Spielberg & Hanks: Fliegen, töten, landen, fliegen

Mit der Serie »Masters of the Air« produzierten Steven Spielberg und Tom Hanks ein weiteres Schlachtengemälde des Zweiten Weltkriegs

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
Wer die Serie bis zum Ende durchhält, erlebt ein achtstündiges Tutorial in zeitgenössischer Luftkriegsführung.
Wer die Serie bis zum Ende durchhält, erlebt ein achtstündiges Tutorial in zeitgenössischer Luftkriegsführung.

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Der Tod, so versuchte Paul Celan sich 1948 in seinem Gedicht »Todesfuge« Krieg und Shoah zu erklären, ist ein Meister aus Deutschland. Denn auch aus den sprichwörtlichen Dichtern und Denkerns wurden 1933 Scharfrichter und Henker, denen aber andere Meister im Zweiten Weltkrieg Paroli boten: die »Masters of the Air« - alliierte Kriegspiloten. Das ist auch der Titel eines Sachbuchs, das der kalifornische Drehbuchautor John Orloff zu Realfiktion umgeschrieben hat.

Schon vor 25 Jahren hat er die HBO-Serie »Band of Brothers« verfasst. Das war eine Fortführung von Steven Spielbergs Kinofilm »Saving Private Ryan« (1998) mit Tom Hanks in der Hauptrolle als US-Soldat während der Invasion in der Normandie 1944. Damit lösten Spielberg und Hanks eine Reihe von Weltkriegsfiktionen aus, beispielsweise die HBO-Serie »The Pacific« über den Krieg gegen Japan (2010), die sie auch gemeinsam produzierten.

Nun fügen die beiden Superstars mit ihrer neuen Produktion »Masters of the Air« einen weiteren Weltkrieg-Ableger hinzu. Im Mittelpunkt dieser Serie steht ein »Bloody Hundred« genanntes Bombengeschwader, das kurz vor dem »D-Day« meist mehr, manchmal weniger kriegswichtige Ziele in den deutschen und besetzten Städten angreift. Zum Auftakt Bremen, danach Narvik, Regensburg, Münster, Berlin, schließlich die Normandie. Und wieder werden die Gefechtshandlungen akribisch in ihre Einzelteile zerlegt, um daraus ein Schlachtengemälde von ebenso nüchterner wie emotionaler Dringlichkeit zu malen. Dem Regieteam unter der Leitung von Cary Joji Fukunaga (»True Detective«) und Dee Rees (»Mudbound«) geht es um Kampfpiloten, die es wirklich gegeben hat.

Aus dem Off geschildert vom zahnstocherkauend lässigen Major Buck Cleven (Austin Butler), lassen sie teils ganze Episoden lang Bombenteppiche aufs Deutsche Reich regnen, bis seine Städte in Trümmern liegen. Die »Masters of the Air« sind Experten der Zerstörung. Und das Produzenten-Duo legt größten Wert darauf, dieses Handwerk detailversessen zu schildern. Wer die Serie bis zum Ende durchhält, erlebt eine Art achtstündiges Tutorial in zeitgenössischer Luftkriegsführung. Vom täglichen Marschbefehl übers Beladen und Beten, Kämpfen und Fliehen, Töten und Sterben bis hin zu Reparatur, Wartung, Neustart jeder dezimierten Einsatzstaffel gibt es exakte Beschreibungen militärischer Abläufe. Gelegentlich hört man über viertelstundenlang hinweg nur Funkverkehr und Befehlsketten oder wohnt Angriffs- und Verteidigungsformationen bei.

Spezialeffekte verleihen den Himmelsschlachten etwas annähernd Dokumentarisches. Autor Orloff aber – wir befinden uns schließlich im massenkompatiblen Heimkino von Spielberg und Hanks – dickt das digital animierte Kriegshandwerk mit zwischenmenschlicher Dramatik an, die der Komponist Blake Neely wie schon im Pearl-Harbour-Abstecher »The Pacific« unter Geigenteppichen von sinfonischem Pathos begräbt – Hollywood eben. Da muss die Oberfläche schließlich bis zur totalen Reizüberflutung funkeln und strahlen, toben und tosen.

Zum Glück allerdings dürfen die Schauspieler darunter nach Wahrhaftigkeit suchen. So kernig die Serie ihr (naturgemäß fast komplett männliches) Personal der B-17 Flying Fortresses inszeniert, so spürbar werden auch die Ängste für Angreifer und Attackierte an Bord oder Boden. Wobei die Zuschauer nebenbei lernen, dass Amerikaner gezielte Attacken bei Tag bevorzugen und Briten nächtliche Flächenbombardements.

Ebenso lernen sie, dass beides verheerende Folgen hat, die zwischen nationalsozialistischem Täter, Opfer, Mitläufer allenfalls grob unterscheiden. Wenn die »Masters of the Air« im 4. Teil erstmals Feindkontakt zu ebener Erde haben und sogar Deutsche – verkörpert durch Einheimische wie Louis Hofmann oder Jakob Diehl – auftreten, gelingt es der Serie dennoch, keinen Bock zum Gärtner zu machen oder umgekehrt. Außerdem werden dem Rassismus innerhalb der US-Army zwei Folgen gewidmet.

Zum Staffelfinale werden Anleihen bei John Sturges’ legendärem Kriegsfilm »Gesprengte Ketten« von 1963 gemacht und alliierte Piloten in deutscher Gefangenschaft gezeigt. Ein jüdischer Deportationszug am Rande macht den Holocaust spürbar. Eine wichtige Serie angesichts neuer Nazis, die wieder regieren wollen.

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