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In and Out
Ein paar Vorschläge, wie sich dieses Jahr besser gestalten ließe als die letzten
Howdy aus Texas, liebe Lesende,
waren auf Ihrer Weihnachtswunschliste ein Stanley-Becher, Mini-Ugg-Boots oder ein Dyson-Haarstyler-Set? Dann Sind Sie bestimmt ein (verwöhntes) Teenagermädel. Haben Sie für das Neujahr eine Liste mit Zielen und Wünschen geschrieben, von denen Sie glauben, dass sie in Erfüllung gehen, wenn Sie sie »manifestieren«? Dann sind Sie wohl ein Delulu-Millennial. Aber vielleicht sind Sie auch Silvester einen (Halb-)Marathon gelaufen und haben dazu mehrere Fotos auf Facebook gepostet, so als fitter Gen-Xer? Oder Sie verstehen gar nicht, wovon ich hier schwadroniere, dann ist die Lage klar: Sie sind ein Boomer. Vielleicht sind Sie auch so alt, dass ich gerade Ihre Generationsbezeichnung googeln musste (Traditionalist*in!), in dem Fall möchte ich Sie herzlich beglückwünschen. Droppen Sie gefälligst Ihre »Longevity«-Routine für all die Wellnessfreaks!
Egal, welcher Generation wir auch angehören, leider müssen wir uns alle der Realität stellen: Die Festlichkeiten sind vorbei und damit ist die wohl langweiligste Periode des Jahres angebrochen – die Monate Januar und Februar. Einige Freunde machen einen auf »trockenen Januar« und sprechen ununterbrochen davon, wie leicht ihnen der Alkoholverzicht falle, andere sporteln verstärkt und berichten ununterbrochen davon, wie unglaublich anstrengend ihr Trainingsprogramm sei. Es gibt keine Feiertage, auf die man sich freuen könnte, bis auf den vermaledeiten Valentinstag, der nur überteuerte und halbverwelkte Blumen sowie überteuerte und halbgare Menüs beschert (Karneval wäre mir lieber, aber dafür müsste ich wieder in ein anderes Land immigrieren). In Schulen, an Unis und in Büros wird der Leistungsdruck unnötig aufgedreht, als wäre bei diesem widerlichen Wetter irgendjemand motiviert, noch mehr zu malochen!
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
Dafür haben wir jetzt gerade ein Zeitfenster, in dem wir uns Gedanken zum neuen Jahr machen sollten. Gedanken, die dazu betragen könnten, es kollektiv zu verbessern. 2020 und 2021 waren – darüber werden wir uns wohl alle noch im Altersheim beschweren – schwere Pandemiejahre; 2022 war vom Ukraine-Krieg, 2023 vom Nahost-Konflikt gezeichnet. Mir graut es schon davor, welches unangenehme Ereignis zum Mittelpunkt des neuen Jahres erkoren wird: Kanye macht Comeback in Ku-Klux-Klan-Kluft? Trump macht Amerika mal wieder »great again«? Chat GPT reißt die Weltherrschaft an sich und publiziert als erste Amtshandlung all unsere peinlichen StudiVZ-Beiträge?
Ich hätte einen Vorschlag, wie wir zusammen ein besseres 2024 gestalten können: Wir bestimmen einfach jetzt schonmal, was 2024 in und was out ist. Out sind Kriege, Fanatismus, Chauvinismus und das Wort »Klimaterrorismus«. Die Schere zwischen Arm und Reich soll sich zum Teufel scheren. Apropos reich: Out mit der ollen Old-Money-Ästhetik. Überhaupt out mit all den Influencern, die ständig von irgendeiner Ästhetik schwafeln. Out mit Menschen, die nicht blinken oder ewig im Auto auf dem Handy rumspielen, bevor sie losfahren und dir endlich den Parklatz freiräumen; out mit jenen, die ungefragt widerliches Essen zu deiner Dinnerparty mitbringen. Raus mit Menschen, die ihren Kindern erlauben, sich in deinem Haus wie räudige Affen zu benehmen. Auch raus mit Menschen, die vergessen, dass sie dir eine hohe Geldsumme schulden, aber Gott bewahre, wenn sie dir 1,50 Dollar für einen Tee vorstrecken, dann müssen sie am selben Nachmittag noch einen Venmo- beziehungsweise Wise-Request raushauen! Also irgendwie sind Menschen generell out.
In dagegen sind schöne Schmuckstücke, süße Tiere, imposante Kunstwerke, Monumente und Naturschauspiele, dekadentes Essen, Champagner, selbstfahrende Autos, feministische Filme, brillant geschriebene Bücher und bahnbrechende medizinische Entdeckungen. In ist die totale Sonnenfinsternis, die man diesen April in Texas besonders gut sehen können wird. In sind Manifestationsrituale für all das eben Genannte. Halbmarathons, um dabei fit zu bleiben. Ach, warum einheitlich nicht auch Dyson-Haargeräte, Mini-Uggs und Stanley-Cups!
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