allen Teilen des Landes angereist, um an den auf sieben Tage angesetzten Beratungen teilzunehmen. Nach jüngsten Meldungen der Parteipresse zählt die KP Chinas inzwischen über 73 Millionen Mitglieder, gut sechs Millionen mehr als beim letzten Parteitag im Herbst 2002. Laut eigenen Angaben verzeichnete die Partei die größten Zuwächse unter den Studenten und in der neuen Mittelschicht. Damit konnte die KP ihre Position als stärkste und einflussreichste politische Kraft im Land durchaus weiter ausbauen.

Für Parteichef Hu ist es der erste Parteitag nach seiner Wahl zum Generalsekretär. Die seit Monaten in allen Medien veröffentlichten und gesendeten Berichte sollen keinerlei Zweifel aufkommen lassen, dass auch er in den letzten fünf Jahren seine Rolle in Partei und Gesellschaft deutlich festigen konnte. Der Parteitag wird daher ganz im Zeichen seiner politischen Programmatik und ideologischen Ausrichtung stehen. Dass »seine« Ideen vom »wissenschaftlichen Entwicklungskonzept« und der »harmonischen Gesellschaft«, wie im September auf einer Politbürositzung verkündet, im Parteistatut festgeschrieben werden sollen, kann er bereits jetzt als Erfolg werten. Seine Vorgänger Deng Xiaoping und Jiang Zemin vermochten ihre politischen Weisheiten erst nach Rücktritt aus dem aktiven politischen Leben zu verewigen.

Von Beginn seiner Amtszeit an stand Hu im Spannungsfeld, seine uneingeschränkte politische Macht vor dem Hintergrund fehlender Autoritäten in der Partei notwendigerweise zu legitimieren und andererseits dem wachsenden Druck aus der Gesellschaft ausreichend zu begegnen. Denn die ausschließlich auf schnelles Wirtschaftswachstum angelegte Politik seines Vorgängers Jiang hatte zu erheblichen sozialen Spannungen und Ungleichheiten im Land geführt. Hu wusste aus seiner politischen Arbeit in den ärmsten Provinzen des Landes sehr genau: Nur eine stabile soziale Lage kann Entwicklung und Gedeihen des Landes ermöglichen.

Um dies zu garantieren, setzt Hu damals wie heute ausschließlich auf den Parteiapparat. Dieser soll die politische Macht und allseitige Kontrolle im Land ausüben. Die personellen Umsetzungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass Hu sich sehr bemühte, die Schaltstellen in der Zentrale und auf Provinzebene mit seinen Kräften zu besetzen. Größtes Hindernis bleibt auch für Hu die alles zersetzende und immer stärker um sich greifende Korruption in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Sie behindert nicht nur Umsetzung und Weiterentwicklung vieler guter politischer Ansätze und weitreichender Maßnahmen, sondern sie hintertreibt diese regelrecht und gerade dann, wenn sich Bestechlichkeit mit Inkompetenz paart. Das nun maßgeblich von Hu geforderte »Mehr an innerparteilicher Demokratie« dient im Wesentlichen der Bereinigung der Parteireihen von Korruption und Nepotismus. Hu braucht neben hohem Sachverstand und Fachkompetenz vor allem politische Loyalität innerhalb der Partei. Beobachter rechnen daher mit einer mehrheitlichen Neubesetzung und deutlichen Verjüngung aller Parteigremien bis hin in die Spitzenposition und damit auch mit einer personellen Stärkung der Position von Hu als Parteichef.

Bereits recht früh und sehr deutlich hat sich Parteichef Hu in Vorbereitung des Parteitages gegen Forderungen nach Rückkehr zum »maoistischen Sozialismus« ausgesprochen, die im »linken Parteilager« erhoben werden. Zugleich grenzte er sich von den Befürwortern weitgehender politischer Reformen ab. Dabei lässt Hu durchaus Kritik zu, diese will er aber weitestgehend auf solche Fragen wie soziale Verwerfungen und Widersprüche begrenzen. Von Reformen und Öffnung sollen in erster Linie Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Kultur profitieren. Und unter Demokratie versteht Hu zunächst erst einmal mehr Bürgerbeteiligung an administrativen Entscheidungen und Abläufen, Wahlen auf unterer Ebene, die diese Bezeichnung auch verdienen, sowie umfangreiche Konsultation mit Fachkräften und Wissenschaftlern in Vorbereitung politischer Entscheidungen. Veränderungen an der bestehenden politischen Machtstruktur, gar die Aufgabe der uneingeschränkten politischen Führungsrolle der Partei, wird es unter Hu weder auf diesem Parteitag noch in seiner Amtszeit bis 2012 geben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal